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2.5 Konsequenzen des Modells für unsere Weltwahrnehmung
ОглавлениеAufgrund der in das Modell eingeschriebenen Vorstellungen von „normal“ beeinflusst das Konzept des Wasserkreislaufs unsere Wahrnehmung und Darstellung von Wüsten, Trockengebieten und tropischen Regionen als deviant (= von der Norm abweichend). Mit dieser Wahrnehmung und Darstellung ist ein „Urteil“ verbunden, indem wir jene Regionen anders als „uns“ (und d.h. in der Regel als minderwertig) beurteilen, als „jeweils unfruchtbare, arme, unzivilisierte, gesetzlose und gewalttätige Orte (und Völker), die das Eingreifen hydrologischer Technik erfordern, um zivilisiert zu werden“ (ebenda, S. 640). Auf der Grundlage dieser Beurteilung rechtfertigen wir den Bau von Dämmen und Stauseen ebenso wie die hydraulische Manipulation von Bächen und Flüssen. Auch das Bohren von Brunnen hat sich zu einer nahezu reflexartigen Maßnahme jeglicher „Entwicklungshilfe“ entwickelt, ungeachtet der geologisch-ökologischen Bedingungen vor Ort und ungeachtet der etablierten kulturellen Praxis im Umgang mit dem natürlich vorhandenen Wasser.
Jamie Lintons Studie über Wasser zeigt an dem sehr konkreten Beispiel des Modells des globalen Wasserkreislaufs, wie sich Wissen in spezifischen sozialen und geographischen Kontexten herausbildet, sich daraus eine zeitlich und örtlich begrenzte „sinnstiftende Erzählung“ entwickelt, die dann von ihrem Entstehungskontext unabhängig wird und stabile Muster der sozialen Wahrnehmung und Beurteilung herausbildet. Die „Sinnstiftung“ der Erzählung liegt darin, dass sie eine leicht verständliche und fast praktische Anleitung für die Sinneswahrnehmung unseres Seins in dieser Welt ermöglicht, die sich zudem in andere Wissensbestände einfügt und so die Komplexität der Welt um uns herum weitgehend reduziert. Gleichzeitig lässt Jamie Lintons Analyse den Schluss zu, dass das Modell des Wasserkreislaufs zum einen dazu beigetragen hat, unseren Umgang mit Wasser in einer nicht-nachhaltigen Weise zu strukturieren und zum anderen, Vorurteile zu bestärken und soziale Ungleichheit zu manifestieren. Das Modell ist daher weder nachhaltig noch global gültig. Mir scheint es an der Zeit, dass wir nach angemesseneren Wegen für unsere Wahrnehmung von und unseren Umgang mit Wasser suchen.