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2. Influencer, Celebrities & Co. – ein systematischer Blick

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Als „Prominente“ bzw. „Celebrities“ können Persönlichkeiten gelten, die einer breiten Öffentlichkeit nicht nur bekannt sind, sondern sich zudem einer hohen Popularität erfreuen, was auf verschiedenen Faktoren wie Lebensleistung, Expertise, Reputation, Aura, Status, Herkunft, Ruhm oder Charakter beruhen kann.5 Celebrities im klassischen Sinne sind Berühmtheiten wie Schauspieler, Sportler, Musiker oder Modeikonen, aber auch bekannte Politiker, Wissenschaftler und Unternehmergrößen. So hat Mike Krüger für Hagebau als Hobbybastler renoviert, Cristiano Ronaldo zeigt sich seinen 320 Millionen Followern in Jubelpose für Nike, Gorbatschow bereiste für Louis Vuitton die Welt, Unternehmer Claus Hipp preist die von ihm hergestellte Babykost, und Thomas Gottschalk hat für Haribo alle Langzeitrekorde als Markenbotschafter gebrochen.

Auch fiktionale Charaktere können als Celebrities aufgefasst werden, wenn beispielsweise ein Schauspieler, der als James Bond berühmt geworden ist, diesen auch in einer Werbung verkörpert. Im weitesten Sinne können selbst abstrakte Figuren, die mediale Beliebtheit erlangt haben, werblich eingesetzt werden, wie etwa Meister Yoda, Sponge Bob oder Homer Simpson. Hinzu kommen prominente Markenikonen, die extra für kommerzielle Zwecke geschaffen worden sind, wie Ronald McDonald oder Meister Proper.6 Im Folgenden soll es aber ausschließlich um reale Personen gehen.

Der Begriff „Influencer“ (to influence: beeinflussen) bezeichnet Personen mit starker Präsenz in den sozialen Medien, die neben einer mittleren bis hohen Reichweite in aller Regel auch über große Wertschätzung in ihrer Community bzw. bei den eigenen Followern verfügen, so dass daraus ein hohes Einflusspotenzial für die Bewerbung und Vermarktung von Marken und deren Produkten resultiert.7 Im Werbekontext hat sich für Celebrities und Influencer als Oberbegriff „Testimonial“ (to testify: bezeugen, empfehlen) eingebürgert, der sich auf bekannte wie unbekannte Personen bezieht, die in klassischen wie digitalen Werbeformaten auftreten, um ein Produkt oder eine Dienstleistung vorzuführen, zu testen und zu empfehlen, wodurch die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von Werbebotschaft bzw. Markenversprechen erhöht werden soll.8

Dieser Zuordnung wird aus Gründen der Konvention in diesem Buch gefolgt. Allerdings soll zumindest an dieser Stelle herausgearbeitet werden, dass eine andere Gliederung und Bezeichnung sinnvoller wäre. Trotz seiner häufigen Verwendung ist „Testimonial“ kein geeigneter Oberbegriff, da er in Zeiten klassischer Werbung eingeführt worden ist und auf die Beeinflussungsart der konkreten Fürsprache für ein (Marken-)Produkt beschränkt bleibt, das offiziell und direkt empfohlen wird. In dieser Fassung wird der Terminus weder indirekten, subtilen Formen der Beeinflussung wie Branded-Content-Formaten im Social-Media-Bereich gerecht, noch kann er Gültigkeit für komplexe Engagements beanspruchen, wie es längerfristige, medienübergreifende Aktivitäten von Markenbotschaftern darstellen.

Als Oberbegriff wäre „Influencer“ sinnvoll, weil er auf jegliche Form der Einflussnahme abhebt, die Personen im werblich-persuasiven Kontext ausüben, unabhängig davon, ob die werbende Person berühmt ist (Celebrity) oder aber ein wenig bekannter Kunde oder Mitarbeiter, und ebenso unabhängig davon, ob es sich um eine offizielle Empfehlung handelt (Testimonial) oder um eine Brand Appearance bei einem Gala-Empfang oder einen freundschaftlichen Rat. Testimonials, die sich werblich für die Qualität, Nützlichkeit oder Preiswürdigkeit eines Produkts aussprechen, stellen demnach einen Subtyp des Influencers dar. Als Ersatzbezeichnung für (Social-Media-)Influencer hat es Sinn, den in jüngster Zeit immer häufiger verwendeten Begriff „(Content-)Creator“ aufzuwerten, der mit der Erstellung von persönlichen Inhalten und deren Verbreitung über Online-Kanäle viel stärker auf das Wesen der (Social-Media-)Influencer abhebt.9

Eine Systematik, die „Influencer“ als übergeordnete Klammer begreift, kann verschiedene Beeinflussungstypen integrieren, die über das klassische Werbe-Testimonial hinausgehen, wie etwa der Experten-Blog eines Mitarbeiters oder der selbst produzierte Trailer eines Creators, der sich als Markenenthusiast outet. An die Stelle der klassischen Testimonials, die als Star, Experte oder Laie werben, treten vier Beeinflussungstypen: Celebrity, Creator, Customer und Colleague.10 Bei nahezu jedem dieser vier Typen können Stars, Experten und Laien auftreten. Durch weitere Binnendifferenzierung enthält die Systematik Merkmalskategorien, die für die Werbe- und Marketingpraxis relevant sind, wie Abbildung 1 zeigt.

Abb. 1: 4C-Systematik werblicher Beeinflussungstypen

Der Influencer-Typ der Celebrity zeichnet sich ganz besonders durch den erreichten Berühmtheitsgrad aus, der das Produkt aus hoher (Gesichts-)Bekanntheit und Beliebtheit bildet. Im Unterschied zu den anderen Typenbezeichnungen erlaubt der Begriff Celebrity eine Aussage zu der Art der Beziehung zwischen Prominenten und Gesellschaft: Angesehen, mitunter bewundert oder sogar verherrlicht, kann eine Celebrity durch Worte und Taten eine Vielzahl von Menschen beeinflussen. In der Systematik sind deshalb in der Celebrity-Spalte die wesentlichen Bereiche und Funktionen aufgeführt, in denen werblich auftretende Personen zu Berühmtheit gelangen. Der Berühmtheitsgrad kann aus unterschiedlichen Quellen stammen, aber er speist sich bei klassischen Celebrities üblicherweise aus den Bereichen Sport, Musik, Mode sowie Film & Fernsehen.

Zu den beliebtesten Celebrities zählen bei den Deutschen prominente Schauspieler, gefolgt von Musikern und schließlich Fußballern.11 International wird die Celebrity-Landschaft überwiegend von Musikern und Schauspielern dominiert, die durch Hochglanzveranstaltungen wie Grammy oder Oscar global gefeiert werden (wobei Jan Voss in seinem Beitrag besonders die Musikstars behandelt). Seit David Beckham und Cristiano Ronaldo auch neben dem Spielfeld als Weltstars auftreten, drängen immer mehr Fußballer als Marke ins Rampenlicht (wie Toan Nguyen in seinem Beitrag erläutert).

In der Systematik zeigen Celebrity-Subkategorien wie Model, Starlet, Reality Star und Show-Koch, dass Prominenz als Produkt aus Bekanntheit und Beliebtheit ein immer leichter zu erreichendes Gut geworden ist. So wird der Begriff „prominent“ inzwischen recht weit gedehnt. Oft haben TV-Moderatoren, Society-Darlings und Finalisten von Castingshows überschaubare Fan-Zahlen und eine geringe Bekanntheit in der breiten Bevölkerung vorzuweisen. Für einen Werbeauftritt kommen sie aus Sicht vieler Unternehmen dennoch in Frage, denn mitunter geht es nicht um eine strategische Aufwertung der Marke mit „Ruhm, Glanz und Glamour“, sondern um eine taktische Markenaktualisierung durch Nutzung des Momentums. Promis, die nur kurzzeitig im Rampenlicht stehen, sind kostengünstiger und deren Popularität muss meist nur wenig länger vorhalten als die Dauer der Werbekampagne. Dass deren Name und Promi-Hintergrund dann als Untertitel in der Werbung zusätzlich angegeben werden muss, stört Werbetreibende in diesen Fällen wenig.

Als Creator sollen hier die klassischen Influencer gelten, die in erster Linie durch Aktivitäten in Social Media bekannt geworden sind und eine mittlere bis hohe Reichweite in ihrer Fanbase erzielen. Kommt einem Creator sogar Experten- oder Vorbildstatus durch hohe Anerkennung und Wertschätzung bei vielen Followern zu, wird er auch als Key Influencer bezeichnet. In Deutschland haben die erfolgreichsten Creators Einfluss auf mehrere Millionen Follower. Als Creator sind u. a. Politiker, Sportler, Journalisten, Prominente und Schauspieler aktiv.

Wichtige Charakteristika sind der Content-Schwerpunkt, das Selbstverständnis des Creators und der Hero-Kanal. Je nach Leitmedium unterscheiden sich zum Beispiel Blogger (schriftlich) von Vloggern bzw. YouTubern (audiovisuell), was zwangsläufig das Format bei einer Markenkooperation bestimmt. Hinzu kommt die thematische Affinität zu einem bestimmten Genre wie Lifestyle, Mobilität oder Ernährung, für das ein Creator in erster Linie bekannt ist, weil sich daraus die Art des Contents ableitet, der im Falle einer Zusammenarbeit mit einem Markenunternehmen produziert wird. Denn nur relevanter Content erzeugt auch die nötige Resonanz bei der Community, um sich intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Ein Creator entfaltet mit seinem Content die größte Wirkungskraft für eine Marke, wenn Reichweite, Relevanz und Resonanz in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.12

Genauso entscheidend ist das Selbstverständnis des Creators, denn es macht einen großen Unterschied, ob ein Creator als „Reichweitenbringer“ auftritt oder als „Markenenthusiast“ begeistert für eine Marke aktiv wird (wie Mandy Sarnoch-Möller in ihrem Beitrag über Top-Influencer aufzeigt). Als reiner Multiplikator kann ein Creator Produkten zum schnellen Durchbruch verhelfen, als Enthusiast das Image eines Unternehmens und seiner Marke stärken. Ebenso wichtig für ein Unternehmen bei der Planung einer Markenkooperation ist die Klärung, ob ein Creator von seinem Rollenverständnis her eher als „Experte“ in einer Produktkategorie auftritt oder aber eher als „Kritiker“ fungiert.

Der Customer ist ein weiterer wichtiger Influencer-Typ, da Kunden oft andere Kunden beeinflussen. Zwar haben Customers nicht annähernd so eine große Reichweite wie Celebrities oder Creators, dafür wird ihnen von Konsumenten in aller Regel die größte Glaubwürdigkeit zugesprochen. Ihre Meinung wirkt gerade wegen ihrer Normalität näher am Kunden. Customer werden vor allem im Innovationsmanagement und für Word-Of-Mouth-Advertising eingesetzt. So können Customer als Co-Creator, Lead User oder Early Adopter wichtige Unterstützung bei der Entwicklung, Testung und Einführung von innovativen Markenprodukten leisten.

Auch in der werblichen Kommunikation sind Customers in vielfältiger Weise einsetzbar. Die klassische Form stellt der Testimonial-Einsatz als fiktiver oder realer Kunde dar, wie in den Werbespots von Fielmann oder wirkaufendeinauto.de. Weitergehende Möglichkeiten ergeben sich für eine Marke, wenn sich ein Customer als Nano-Influencer engagiert und andere Menschen aus seinem persönlichen Netzwerk „evangelisiert“ (wie Mark Leinemann in seinem Beitrag ausführt). Zudem sind Nano-Influencer meist von einer Marke überzeugt und begeistert, so dass es für den Wirkungserfolg von Celebrity-Werbung für die Marke bedeutsam ist, dass die Customer auch Fans der eingesetzten Celebrity sind (wie Daniel Althaus in seinem Beitrag belegt). Im schlimmsten Fall wenden sie sich als Hater der Celebrity von der Marke ab.

Dem Influencer-Typ des Colleague wurde von Unternehmen lange Zeit zu wenig Bedeutung beigemessen. Statt in den eigenen Reihen zu suchen, wurden Testimonials und Celebrities für teures Geld von außen angeheuert. Eine Ausnahme bilden Unternehmer, die als Gesicht ihrer Firma in PR und Werbung auftreten. Dabei können Mitarbeiter durch ihre Persönlichkeit, Expertenmeinung und Erfahrung die Meinungsbildung und Kaufentscheidung von Kunden wirkungsvoll beeinflussen.13 Ähnlich wie beim Customer zeichnet sich auch der Colleague durch eine geringe Reichweite aus, kann aber potenziell eine hohe Authentizität und Nähe erreichen, weshalb er auch als Peer Influencer bezeichnet wird.

Naheliegende Einsatzformate von Colleagues ergeben sich aus den Unternehmensfunktionen als Sprachrohr und Kontakter, also in Werbung, PR und Sales. So setzte die Commerzbank in ihrer Werbung lange Zeit auf Lena Kuske, eine Filialleiterin aus Hamburg, um ihre Werbebotschaften authentisch zu inszenieren. Nicht selten verfolgt das Unternehmen damit die Absicht, sich auf diese Weise als menschlich und nahbar zu präsentieren. In Zukunft sollten Mitarbeiter insbesondere in den Bereichen Rockstar, Weiser und Faces noch systematischer zu Markenbotschaftern aufgebaut werden, um gezielt starke Personenmarken, Autoritäten und gut vernetzte Persönlichkeiten im Unternehmen zu fördern (wie Kerstin Hoffmann in ihrem Beitrag fordert).

Die Kategorisierungen zeigen wesentliche Charakteristika für jeden Typus auf, die natürlich auf der Individualebene nicht trennscharf sind. So verschmilzt die „alte Welt“ der Celebrities mehr und mehr mit der „neuen Welt“ der Social-Media-Influencer – die Celebrity will Influencer werden und umgekehrt. Während es Influencern um mehr Sichtbarkeit über den Tellerrand von YouTube, Instagram & Co. hinaus geht, wollen Celebrities eigene Reichweiten aufbauen, um neben einem zweiten beruflichen Standbein höhere Gagen bei Werbekampagnen fordern zu können. Hinzu kommt, dass mit einer eigenen hohen Reichweite die Wahrscheinlichkeit steigt, als Schauspieler neue Rollen oder als Sportler bessere Gehälter zu erhalten. Denn Regisseure wie Vereinsmanager achten zunehmend darauf, in welchem Ausmaß der neue Star eine eigene vermarktungsrelevante Reichweite mitbringt, die zusätzlich den Kinobesuch oder die Trikotumsätze steigert.

Mit dieser Systematik werden vier verschiedene Typen, die das Markt- und Kommunikationsgeschehen gezielt beeinflussen können, transparent gemacht, um strategische Entscheidungen zu Art und Einsatz von Celebrities, Creators (Influencer), Customers und Colleagues zu unterstützen. Im Folgenden wollen wir aufzeigen, warum Celebrities bzw. Influencer als werbliche Fürsprecher von Marken überhaupt wirken und was es für den Wirkungserfolg zu beachten gilt.

Die Macht der Meinungsführer: von Celebrities bis zu Influencern

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