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CHRISTINE DE PISAN

* 1364 in Venedig

† nach 1429 in Poissy

Erste Frauenrechtlerin

»Ich besaß plötzlich ein starkes tapferes Herz, und wunderte mich darüber; dies zeigt mir jedoch, dass ich wahrhaftig ein Mann geworden war.«

(Christine de Pisan)

Die fruchtbarste und erfolgreichste Schriftstellerin an einem Hof war Christine de Pisan, die mit ihren Werken ihren Lebensunterhalt zu bestreiten hatte. Anfänglich war ihre Berühmtheit stärker dem Umstand zu verdanken, dass sie eine Frau war, als der Originalität ihrer Dichtung. Doch es dauerte nicht lange, bis Zeitgenossen ihr Talent anerkannten.

Zum Schreiben kam sie aus einer schwierigen materiellen Situation heraus: »Mein Äußeres und meine Kleidung verrieten kaum etwas von den Sorgen, die mich bedrückten; unter meinem pelzgefütterten Mantel und dem abgeschabten scharlachfarbenen Überwurf spürte ich jedoch nur allzu oft Angst und zitterte sehr, und in meinem prächtigen wohl geordneten Bett verbrachte ich viele schlaflose Nächte. Schmalhans war Küchenmeister: So gehörte es sich eben für eine schwache Witwe. Gott allein weiß, was ich auszustehen hatte, wenn bei mir Zwangsvollstreckungen ausgeführt wurden und die Schergen der Justiz mir mein jämmerliches Hab und Gut davontrugen … Oh Gott, wie viele Belästigungen und widerliche Blicke, wie viel Spott aus dem Munde angetrunkener Männer, die selbst im Überfluss lebten, musste ich mir gefallen lassen.« Diese Zeilen sind ein beredtes Zeugnis der Lebenssituation einer früh verwitweten Frau und stammen aus dem stark autobiographischen Roman »Avision Christine«, den Christine de Pisan um 1410 verfasst hatte.

Christine, in Venedig geboren, kam mit ihren Eltern als Vierjährige nach Paris, wohin ihr Vater, der Astrologe Tommaso di Pizzano, von Karl V. als Astrologe und Leibarzt berufen worden war. Das Mädchen erhielt Unterricht in Französisch, Latein, Arithmetik und Geometrie. Mit 15 Jahren wurde sie mit dem zehn Jahre älteren Notar Etienne Castel verheiratet und lebte als Hofdame bis zum plötzlichen Tod ihres Mannes im Jahr 1390, als sie 26 Jahre alt war. Nun hatte sie für ihre drei Kinder, zwei unmündige Brüder und ihre Mutter zu sorgen. Die Witwe versuchte mit Hilfe früherer Freunde ihres Mannes, die ihrem Mann geschuldeten Beträge einzutreiben, sogar auf gerichtlichem Wege. Doch mit Argumentieren und Bitten erreichte sie wenig und suchte schließlich eine Möglichkeit, selbst Geld zu verdienen.

Der Graf von Salisbury in England nahm 1397 ihren Sohn in sein Gefolge auf. Ihre Tochter erhielt Zugang zum Kloster Poissy, das Aristokratinnen vorbehalten war. Dort verbrachte auch Christine ihren Lebensabend.

Das für ihre Kinder verfasste Erziehungsbuch, das »Buch der Klugheit«, verkaufte sie dem Herzog von Burgund, Philipp dem Kühnen. Bei einem Dichterwettbewerb fanden ihre Balladen 1390 großen Anklang. Von 1399 bis 1405 schrieb sie nach eigener Aussage fünfzehn Bände und ließ ihre Bücher von der Handschriftenmalerin Anastasia mit schönen Miniaturen verzieren. Der Herzog von Berry, der große Ästhet, zählte ebenso zu ihren Kunden wie Herzog Johann von Burgund, der 1406 Christines Geschichtswerk »Buch der Taten und guten Sitten Karls V.« erwarb.

Die Schriftstellerin beschäftigte sich mit aktuellen politischen Themen, wie etwa in ihrem »Buch über den Frieden«. Sie kämpfte als erste Frau im Mittelalter für die Rechte der Frauen. In ihrem Werk »Die Stadt der Frauen« forderte sie keine Neuordnung der sozialen Rollen, sondern die Verteidigung der Frauen gegen die verbalen und sexuellen Angriffe der überheblichen Männer.

Eine Stadt, die erbaut werden sollte, war als allegorischer Zufluchtsort ausschließlich für die »glücklichen Bürgerinnen im Königreich Fémenie« gedacht. Das Baumaterial sollte die im Buch geschilderten rühmenswerten Taten und Werke kluger und gelehrter Frauen vergangener Zeiten sein. Das Buch von der Stadt der Frauen besteht darauf, dass die Frauen nicht an sich den Männern unterlegen sind, sondern dass ihre schlechtere Erziehung und Bildung den Anschein der Ungleichheit erweckt hätten. Pisan erklärte: »Wenn es der Brauch wäre, die kleinen Mädchen eine Schule besuchen und sie im Anschluss daran, genau wie die Söhne, die Wissenschaften erlernen zu lassen, dann würden sie genauso gut lernen und die letzten Feinheiten aller Künste und Wissenschaften ebenso mühelos begreifen wie jene … denn so sehr der Körper der Frauen weicher ist als der des Mannes, so sehr ist ihr Verstand dort, wo sie ihn gebrauchen, beweglicher und schärfer.«

Pisan behauptete, dass die Ehe für Frauen schwerer zu ertragen sei als für Männer, »weil die Männer ihre Frauen beherrschen und nicht die Frauen über ihre Männer herrschen.« Sie klagte, dass die Männer ihre Ehefrauen grausam behandelten: »Wie viele grausame und völlig unverdiente Schläge, wie viele Beschimpfungen, Gemeinheiten, Erniedrigungen und Schmähungen erdulden zahlreiche gutherzige und rechtschaffene Frauen, ohne dass sich eine beklage! Und all die Frauen, die vor Hunger und Armut, umgeben von einer großen Schar Kinder sterben, während sich ihre Männer in zweifelhaften Lokalen herumtreiben … kommen diese Männer nach Hause, werden ihre Frauen noch geschlagen, und das ist ihr einziges Abendessen.« Pisan wagte auch zu sagen, dass den Frauen »eine Vergewaltigung wirklich nicht das geringste Vergnügen« bereite, dass es jedoch im Interesse der Männer liege.

Christine de Pisan griff heftig den von Jean de Meung um 1275 verfassten zweiten Teil des »Rosenromans« an. Den ersten Teil des »Rosenromans« schrieb Guillaume de Lorris noch ganz im Geist der höfischen Liebe. Er verglich die Geliebte mit einer Rose in einem verschlossenen Garten. Bei de Meung dagegen propagierte die Allegorie der Vernunft ein sehr negatives Frauenbild. Pisan zerpflückte regelrecht die Jahrtausende alte Lehre von der geistigen und moralischen Minderwertigkeit der Frau. Ihre 649 Verse umfassende Erzählung »Le dit de la rose« (1401) ist der Höhepunkt ihrer Polemik gegen Jean de Meung.

Einige ihrer Schriften wurden Ende des 15. Jahrhunderts in England gedruckt. Es ist anzunehmen, dass König Heinrich VII. von England ihr »Buch der Waffen und Reitkunst« beim Drucker William Caxton in Auftrag gab. Andere wurden im frühen 16. Jahrhundert in Frankreich gedruckt. Das »Buch der drei Tugenden«, worin die den Frauen verschiedener Stände gemäßen Verhaltensweisen und Tätigkeiten dargestellt sind, erschien bis 1536 in drei Auflagen. Christine de Pisan beschäftigte Schreiber, überwachte deren Arbeit und schrieb vermutlich einen Teil der etwa 55 Manuskripte selbst.

Ermutigt durch die Unterstützung der Königin von Frankreich, Isabella von Bayern, gründete sie den »Court amoureuse«, ein mit eigenen Statuten ausgestattetes Minnegericht. Isabella ehrte sie mit dem traditionellen königlichen Geschenk von Krug und Becher für die Übergabe ihrer gesammelten Schriften.

Christine de Pisan erklärte, dass die Unterdrückung der Frauen einst enden werde, wie »viele andere Dinge, die zunächst eine lange Zeit geduldet, dann jedoch aufs schärfste bekämpft und zurückgedrängt wurden.«

Martha Schad

Starke Frauen, die inspirieren und die Welt bewegen

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