Читать книгу Handbuch ADHS - Группа авторов - Страница 13

2.2 Klassifikation nach DSM

Оглавление

Das US-amerikanische Klassifikationssystem Diagnostic and Statistical Manual (DSM) der American Psychiatric Association hat seit seiner dritten Revision (DSM-III, APA 1980) das Aufmerksamkeitsdefizit in den Vordergrund gerückt und daher die Bezeichnung »attention deficit disorder« (ADD) kreiert, die schon mit der bald folgenden Revision (DSM-III-R, APA 1987) erneut in »attention deficity hyperactivity disorder (ADHD)« umbenannt wurde. Die unter dem Einfluss des DSM-III-R realisierte Forschung hat sodann einige Belege für die Schlussfolgerung erbracht, dass ein reines Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität (ADD/-H) eine eigenständige kinderpsychiatrische Diagnose und nicht nur einen Subtyp der ADHD darstellt. So liegen bei dem isolierten Aufmerksamkeitsdefizit (ADS) eher Probleme der fokussierten und selektiven Aufmerksamkeit vor, während Probleme der Enthemmung fehlen. Beim kombinierten Typ mit ADHS bestehen die Probleme eher in der persistenten Anstrengung und Ablenkbarkeit. Die Probleme der Enthemmung sind hierbei zentral sowie auch nach Rückbildung der Hyperaktivität weiterhin persistent.

Im Widerspruch zu diesen Erkenntnissen hat das DSM-IV (APA 1994) jedoch eine Aufteilung in Subtypen mit einem vorwiegend unaufmerksamen, einem vorwiegend hyperaktiv-impulsiven und einem Mischtyp vorgenommen. Diese Unterscheidung ist auch im DSM-5 (APA 2013) erhalten geblieben, wie Kasten 2.2 mit den entsprechenden diagnostischen Kriterien entnommen werden kann. Aufgrund des oft lebenslangen Verlaufs der ADHS wird die Störung nun dem Kapitel neurobiologische Entwicklungsstörungen (neurodevelopmental Disorders) zugeordnet. Das geforderte Alterskriterium für den Beginn der Symptomatik wurde vom 7. auf das 12. Lebensjahr heraufgesetzt, im Gegensatz zum Kindesalter und DSM-IV wurde für das Erwachsenenalter eine Symptomeschwelle von fünf statt zuvor sechs geforderten Kriterien ab dem 17. Lebensjahr zur Diagnosestellung zugrunde gelegt. Das Kriterium einer signifikanten Funktionsbeeinträchtigung aufgrund der ADHS-Symptomatik wurde in eine Beeinträchtigung des Alltags aufgrund der ADHS-Symptomatik verändert, die entsprechend des festgestellten Schweregrades der Beeinträchtigung spezifiziert werden kann.

Aus dem Vergleich der Forschungskriterien der ICD und des DSM wird die weitgehende Konvergenz der diagnostischen Kriterien der beiden Klassifikationssysteme deutlich. Im DSM-5 neu hinzu gekommen sind die Berücksichtigung eines teilremittierten ADHS sowie eines dreigestuften Schweregrades (leicht-mittel-schwer). Hingegen ist die Klassifizierung einer eigenen Entität beim gleichzeitigen Vorliegen einer Störung des Sozialverhaltens, welche in der ICD-10 Berücksichtigung findet, empirisch mittlerweile abgesichert. Analoge Hinweise auf eine spezielle Untergruppe hyperkinetischer Störungen mit gleichzeitig bestehenden emotionalen Störungen (Angst und Depression) sind empirisch bisher weniger intensiv erbracht worden. Der unter dem Einfluss englischer Wissenschaftler vorgenommenen Betonung der Pervasivität, d. h. der Situationsunabhängigkeit als Diagnose-Kriterium in der ICD-10 wird in der nordamerikanischen Diskussion weniger gefolgt. Hier ist vielmehr vorgeschlagen worden, die pervasive Störung im Vergleich zur situativen Störung als eine schwere Ausprägung der ADHD zu betrachten (Barkley 2006).

Das unter B. im DSM-5 erfasste Alterskriterium, mit dem die Manifestation der Störung vor dem Alter von 12 Jahren gefordert wird, ist auf der Basis von Ergebnissen infrage gestellt worden, die in epidemiologischen Längsschnittstudien ermittelt wurden. Drei epidemiologische Kohortenstudien in Neuseeland, Brasilien und Großbritannien haben von ADHS-Spätmanifestationen im Erwachsenenalter ohne vorausgehende ADHS im Kindesalter berichtet (Moffitt et al. 2015, Caye et al. 2016; Agnew-Blais et al. 2016; Cooper et al. 2018). Diese Befunde sind derzeit noch in kritischer Diskussion, inwieweit methodische Artefakte zur Annahme eines ADHS mit Spätbeginn im Erwachsenenalter geführt haben könnten (Asherson und Agnew-Blais 2019). Andererseits sprechen die Langzeitbeobachtungen der Multimodal Treatment of ADHD (MTA) Studie nicht grundsätzlich gegen die Validität dieser Annahme, wenngleich mangelnde Sorgfalt bei der klinischen Abklärung der Funktionsbeeinträchtigung, der psychiatrischen Anamnese und der Komorbidität häufig zu falsch-positiven Diagnosen führen können (Sibley et al. 2017).

Kasten 2.2: Diagnostische Kriterien für ADHS gemäß DSM-5 (»Abdruck erfolgt mit Genehmigung vom Hogrefe Verlag Göttingen aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, © 2013 American Psychiatric Association, dt. Version © 2018 Hogrefe Verlag.«)

A. Ein durchgehendes Muster von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität, wie in (1) und/oder (2) beschrieben, welches das Funktionsniveau oder die Entwicklung beeinträchtigt:

1. Unaufmerksamkeit: Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten und wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische/berufliche Aktivitäten aus:

Beachte: Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von oppositionellem Verhalten, Trotz, Feindseligkeit oder der Unfähigkeit, Aufgaben oder Anweisungen zu verstehen. Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich.

a. Beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten (z. B.: übersieht Einzelheiten oder lässt sie aus; arbeitet ungenau).

b. Hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten (z. B.: hat während Unterricht, Vorträgen, Unterhaltungen oder längerem Lesen Schwierigkeiten, konzentriert zu bleiben).

c. Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn bzw. sie ansprechen (z. B.: scheint mit den Gedanken anderswo zu sein, auch ohne ersichtliche Ablenkungen).

d. Führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und bringt Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende (z. B.: beginnt mit Aufgaben, verliert jedoch schnell den Fokus und ist leicht abgelenkt).

e. Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren (z. B.: hat Probleme, sequenziell aufeinander folgende Aufgaben zu bewältigen; Schwierigkeiten, Materialien und eigene Sachen in Ordnung zu halten; unordentliches, planlos-desorganisiertes Arbeiten; schlechtes Zeitmanagement; hält Termine und Fristen nicht ein).

f. Vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich nur widerwillig mit Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengungen erfordern (z. B. Mitarbeit im Unterricht oder Hausaufgaben; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen: Ausarbeiten von Berichten, Ausfüllen von Formularen, Bearbeiten längerer Texte).

g. Verliert häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Aktivitäten benötigt werden (z. B. Schulmaterialien, Stifte, Bücher, Werkzeug, Geldbörsen, Schlüssel, Arbeitspapiere, Brillen, Mobiltelefone).

h. Lässt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken (bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen können auch mit der aktuellen Situation nicht in Zusammenhang stehende Gedanken gemeint sein).

i. Ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich (z. B. bei der Erledigung von häuslichen Pflichten oder Besorgungen; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen umfasst das Vergessen auch Telefonrückrufe zu tätigen, Rechnungen zu bezahlen, Verabredungen einzuhalten).

2. Hyperaktivität und Impulsivität: Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten und wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische/berufliche Aktivitäten aus:

Beachte: Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von oppositionellem Verhalten, Trotz, Feindseligkeit oder Unfähigkeit, Aufgaben oder Anweisungen zu verstehen. Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich.

a. Zappelt häufig mit Händen und Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum.

b. Steht oft in Situationen auf, in denen Sitzenbleiben erwartet wird (z. B.: verlässt eigenen Stuhl im Klassenraum, im Büro oder an anderem Arbeitsplatz oder in anderen Situationen, die erfordern, am Platz zu bleiben).

c. Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist. (Beachte: Bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben.)

d. Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen.

e. Ist häufig »auf dem Sprung« oder handelt oftmals, als wäre er bzw. sie »getrieben« (z. B.: kann nicht über eine längere Zeit hinweg ruhig an einem Platz bleiben bzw. fühlt sich dabei sehr unwohl, z. B. in Restaurants, bei Besprechungen; dies kann von anderen als Ruhelosigkeit oder als Schwierigkeit erlebt werden, mit dem Betreffenden Schritt zu halten).

f. Redet häufig übermäßig viel.

g. Platzt häufig mit den Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist (z. B.: beendet die Sätze anderer; kann in Unterhaltungen nicht abwarten bis er bzw. sie mit Reden an der Reihe ist).

h. Kann häufig nur schwer warten, bis er bzw. sie an der Reihe ist (z. B. beim Warten in einer Schlange).

i. Unterbricht oder stört andere häufig (z. B.: platzt in Gespräche, Spiele oder andere Aktivitäten hinein; benutzt die Dinge anderer Personen ohne vorher zu fragen oder ohne Erlaubnis; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen: unterbricht oder übernimmt Aktivitäten anderer).

B. Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyperaktivität-Impulsivität treten bereits vor dem Alter von 12 Jahren auf.

C. Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyperaktivität-Impulsivität bestehen in zwei oder mehr verschiedenen Lebensbereichen (z. B. zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit; mit Freunden oder Verwandten; bei anderen Aktivitäten).

D. Es sind deutliche Hinweise dafür vorhanden, dass sich die Symptome störend auf die Qualität des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus auswirken oder dieses reduzieren.

E. Die Symptome treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder anderen psychotischen Störung auf und können auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z. B. affektive Störung, Angststörung, dissoziative Störung, Persönlichkeitsstörung, Substanzintoxikation oder -entzug).

Bestimme, ob:

F90.2 Gemischtes Erscheinungsbild: Sowohl Kriterium A1 (Unaufmerksamkeit) als auch Kriterium A2 (Hyperaktivität-Impulsivität) waren während der letzten 6 Monate erfüllt.

F90.0 Vorwiegend Unaufmerksames Erscheinungsbild: Kriterium A1 (Unaufmerksamkeit), aber nicht Kriterium A2 (Hyperaktivität-Impulsivität) war während der letzten 6 Monate erfüllt.

F90.1 Vorwiegend Hyperaktiv-Impulsives Erscheinungsbild: Kriterium A2 (Hyperaktivität-Impulsivität), aber nicht Kriterium A1 (Unaufmerksamkeit) war während der letzten 6 Monate erfüllt.

Bestimme, ob:

Teilremittiert: Wenn die Kriterien früher vollständig erfüllt worden sind, in den letzten 6 Monaten jedoch nicht alle notwendigen Kriterien erfüllt wurden und die Symptome immer noch eine Beeinträchtigung des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus verursachen.

Bestimme den aktuellen Schweregrad:

Leicht: Es treten wenige oder keine Symptome zusätzlich zu denjenigen auf, die zur Diagnosestellung erforderlich sind, und die Symptome führen zu nicht mehr als geringfügigen Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen.

Mittel: Die Ausprägung der Symptome und der funktionellen Beeinträchtigung liegt zwischen »leicht« und »schwer«.

Schwer: Die Anzahl der Symptome übersteigt deutlich die zur Diagnosestellung erforderliche Anzahl oder mehrere Symptome sind besonders stark ausgeprägt oder die Symptome beeinträchtigen erheblich die soziale, schulische oder berufliche Funktionsfähigkeit.

Handbuch ADHS

Подняться наверх