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FMRT-Befunde zu »kalten« und »heißen« Exekutivfunktionen

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Am konsistentesten zeigen ADHS-Patienten Defizite in den sogenannten »kalten« Exekutivfunktionen. Hierbei handelt es ich um höhere kognitive Kontroll- und Regulationsprozesse, die zielorientiertes und situationsangemessenes Verhalten gewährleisten, ohne dass affektive Aspekte, wie Motivation oder Emotionen, involviert sind. Besonders betroffen bei ADHS sind die Antwort-Hemmung (Inhibition), die Daueraufmerksamkeit, das Arbeitsgedächtnis und die Zeitverarbeitung (Pievsky und McGrath 2018). Sowohl fronto-striatale als auch fronto-parietale und fronto-zerebelläre Hirnnetzwerke, einschließlich des Thalamus, sind daran beteiligt. Bei der Aktivierung dieser Netzwerke spielen die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Serotonin eine entscheidende Rolle. Da im Zusammenhang mit ADHS eine Störung dieser drei Neurotransmittersysteme, insbesondere des dopaminergen Systems, angenommen wird, erwartet man in diesen Hirnregionen abweichende Aktivierungsmuster.

Mehrere aktuelle Meta-Analysen zu fMRT-Studien konnten bestätigen, dass die robustesten Veränderungen bei ADHS-Patienten in fronto-striato-parieto-zerebellären Arealen vorliegen (Rubia 2018). Obwohl sich die betroffenen Hirnbereiche teilweise überlappen, gibt es unterscheidbare, funktionsspezifische Veränderungen, die jeweils mit einem bestimmten exekutiven Defizit assoziiert zu sein scheinen: (i) Verminderte Hirnaktivierungsmuster in einem bilateralen fronto-striato-thalamischen Netzwerk zeigen sich bei ADHS insbesondere bei Inhibitionsaufgaben (Cortese et al. 2012; Dickstein et al. 2006; Hart et al. 2013; Lei et al. 2015; McCarthy et al. 2014). (ii) Dagegen lassen sich bei Aufmerksamkeitsleistungen vor allem Minderaktivierungen in einem rechtshemisphärischen fronto-striato-thalamo-parietalen Netzwerk beobachten (Cortese et al. 2012; Hart et al. 2013). (iii) Verringerte Aktivierungsmuster in einem hauptsächlich linkshemisphärischen fronto-parieto-zerebellären Netzwerk treten bei Prozessen der Zeitverarbeitung auf (Hart et al. 2012), und (iv) eine reduzierte Hirnaktivität in einem vorrangig lateral-medialen frontalen Netzwerk kommt bei ADHS-Patienten bei Arbeitsgedächtnisleistungen vor (Cortese et al. 2012; McCarthy et al. 2014).

Zusammengenommen deuten diese Befunde auf eine multisystemische neuronale Dysfunktion bei ADHS hin, die verschiedene funktionsspezifische fronto-striato-parieto-zerebelläre Hirnnetzwerke umfasst ( Abb. 5.3). Allerdings lassen sich bei ADHS-Patienten auch immer wieder abnorm erhöhte Aktivierungsmuster in verschiedenen Hirnarealen innerhalb und außerhalb des fronto-striato-parieto-zerebelläre Kernnetzwerkes beobachten (Rubia 2018). Dies könnte ein Hinweis auf kompensatorische neuronale Aktivität sein. Dabei ist bisher allerdings nicht eindeutig geklärt, ob diese alternativ überaktivierten Areale primär aufgabenspezifisch und/oder individuell unterschiedlich sind.

Neben eingeschränkten »kalten« Exekutivfunktionen lassen sich bei ADHS-Patienten auch Auffälligkeiten bei »heißen« Exekutivfunktionen beobachten (Castellanos et al. 2006). Dazu zählen höhere kognitive Prozesse der Verhaltensregulation, die durch individuell relevante Motivation und Emotionen geprägt sind. Experimentell werden »heiße« Exekutivfunktionen vor allem mit Risiko- und Entscheidungsaufgaben erfasst, bei denen bestimmte Verhaltensentscheidungen positive oder negative Auswirkungen haben (z. B. Belohnungsgewinn, Bestrafungsvermeidung, größerer vs. kleinerer Gewinn). Neurobiologisch sind bei diesen Prozessen besonders orbitofronto- und ventromedial-fronto-striatale Netzwerke involviert. Die Datenlage zu hirnfunktionellen Veränderungen bei ADHS-Patienten ist diesbezüglich allerdings vergleichsweise dünn und uneinheitlich. Ein mehr oder weniger robuster Befund bei ADHS ist die Minderaktivierung des ventralen Striatums bei der Erwartung einer Belohnung (Plichta und Scheres 2014), wohingegen der Belohnungserhalt selbst und das aktive Bemühen um bzw. die Entscheidung für eine sofortige (vs. spätere) Belohnung eher mit einer Überaktivierung des fronto-striatalen Belohnungsnetzwerkes einherzugehen scheinen.


Abb. 5.3: Funktionsspezifische neurofunktionelle Dysfunktionen bei ADHS

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