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KATHARINA KEPLER

* 1547 in Eltingen

† 1622 in Leonberg

Als Hexe angeklagt

»Sie hab sich sovihl erweint, da sie jetztmahls nit mehr weinen könde.«

(Zeitgenössische Aussage zu Katharina Kepler)

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts begannen in Deutschland die Hexenverfolgungen. Gemäß dem »Hexenhammer« – einem 1486 veröffentlichten Lehrbuch zu allen Fragen der Hexenlehre – bestand der beste Beweis in einem Geständnis, denn »das allgemeine Recht verlangt, dass keine Hexe zum Tod verurteilt werden sollte, sie sei denn durch eigenes Geständnis überführt.« Alle Hexen waren angeblich mit dem Teufel im Bund und hatten mit ihm und anderen unheimlichen Kreaturen sexuelle Beziehungen. Sie konnten angeblich zaubern, sogar fliegen und nahmen am Hexensabbat teil. Hexen waren »… die bloßen Teufelshuren, die da Milch stelen, Wetter machen, auff Bock und Besen reytten, die ehlich Gliedmaßen bezaubern. Mit Hexen und Zauberinnen soll man kein Barmherzigkeit haben.«

Die Inquisitoren des 16. Jahrhunderts, die über Gotteslästerungen von Frauen schrieben, schilderten Orgien des Hexensabbats mit Kannibalismus an Neugeborenen, unersättlicher Fresslust, Trunkenheit und unzüchtigen Tänzen. In den Verdacht der Hexerei kam man schnell. Der Frauenanteil bei den der Hexerei Angeklagten lag etwa, je nach Region, bei 75 bis 90 Prozent Frauen, davon entfiel über die Hälfte auf Witwen.

Katharina Kepler, Mutter des Mathematikers und Astronomen Johannes Kepler (1571–1630), war zwar nicht verwitwet, sondern von ihrem Mann längst verlassen worden, als man sie der Hexerei anklagte. Sie wurde am 8. November 1547 als Tochter von Magdalene und Melchior Guldenmann in Eltingen geboren; ihr Vater war Gastwirt. Mit 24 Jahren wurde sie mit Heinrich Kepler, der aus einer angesehenen und wohlhabenden Familie stammte, verheiratet. Das junge Paar zog zu den Schwiegereltern nach Weil der Stadt, wo im Dezember 1571 ihr Sohn Johannes geboren wurde, gefolgt von den Söhnen Heinrich und Christoph. Die einzige Tochter Grete heiratete einen Pfarrer. Doch das Zusammenleben der beiden Generationen in einem Haus war sehr schwierig. Katharina brachte ihre ersten beiden Kinder zu den Eltern nach Eltingen und folgte ihrem Mann, der um 1574 als Soldat der spanischen Armee in den aufständischen Niederlanden kämpfte.

Ab 1575 lebte das Ehepaar Kepler in Leonberg. Katharinas Ehemann zeigte sich als unsteter Familienvater sowie als streitsüchtiger Gasthofpächter in Ellmendingen, der immer wieder das Soldatenleben dem ehrlichen Erwerbsleben vorzog. Nach fast zwanzigjähriger Ehe tauchte Heinrich Kepler endgültig unter. Schuld an der häuslichen Misere war aber nach Ansicht der Richter beim späteren Prozess nicht etwa der Ehemann, sondern die Ehefrau Katharina, denn bei einem »ordentlichen, ehrlichen Weib« würde ein Mann gerne bleiben. Der verlassenen Ehefrau gelang es, die schlechte Finanzlage in den Griff zu bekommen und den Kindern eine ordentliche Ausbildung zu ermöglichen und ihrem Sohn Johannes sogar den Besuch der Lateinschule in Leonberg zu finanzieren, damit er Pfarrer werden könne.

Als es 1614 zwischen Katharinas Sohn Christoph und Ursula Reinbold, der Frau des Glasers Jakob Reinbold, in einer geschäftlichen Angelegenheit zu Streit kam, stellte sich die Mutter auf die Seite des Sohnes. Ursula Reinbold behauptete daraufhin, dass die Keplerin ihr einen Trank angeboten habe, der ihr ständigen Kopfschmerz verursache und ihr außerdem ein Unterleibsleiden angehext habe. Es traf Katharina schwer, als ihr Sohn Heinrich, den sie mit seiner Familie bei sich aufgenommen hatte, herumerzählte, sie lasse ihn verhungern. Noch schlimmer war allerdings, dass er laut vernehmlich schrie: »Soll’s der Teufel fressen, das Fleisch, soll’s der Teufel fressen, das stinkige Hexenfleisch, auf dem sie mit ihm geritten ist.« Er klagte somit seine Mutter an, dass sie »khein rechte fraw«, sondern eine Hexe wäre. Von da an erreichten die Anschuldigungen gegen die der Hexerei verdächtigte Frau einen unglaublichen Umfang.

So wurde im Oktober 1616 ein Haftbefehl ausgestellt und der Vogt angewiesen, gegen Katharina Kepler den Hexenprozess zu eröffnen. Es folgten Zeugenvernehmungen, Eingaben und Bittschriften an den Herzog von Württemberg, dem im Januar 1620 das Protokoll der Zeugenvernehmungen von Leonberg zugestellt wurde. Da man Angst hatte, dass Katharina zu ihrem Sohn Johannes nach Linz fliehen würde, wurde sie am 7. August 1620 frühmorgens bei ihrer Tochter Margarete im Pfarrhaus von Heumaden verhaftet.

Bei den Verhandlungen, in denen 14 Belastungszeugen aufgeboten wurden, stand Katharina Rede und Antwort. Doch es war offensichtlich, dass die Ankläger die vorgebrachten Beschuldigungen so erhärten wollten, dass die Folter angewendet werden konnte. Beim Foltern mussten Fragen nach dem Teufel beantwortet werden, wie er aussah, was für Versprechungen er mache, wie der Geschlechtsverkehr mit ihm verliefe und welche Macht seine Zauberformeln und Höllentränke hätten. Das Foltern von Frauen kannte verschiedene Stufen der Tortur. Sie wurden entkleidet, bekamen die Haare abgeschnitten beziehungsweise am ganzen Körper abgesengt, »damit kein Zaubermittel« verborgen bleibe. Die Prozedur wurde vom Henker vorgenommen. Die Demütigungen gingen weiter mit der Daumenschraube, gefolgt von der Zersplitterung der Knochen des Schienbeins. Eine andere Möglichkeit des Erpressens von Geständnissen war die »Wasserprobe«. Der vermeintlichen Hexe wurden die Hände an ihre Beine gebunden, woraufhin man sie in einen Fluss warf. Wenn sie ertrank, war sie unschuldig, wenn sie obenauf schwamm, stand sie mit dem Teufel im Bund. Die Frau wurde herausgefischt und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Eine genaue Zahl der geschundenen Opfer gibt es nicht.

Längst hatte sich Katharina Keplers Sohn Johannes in den Prozess eingeschaltet und auf einem Rechtsgutachten der juristischen Fakultät in Tübingen bestanden. Man hielt seine Mutter zwar auch dort für eine Hexe, wollte sie aber aufgrund der unzureichenden Indizien nicht zum Tod verurteilen lassen. Man entschloss sich, der 74-jährigen Frau ein fingiertes Folterurteil vorzulesen und sie in die Folterkammer zu führen. Wenn sie beim Anblick der schrecklichen Instrumente immer noch nicht geständig wäre, solle ihre Unschuld angenommen werden. Katharina Kepler blieb standhaft. Sie wollte eher sterben als die Unwahrheit sagen. Und so gelang es tatsächlich, die Mutter eines berühmten Mannes nach knapp eineinhalbjährigem Gefängnisaufenthalt freizubekommen.

Nur noch ein halbes Jahr war ihr in Freiheit zu leben vergönnt. Sie starb am 13. April 1622. Die schlimmen Haftbedingungen, angekettet in einem feuchten Raum des Güglinger Stadttors und von zwei Wärtern bewacht, hatten sicher das Ihrige dazu beigetragen.

Martha Schad

Starke Frauen, die inspirieren und die Welt bewegen

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