Читать книгу Die Macht der Meinungsführer: von Celebrities bis zu Influencern - Группа авторов - Страница 21
7. Was lernen wir von den neuen Meistern der „Pröffentlichkeit“?
ОглавлениеCelebrities sind die Hauptdarsteller von Paradigmen, die in einer Kultur zu einer bestimmten Zeit von Relevanz sind.
Das psychologische Profil, das Prominente, Stars, Celebrities auszeichnet, ändert sich mit der Zeit in Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Fragestellungen und Rahmenbedingungen: Die gottgleichen Stars und Diven der Nachkriegszeit wurden von Rebellen wie Jimi Hendrix und Che Guevara abgelöst, auf die Madonna und David Bowie als coole Ego-Inszenierer folgten, die wiederum ersetzt wurden von den heutigen Celebrities, die als „Normalo“-Promis das Versprechen vorleben, jeder kann mit festem Glauben, Fleiß und etwas Glück berühmt werden.
Eine vertiefende Analyse dieser psychologischen Profile offenbart die Hintergründe der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung: In der Bewunderung der Stars der Nachkriegszeit ließen sich die Grenzen des eigenen Könnens überwinden und die eigenen Idealvorstellungen zugleich erhalten. Die nachfolgenden Rebellen repräsentierten Wünsche, den vermeintlichen Übermächten des Establishments in Django-Manier individuell etwas entgegenzusetzen. In der Werbung stellten entsprechend Marlboro-Cowboy und Camel-Man die gesellschaftlich etablierten Regeln in Frage. Aus der individuellen Rebellion heraus entwickelte sich dann ein neuer Egokult der Superstars, dem Naomi Campbell und Claudia Schiffer in der Werbung Ausdruck verliehen. Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft fand in diesen Egostars ihre Vorbilder.
Mit den neuen Meistern der „Pröffentlichkeit“ hat sich das psychologische Profil etabliert, dass eigentlich „jeder ein Held oder Star“ werden kann.
In den Vordergrund rücken Protagonisten, die sich ganz normal wie du und ich geben, aber im nächsten Moment die große Glamourwelt repräsentieren können. Gute Beispiele sind Taylor Swift und Justin Bieber – als Persiflage spielt diese Rolle Friedrich Liechtenstein in der Werbung. Der Egokult bleibt einerseits bestehen, wird aber zugleich gebrochen, indem er demokratisiert wird und für alle gilt.
Das Profil der „Normalo“-Prominenten lässt sich vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen Entwicklung verstehen, die bei aller Sympathie für Individualität wieder mehr Gemeinschaftsgefühl einfordert.
Es führt zugleich dazu, dass die Anzahl der Menschen, die berühmt werden wollen, immer weiter ansteigt – insbesondere in jüngeren Altersgruppen. Ob auf YouTube, Instagram oder in Blogs – überall wird nach Followern gesucht und entwickeln sich neue Stars.
Celebrities sind die Protagonisten großer Zeitgeist-Paradigmen, denn sie repräsentieren die Wünsche ihrer Fans: Idealbildungen, Rebellionen, Kultentwicklungen oder auch Normalisierungen.
Dabei können ältere, jüngere und alternative Paradigmen durchaus eine Zeit lang nebeneinander existieren. Als Testimonials können sie auch Übergänge zwischen den Paradigmen mitgestalten: Symbolisch half Frau Sommer in der Jacobs-Krönung-Werbung mit ihrem Kaffee, eine sich immer mehr individualisierende Gemeinschaft zusammenzuhalten. Und Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer war ebenfalls für alle da – unabhängig von ihrem individuellen Hintergrund. Sie machten werbliche Angebote in einer Zeit, in der ein Teil der Gesellschaft für mehr Individualität rebellierte und der andere Teil sich weiter an den etablierten Idealen orientierte.
Eine besondere psychologische Funktion haben Celebrities im Zuge der Social-Media-Entwicklung entfaltet. Durch das Zusammenwachsen von privatem und öffentlichem Raum zur neuen „Pröffentlichkeit“ finden die Aktionen von Prominenten besondere Beachtung. Sie verbinden in ihrer Person nicht nur par excellence private und öffentliche Dimensionen, sondern werden zu eigenen Medien, deren Auswirkungen künftig noch stärker berücksichtigt werden müssen, insbesondere in der Mediaplanung.
Es ist davon auszugehen, dass diese neue „pröffentliche“ Funktionalität dazu führt, dass Celebrities künftig noch mehr gesellschaftliche Bedeutung entwickeln.