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4. Celebrity#Influencer-Marketing – Perspektiven strategischer Umsetzung

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In Zeiten digitaler Prädominanz sind die Herausforderungen für das Markenmanagement immens gestiegen – und damit auch für das Celebrity#Influencer-Marketing. Die Digitalisierung zentraler Lebensbereiche hat Social Media im Alltag der Menschen fest etabliert – mit tiefgreifenden Folgen. Nicht nur für Jugendliche ist das Smartphone zum unverzichtbaren Begleiter geworden; für viele Menschen ist der größte Alptraum im Alltag, wenn sie „kein Netz“ haben.68 Produktinfos via Google auf Wikipedia und Testportalen, Unboxing-Filme auf YouTube, User-Bilder auf Instagram und Promotions in Facebook-Communities – das Wechselspiel der Menschen zwischen analoger Lebenswelt und digitaler Medien- und Konsumwelt erfordert ein Umdenken im Branding.69 Ging es jahrzehntelang in der klassischen Markenwerbung um Information, Persuasion und Penetration, wird die Zukunft durch Relation und Collaboration definiert.70

Markenmanagement im digitalen Zeitalter bedeutet das erfolgreiche Führen von echten Dialogen zwischen sich wertschätzenden Kommunikationspartnern und das Initiieren begeisternder Interaktionen, damit Marken die Zielgruppen in deren echtem Leben abholen, auf sie eingehen, sie involvieren und binden.71 Aufgrund der Besonderheiten vernetzter Kommunikationsprozesse müssen Marken dynamischer gemanagt werden, das Zusammenspiel an den Touchpoints muss besser, intensiver und vor allem relevanter werden, um Kunden und Interessenten wirklich nahe zu sein.72 Marken müssen ihre Zielgruppen nicht nur kontaktieren, sondern faszinieren, um Bindungen nachhaltig zu festigen. Nur ein Miteinander als echte Beziehungspartner wird in der Zukunft Markenerfolge begründen – mit Unternehmen und Prosumenten, die sich auf Augenhöhe begegnen, neue Ideen und ehrliche Meinungen offen austauschen, die ausprobieren und testen, um Neues zu pushen und Altes zu verbessern. In nicht allzu ferner Zeit könnten Markenkampagnen zur Normalität gehören, die von Brand Fans initiiert und gesteuert werden, um als Schwarm oder auch Flash Mob organisiert zum analogen oder virtuellen Shopping aufzubrechen für Produkte, die sie selbst mitentwickelt (und mitproduziert) haben.73

Angesichts der gestiegenen Komplexität reichen für die strategische Planung von Markenerfolgen populäre Brand-Funnel- und Werbestufen-Modelle im Celebrity#Influencer-Marketing nicht aus. Das strategische Marketing setzt auf der übergeordneten Steuerungsebene bei kompetitiven Zielsetzungen für operative Weichenstellungen an. Dagegen stehen in der werblichen Realisierungspraxis Konzepte zur konkreten Umsetzung im Vordergrund, es geht um Story-Entwicklung und Kampagnendesign. Daher ist ein Planungsansatz zwischen Marketingstrategie und Kampagnenumsetzung hilfreich, der den Entscheidungsprozess unterstützt. Abbildung 3 zeigt unser „MIIT“-Planungsmodell mit vier Entscheidungsebenen, das bei den Zielsetzungen des strategischen Marketings ansetzt, um diese bis zur Kampagnenumsetzung fortzuführen.

Abb. 3: Strategischer Entscheidungskorridor im Celebrity#Influencer-Marketing

Im Entscheidungsbereich „Markenziele“ geht es um eine weitergehende Ausgestaltung der übergeordneten strategischen Markenpositionierung im Wettbewerb. Die üblichen Marketingziele zur Steigerung von Bekanntheit, Sympathie und Image der Marke, die der Erreichung ökonomischer Erfolgsziele dienen, sind für das Celebrity#Influencer-Marketing zu „übersetzen“ und durch Vertiefung und Ausweitung zu präzisieren. Die Konzeption eines Erfolg versprechenden Zielkorridors hat den Transfer kultureller Bedeutungsinhalte zu verfolgen, die für die Marke und Zielgruppe gleichermaßen wünschenswert wie relevant sind. Dazu müssen für die Marke spezifische Themenfelder bestimmt werden, die sie in der Kommunikation mit der Zielgruppe für sich alleinstellend besetzen kann.

Entscheidend ist dabei, mit der kognitiven, affektiven und konativen Ebene alle drei psychologischen „Touchpoint-Modi“ des Menschen zu berücksichtigen und anzusprechen. Um das Soll-Image bedeutungsvoll auszugestalten, sollte das kognitive Markenschema inhaltlich zum Beispiel nicht nur mit einem Lifestyle-Thema aufgeladen, sondern auch emotional durch Spaß oder Romantik oder Action aktiviert werden, was musikalisch durch den fröhlichen Popstar, den Balladensänger oder den fetzigen Rocker erreicht werden kann. Zudem ist auf der Verhaltensebene eine lebendige Markenvermittlung in den Zielkorridor zu integrieren, die sich auf Partizipation, Interaktion, Bindung oder Loyalisierung beziehen kann. Es sollte gerade in Zeiten der Verschmelzung von Mediengattungen und deren Nutzung keine Markenkampagnen mehr geben, die nur auf Bekanntheit oder Emotionalisierung oder Kundenbindung abzielen, sondern Menschen auf allen drei Zielebenen ganzheitlich abholen.

Auf diese Weise konfigurieren Markenverantwortliche strategische Merkmalsbündel für die Marke, die eindimensionalen Zielausrichtungen sowie bloßen Kanalfixierungen vorbeugen (machen wir jetzt eine Printkampagne oder doch besser was Virales auf YouTube?). Dadurch ergeben sich im Entscheidungsbereich der Influencer auch prinzipiell keine Entweder-oder-Situationen, sondern jeder der vier Einflusstypen unterstützt die Marke und hilft dabei, ihre Bedeutungshoheit kognitiv, emotional und konativ zu vermitteln und zu stärken. So kann eine Markenthematik durch die Celebrity bekannt und populär gemacht werden, während vom Creator (Social-Media-Influencer) zusätzliche Spannung durch besonderen Content verliehen wird, der den Colleague mit direkten Interaktionsangeboten einbindet, denen der Customer durch persönlichen Erfahrungsaustausch weitere Credibility verleiht.

Die klassische „One-Man-Show“, wie Gottschalk für Haribo, ist künftig durch einen schlagkräftigen „Chor“ zu ersetzen, der vielstimmig die Markenthematik in seiner ganzen Bedeutungshaltigkeit kommuniziert. Besonders Erfolg versprechend würden die vier verschiedenen Einflusstypen zusammenwirken, wenn jeder Einzelne spezifische stereotype Bedeutungen an die Zielgruppe vermittelt, die Facetten der angestrebten Markenbedeutung repräsentieren (dazu dient auch Abbildung 1).

So lässt sich die Übertragung markenprägender Bedeutungsinhalte potenzieren, wenn zum Beispiel George Clooney (Celebrity) der Marke Nespresso mit Stereotypen des Gentlemans und Mann-von-Welt-Prestige und edlen Charme verleiht, wozu ein Markenenthusiast (Creator) passenden Content für mehr Lifestyle-Glanz im Leben der Zielgruppe kreiert, den auf Opinion-Leader-Ebene (Customer) exklusive Happenings in Lions Clubs lebendig machen, was durch Auftritte von distinguierten Barristas (Rockstar-Colleague) auf ausgewählten Galas und Events ergänzt wird. Dieses Beispiel zeigt auch, wie die Entscheidungsbereiche Inszenierung und Touchpoint aufeinander einzahlen können, die Abbildung 4 (S. 33) im Überblick veranschaulicht.

Durch den gemeinsamen, abgestimmten Einsatz von vier Influencertypen verschafft ein Unternehmen seiner Marke nicht nur einen ganzheitlicheren und intensiveren Bedeutungstransfer, sondern sichert auch Synergiepotenziale durch den Mix aus paid, owned und earned media, da sich das Investment hinsichtlich der erreichbaren Kampagnenwirkung auf Colleague (owned), Celebrity (paid) sowie Creator und Customer (idealerweise: earned, oft aber paid) verteilt.

Werden zudem die Gestaltungsmöglichkeiten der zahlreichen Inszenierungsformate – von Appearances bei Events über klassische Testimonial-Werbung bis hin zu Branded Content und Limited Editions – optimal ausgereizt, erreicht die Marke ihre Zielgruppe sowohl auf der kognitiven und affektiven als auch konativen Ebene. Wir haben dazu den Gestaltungsspielraum für jedes Format in Abbildung 4 weiter als gewöhnlich definiert. Üblicherweise geht es beim Endorsement durch eine Celebrity bzw. Top-Influencer (Creator) um Information durch klassische Produktvorführung und/oder Emotionalisierung durch klassischen Imagetransfer. Dagegen kann eine intelligent geplante und kreativ umgesetzte Kampagne (durch Kopplung z. B. mit einer Edition) auf allen drei psychologischen Wirkungsebenen punkten, wie der große Erfolg von Bibi und Bilou für dm zeigt (auf das Simone Reichenberger und Mandy Sarnoch-Möller in ihren Beiträgen eingehen).

Ebenso stellt die herkömmliche Appearance einer Celebrity für eine Marke lediglich eine kostspielige Angelegenheit für ein Unternehmen dar. Lady Gaga nimmt in den USA über 100.000 Dollar für eine Appearance. Hierzulande sind Gagen im vier- bis fünfstelligen Bereich an der Tagesordnung. Clever inszeniert lohnt sich das Investment jedoch, wenn durch den Star gezielt prominente Blogger, YouTuber und Journalisten angelockt werden können, die wiederum Earned-Media-Content generieren.

Abb. 4: Umsetzungsmatrix für das Celebrity#Influencer-Marketing

Über reine Appearances hinaus gehen Product Placements. Eine besonders beliebte Spielart im Celebrity-Bereich ist das Product Seeding geworden, beflügelt durch die mehr oder weniger begründete Hoffnung, dass die „freiwillige“ Nutzung durch einen Weltstar zu einem authentischeren Imagetransfer bei großer Reichweite führt. So kann der Medienäquivalenzwert eines Mode-Outfits, das bei der Oscar-Verleihung getragen wird, über eine Million Dollar erreichen. Kein Wunder, dass der Wert der „Gifting Bags“ stetig zunimmt und zur Oscar-Verleihung 2017 bereits die Schallmauer von 180.000 Dollar durchbrochen wurde.

Alles in allem wollen wir festhalten: Wenn im Celebrity#Influencer-Marketing strategisch alle Potenziale bei den Markenzielen, Influencertypen und Inszenierungsformaten ausgeschöpft und kreativ optimal umgesetzt werden, lassen sich Marken klar im Wettbewerb differenzieren und nachhaltig mit wünschenswerten Bedeutungsinhalten aufladen. Bei allem Wandel, der vor allem die Art und Weise im Umgang von Unternehmen mit ihren Zielgruppen miteinander betrifft, bleibt eines unveränderlich:

Zwischen Mensch, Marke und Markenfürsprecher muss es passen. Marken müssen Partnerschaften anbieten, die gewünscht, gewollt, gepflegt und gelebt werden.

Die jüngere Werbewirkungsforschung belegt eindrucksvoll, dass die Gestaltungsqualität der Kommunikation einen hohen Erklärungsbeitrag zur Wiederkauf- und Weiterempfehlungsbereitschaft leistet.74 Mehr denn je gilt: Good Content rules. Weder sollten Werbebotschaften 1:1 in Blogs und Foren fortgeschrieben werden, noch bedeutet es irgendeinen Erfolg, Brand Communities zahlenmäßig in gigantische Dimensionen zu katapultieren. Im Ergebnis erzeugt eine Marke nur Belanglosigkeit und Langeweile, die in den sozialen Medien mit Ignoranz, Boykott oder Shitstorms bestraft wird. Selbst die größten Brand Fans zeigen zunehmend weniger Resonanz auf die Inhalte „ihrer“ Marken.75

Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist der nachhaltige Bedeutungsaufbau durch möglichst langfristig angelegte Kampagnen, die alle vier Influencertypen als Markenbotschafter einbeziehen, was allerdings in der Praxis durch den Trend zu taktischen Einsätzen konterkariert wird (worauf auch Alessando Panella und Mandy Sarnoch-Möller in ihren Beiträgen hinweisen). Statt Celebrities in mittelfristige Markenstrategien einzubinden, wie Halle Berry bei Deichmann, werden Prominente zunehmend für spontane, taktische Maßnahmen eingesetzt.76 Zum Wohl ihrer Marken sollten Unternehmen solche Kurzeinsätze vermeiden, die selten der Marke mehr Gesicht und Profil verleihen. Der durchschnittliche Etat von Promi-Kampagnen über alle Werbeträger hinweg wird auf 3,7 Millionen Euro geschätzt.77 In Deutschland bekannte Celebrities kosten für einen nationalen Werbeeinsatz bis zu einer Million Euro, über die Landesgrenze hinaus bekannte Stars bis zu 1,5 Millionen Euro und Weltstars im zweistelligen Millionenbereich. Es ist daher verantwortungsvoll zu entscheiden, ob ein langfristiges Investment lohnt, und insbesondere, wie ein Erfolg versprechendes Gesamtkonzept durch Einbindung von Celebrity, Creator, Colleague und Customer aussehen könnte.

Eine Binsenweisheit für die Marketingpraxis sei zum guten Schluss gestattet:

Der Gewinn für die Marke sollte immer in der Steigerung ihrer großartigen Bedeutungskraft für die Zielgruppe bestehen.

Reine Popularitätswerte dürfen daher nicht allein die unternehmerische Entscheidungsgrundlage für die Selektion einer bestimmten Celebrity bilden. Vermutlich dürfte aber genau dieser Aspekt zur Wahl von Brad Pitt geführt haben: Als „sexiest man alive“ wurde er 2012 zum ersten Mann auserkoren, der für die Markenikone Chanel No. 5 wirbt. Das Management von Chanel begründete seine Entscheidung mit dem Ziel, bewusst mit Traditionen brechen zu wollen: „To keep a legend fresh, you always have to change its point of view. It is the first time we’ve had a man speaking about a women’s fragrance.“78

Brad Pitt äußerte sich in dem voller Spannung erwarteten 30-sekündigen Werbespot über die Marke mit der folgenden epischen Botschaft: „It’s not a journey. Every journey ends, but we go on. The world turns and we turn with it. Plans disappear, dreams take over. But wherever I go, there you are. My luck, my fate, my fortune. Chanel No. 5. Inevitable.“ Dieser Auftritt, der Brad Pitt 7 Millionen Dollar Gage bescherte, wurde weltweit in den einschlägigen Glamour-Magazinen und Lifestyle-Foren angesichts der profanen bis sinnfreien Aussagekraft fassungslos quittiert, mitunter auch zynisch zerrissen (is this commercial really inevitable?).79 Ironischerweise sprach Brad Pitt in Interviews freimütig über seine mangelnde Körperhygiene.80


Abb. 5: Brad Pitt für Chanel No. 5

Für Chanel ein teures Experiment, nur um festzustellen, dass nicht bloß der Fit zwischen Marke und Celebrity passen muss. Vielmehr hat eine für die Zielgruppe sinnvolle Aufladung der Marke zu erfolgen, deren Umsetzung durch eine intelligente und kreative Inszenierung begeistert. Jedenfalls fühlen sich durch solche Fälle Kritiker bestätigt, die Celebrity-Werbung lediglich als bequemen Ausweg bei fehlender Kreativität einschätzen – nach dem Motto: Nehmen wir doch einen Promi, da kann nicht viel schiefgehen und wir müssen keine Idee haben.81 Mit dieser spannenden These beschäftigen sich daher auch Thomas Strerath, Stephan Rebbe und Alessandro Panella in ihren Beiträgen.

Die Macht der Meinungsführer: von Celebrities bis zu Influencern

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