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2.1 Klassifikation nach der ICD
ОглавлениеDas System der ICD befindet sich seit 2018 im erneuten Wandel. Im Frühsommer 2019 wurde die ICD-11 veröffentlicht, die jedoch noch einige Jahre benötigen wird, um vollständig in die Versorgungssysteme integriert zu werden. Daher wird es in einer Übergangszeit zu einem parallelen Gebrauch von ICD-10 und ICD-11 kommen, sodass hier beide Klassifikationen von ADHS dargestellt werden müssen.
Gemäß Definition in der International Classification of Diseases, Tenth Revision (ICD-10; Dilling et al. 1991) – sind Hyperkinetische Störungen (Code F90) durch folgende Merkmale charakterisiert:
1. frühen Beginn,
2. die Kombination von überaktivem, wenig moduliertem Verhalten mit deutlicher Unaufmerksamkeit und Mangel an Ausdauer bei Aufgabenstellungen und
3. Unabhängigkeit dieser Verhaltenscharakteristika von spezifischen Situationen sowie Beständigkeit über längere Zeit.
Im Rahmen der diagnostischen Leitlinien der ICD-10 werden die beeinträchtigte Aufmerksamkeit und die Überaktivität als die für die Diagnose notwendigen Kardinalsymptome herausgestellt:
»Die beeinträchtigte Aufmerksamkeit zeigt sich darin, dass Aufgaben vorzeitig abgebrochen und Tätigkeiten nicht beendet werden. Die Kinder wechseln häufig von einer Aktivität zur anderen, wobei sie anscheinend das Interesse an einer Aufgabe verlieren, weil sie zu einer anderen hin abgelenkt werden (wenn auch Laboruntersuchungen nicht regelmässig ein ungewöhnliches Ausmaß an sensorischer oder perzeptiver Ablenkbarkeit zeigen). Diese Aspekte mangelnder Aufmerksamkeit und Ausdauer sollten nur dann diagnostiziert werden, wenn sie im Verhältnis zum Alter und Intelligenzniveau des Kindes sehr stark ausgeprägt sind.
Überaktivität bedeutet exzessive Ruhelosigkeit, besonders in Situationen, die relative Ruhe verlangen. Situationsabhängig kann sie sich im Herumlaufen oder Herumspringen äußern, im Aufstehen, wenn dazu aufgefordert wurde, sitzenzubleiben; in ausgeprägter Redseligkeit und Lärmen oder im Wackeln und Zappeln. Beurteilungsmaßstab sollte sein, dass die Aktivität im Verhältnis zu dem, was in der gleichen Situation von gleichaltrigen Kindern mit gleicher Intelligenz zu erwarten wäre, extrem ausgeprägt ist. Dieses Verhaltensmerkmal zeigt sich am deutlichsten in strukturierten und organisierten Situationen, die ein hohes Maß an eigener Verhaltenskontrolle fordern.
Beeinträchtigte Aufmerksamkeit und Überaktivität sollen nebeneinander vorhanden sein; darüber hinaus sollen sie in mehr als einer Situation in Erscheinung treten (z. B. zu Hause, in der Klasse und in der Klinik).
Die folgenden Begleitmerkmale sind für die Diagnose nicht notwendig, stützen sie jedoch: Distanzlosigkeit in sozialen Beziehungen, Unbekümmertheit in gefährlichen Situationen und impulsive Missachtung sozialer Regeln (sie äußert sich in Einmischungen in oder Unterbrechungen von Aktivitäten anderer oder vorschnellem Beantworten noch nicht vollständig gestellter Fragen oder in der Schwierigkeit, zu warten, bis man an der Reihe ist), sind sämtlich charakteristisch für Kinder mit dieser Störung.
Lernstörungen und motorische Ungeschicklichkeit treten mit großer Häufigkeit auf und sollten, wenn vorhanden, getrennt verschlüsselt werden (unter F80 bis F89). Bestandteil der eigentlichen Diagnose der hyperkinetischen Störung sollten sie nicht sein.
Symptome einer Störung des Sozialverhaltens sind weder Ein- noch Ausschlusskriterien für die Hauptdiagnose. Diese Störung bildet jedoch die Basis für die Hauptunterteilung der hyperkinetischen Störungen (siehe unten).
Die charakteristischen Verhaltensprobleme sollen früh (vor dem 6. Lebensjahr) begonnen haben und von längerer Dauer sein. Wegen der breiten Variation der Norm ist Hyperaktivität vor dem Schulalter schwierig zu erkennen. Bei Vorschulkindern soll nur ein extremes Maß zu dieser Diagnose führen.« (Dilling et al. 1991)
Die diagnostischen Leitlinien sind in den im Kasten 2.1 dargestellten Forschungskriterien noch präziser dargelegt. Hinsichtlich der Klassifikation verschiedener Untergruppen nimmt die ICD-10 die folgende Einteilung der hyperkinetischen Störungen vor:
F90.0 einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung
Es herrscht weiterhin Unsicherheit über eine befriedigende Untergliederung hyperkinetischer Störungen. Untersuchungen zeigen, dass der Verlauf bis ins Adoleszenz- und Erwachsenenalter stark davon beeinflusst wird, ob Aggressivität, Delinquenz oder dissoziales Verhalten begleitend vorhanden sind oder nicht. Dementsprechend wird die Hauptuntergliederung nach dem Vorkommen dieser Begleitmerkmale vorgenommen.
F90.0 soll verwendet werden, wenn die allgemeinen Kriterien für eine hyperkinetische Störung (F90) erfüllt sind, die Kriterien für F91 (Störung des Sozialverhaltens) jedoch nicht.
Dazugehöriger Begriff:
• Aufmerksamkeitsdefizitstörung oder -syndrom mit Hyperaktivität
• Aufmerksamkeitsdefizit mit Hyperaktivitätsstörung« (Dilling et al. 1991).
F90.1 hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Diese Kodierung ist zu wählen, wenn die Kriterien für eine hyperkinetische Störung (F90) und die Kriterien für eine Störung des Sozialverhaltens (F91) beide erfüllt sind.
F90.8 andere hyperkinetische Störungen
F90.9 nicht näher bezeichnete hyperkinetische Störung
Eine nicht zu empfehlende Restkategorie, die nur verwendet werden soll, wenn die Differenzierung zwischen F90.0 und F90.1 nicht möglich ist, die allgemeinen Kriterien für F90 aber erfüllt sind.
Dazugehöriger Begriff:
nicht näher bezeichnete hyperkinetische Reaktion oder hyperkinetisches Syndrom der Kindheit oder des Jugendalters
In der ICD-11 (https://icd.who.int/browse11/l-m/en) wird die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (6A05) analog zum DSM-5 der neu geschaffenen Gruppe der neurobiologischen Entwicklungsstörungen zugerechnet. In der Beschreibung der Störung sind keine bedeutsamen Veränderungen gegenüber der ICD-10 vorgenommen worden. Die Dauer der Symptome soll mindestens seit sechs Monaten vorliegen, der Beginn wird als typischerweise in der frühen bis mittleren Kindheit definiert und die Situationsunabhängigkeit der Symptommanifestation ist für die Diagnosenstellung verbindlich. Da (noch) keine Forschungskriterien vorliegen, sind die in den entsprechenden Kriterien der ICD-10 enthaltenen deskriptiven Verhaltensmerkmale auch für die Klinik wertvoll, sofern nicht auf das DSM-System Bezug genommen wird.
Hinsichtlich der Typisierung von Untergruppen nimmt die ICD-11 eine deutliche Veränderung gegenüber der ICD-10 vor und konvergiert weitgehend mit der Klassifikation im DSM-5. Insbesondere entfällt die komorbide Störung von ADHS und Störung des Sozialverhaltens, für deren Auftreten nunmehr zwei separate Diagnosen zu stellen sind. Die Subtypen in der ICD-11 sind nunmehr die folgenden:
6A05.0 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, vorherrschend unaufmerksame Präsentation
6A05.1 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, vorherrschend hyperaktiv-impulsive Präsentation
6A05.2 Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kombinierte Präsentation
6A05.Y Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, andere spezifizierte Präsentation
6A05.Z Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, nicht-spezifizierte Präsentation
Mit dieser Klassifikation folgt die ICD-11 nunmehr der in Klinik und Forschung etablierten Einteilung in drei Subtypen mit Betonung von jeweils einer der Grunddimensionen des diagnosespezifischen Verhaltens bzw. ihrer Kombination und zwei Residualkategorien für die selteneren und nicht in diesen die Subtypen klassifizierbaren Symptomkonstellationen von ADHS.