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3. Schlussfolgerungen

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Die Märchen der Brüder Grimm funktionieren auch heute noch, weil der kulturgeschichtliche Kontext ihrer Entstehung in der populären Rezeption konsequent ausgeblendet wird. Die Märchen E.T.A. Hoffmanns funktionieren auch heute noch, weil Hoffmann den kulturgeschichtlichen Kontext ihrer Entstehung weitgehend ausblendet. Zwar sind die Einflüsse der »Theorie der Romantik« (Uerlings 2000) evident, etwa in der Adaption des Konzepts des Goldenen Zeitalters. Doch entwickelt der vielseitige Künstler Hoffmann sein eigenes »autonomieästhetisches« (Heydebrand/Winko 1996, z. B. S. 33) Konzept, dessen Folgen kaum zu überblicken sind.

Das scheinbar naive »Volksmärchen« mit seiner starken Schematisierung und deutlichen Mehrfachadressierung (an Leser*innen aller Altersgruppen und sozialer Herkünfte) hat wenig von seiner Attraktivität verloren, auch wenn manche Schemata in der Trivialkultur zum gängigen Muster geworden sind, etwa das Aschenputtel-Motiv: Junge und attraktive, sich ihrer erotischen Anziehungskraft nicht bewusste Frau wird von gutaussehendem und sozial deutlich höhergestelltem Mann (»Prinz«) geheiratet – und sie lebten glücklich bis an ihr gemeinsames Ende. Welchen Schaden dieses Muster in der Realität junger Frauen angerichtet hat und anrichtet, scheint angesichts fehlender Studien immer noch zu den großen Tabus unserer Kultur zu gehören. Andererseits kann die Beschäftigung gerade mit solchen scheinbar einfachen Texten wie den »Volksmärchen« dazu beitragen, die Faszination und Funktionsweise solcher Schemata besser zu verstehen.

Die sich selbst als Literatur thematisierende und gestaltende Literatur, die im Modus der Ironie die Grenze von Fiktionsrealität und Fiktion transzendiert und damit auch die Grenze zur Realität perforiert, scheint hingegen imprägniert zu sein gegen äußere Einflüsse. Doch weil sie deutlich voraussetzungsreicher ist, wird sie immer eher ein elitäres Publikum anziehen. Es ist Aufgabe von Literaturvermittler*innen, die (im Falle Hoffmanns auch historische) Schwelle zu senken. Dann könnten gerade die Märchen E.T.A. Hoffmanns dazu dienen, die produktiven Möglichkeiten der Fiktion deutlicher wahrnehmbar zu machen und so die Produktivität der Fantasie der Leser*innen anzuregen. Nichts anderes hat beispielsweise Michael Ende in seinem metafiktionalen Märchenroman Die unendliche Geschichte (1979) versucht, zweifellos auch unter dem Eindruck seiner Lektürekenntnis der Texte Hoffmanns (und anderer Texte der Romantik, etwa Novalis’ Heinrich von Ofterdingen von 1802).

An den Märchen der Grimms wie Hoffmanns – und anderer – ließe sich, wie ansatzweise deutlich geworden sein sollte, ein ganzes Spektrum der Literaturbetrachtung abstecken und in unterschiedlicher Weise die Relevanz bestimmter Aspekte von Literatur zeigen, von der Entstehung über die Rezeption bis zur Wirkung, vom Text zum sozialgeschichtlichen Kontext, zu dem auch die Autor*innen gehören, und wieder zurück zum Text. Welcher Aspekt realisiert wird, hängt von der Fragestellung und dem Blickwinkel, vor allem aber – sofern man es sich bewusst macht – vom eigenen Erkenntnisinteresse ab.

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