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3.4 Einflussfaktoren auf die Prävalenz
ОглавлениеDrei zentrale Faktoren haben Einfluss auf die Prävalenz, nämlich Geschlecht, Alter und Sozialschicht. Die ausgeprägte Dominanz des männlichen Geschlechts bei ADHS in klinischen Stichproben findet auch in Feldstichproben ihre Entsprechung. In den Fragebogen-Studien variiert das Geschlechterverhältnis zwischen 1,5- und 5,8-mal und in den Interview-Studien zwischen 1,8- und 5,1-mal mehr Jungen als Mädchen. Im Mittel liegt das Geschlechterverhältnis bei 2–3 zu 1 (Sayal et al. 2017). In Studien mit klinischen Stichproben spielt bei der noch ausgeprägteren Dominanz des männlichen Geschlechts in erster Linie die komorbide Aggressivität eine Rolle, weil sie die Zuweisung zur Untersuchung und Behandlung befördert. Auch in der amerikanischen und der internationalen Studie an Erwachsenen (Kessler et al. 2006; Fayyad et al. 2007) wurde die Dominanz des männlichen Geschlechts bei ADHS nachgewiesen.
Hinsichtlich untersuchter Alterseffekte dokumentieren sowohl die Fragebögen- als auch die Interview-Studien mehrheitlich, dass die Prävalenzraten vom Alter abhängig sind. Dabei liegen allerdings in den Fragebogen-Studien bisweilen komplexe Interaktionen mit dem Subtyp oder dem Informanten vor. In den Interview-Studien ist der Alterseffekt vergleichsweise deutlicher hervorgetreten. Studien an Kindern im Schulalter zwischen 6 und 13 Jahren (Almqvist et al. 1999; August et al. 1996; Rohde et al. 1999; Steinhausen et al. 1998) haben höhere Prävalenzraten zwischen 5,3 und 9,6 % ermittelt als Studien an Vorschulkindern mit 2,0 % (Lavigne et al. 1996) und an Adoleszenten mit Raten zwischen 2,6 und 4,9 % (Fergusson et al. 1993; Schaughency et al. 1994; Verhulst et al. 1997). Systematische Datenanalysen innerhalb verschiedener Studienkohorten haben ferner einen Rückgang der Prävalenzraten mit zunehmendem Alter dokumentiert (Breton et al. 1999; Cohen et al. 1993; Gomez-Beneyto et al. 1994). Allerdings kommen ältere Kinder bzw. Jugendliche auch seltener in die Versorgung (Sayal et al. 2018).
Schließlich sind die Prävalenzraten deutlich von der Sozialschicht abhängig. Die Übersichtsarbeit von Sayal et al. (2017) kommt zu der Feststellung, dass ADHS in sozial benachteiligten Familien 1,5–4-mal häufiger als bei höherem sozioökonomischem Status zu beobachten ist und entsprechend seltener in Versorgungssystemen vorgestellt wird. Eine neuere US-amerikanische Studie hat eine bemerkenswerte Interaktion von Sozialschicht und positiver elterlicher Anamnese für ADHS aufgezeigt. Unter Kindern ohne elterliche ADHS-Anamnese lag bei niedrigem Einkommen eine sechsfach erhöhte Wahrscheinlichkeit für ADHS vor, die sich auf das zehnfach erhöhte, wenn eine positive elterliche Anamnese für ADHS und niedriges Einkommen vorlagen (Rowland et al. 2018). Auch die in Deutschland durchgeführte KiGGS-Studie bestätigt eindrucksvoll diesen Befund (RKI 2008).