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1.3 Fremde Völker aus fremder Hand beschrieben

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Die Situation in ARM 26 371 ist deswegen interessant, weil dieser Text nicht nur über Zustände in der Fremde berichtet, sondern weil der Brief selber aus der Fremde geschrieben ist. Nach dem Fall Ekallatums hatte Išme-Dagan, der König Ekallatums, in Babylon bei Hammu-rapi Asyl gefunden (oder war, je nach Betrachtungsweise, in Kriegsgefangenschaft). Weder Marduk noch seine Priesterschaft hatten vergessen, dass Išme-Dagan, als er noch König Ekallatums war, geplant hatte, den Tempelschatz Marduks an die Elamiter auszuliefern. Es ist in dieser Lage, dass ein āpilum-Prophet des Marduk zwei öffentliche Auftritte hat, einen vor dem Palasttor und einen vor der Tür von Išme-Dagans Residenz:

Zeilen 9-17 »Ein Prophet Marduks stand am Palasttor und verkündigte ständig: ›Išme-Dagan wird der Hand Marduks nicht entkommen. Sie bindet eine Garbe und er wird darin gefangen sein.‹ Dies hat er am Palasttor verkündigt. [Niema]nd sagte etwas zu ihm.

Zeilen 18-33 Genau wie vorher stand er auch am Tor von Išme-Dagans (Residenz) und verkündigte ständig inmitten der Menge: ›Du bist zum König von Elam gegangen, um gute Beziehungen zu knüpfen. Aber sobald es Frieden gab, hast Du den Schatz Marduks und Babylons [a]n den König von Elam ausgeliefert. Du hast meine [Ma]gazine geleert. Und jetzt willst Du nach Ekallatum gehen? [W]er meinen Schatz [ze]rstreut, darf m[ich] nicht um noch mehr bitten.‹ [Wie vorh]er, sagte [niemand] etwas, während er dieses inmitten der Me[nge verkünd]igte.«

Yarim-Addu, ein Abgesandter Zimri-Lims in Babylon, war zu Ohren gekommen, dass Gerüchte im Umlauf waren, dass Išme-Dagan wieder in seine Heimat zurückgekehrt war. Die beiden prophetischen Orakel zitiert er nun deswegen, weil sie seinen König beruhigen sollen: Išme-Dagan ist noch immer in Babylon und wird es wohl auch bleiben. Die Darstellung von Propheten in Aktion erscheint dabei spannend: Yarim-Addu sagt zwar zweimal, dass der Prophet in aller Öffentlichkeit agiert, aber der Darstellung nach ist das nicht ungewöhnlich; ein guter Hinweis darauf ist, dass auch in altbabylonischer Zeit Propheten nicht nur im stillen Kämmerlein auftraten, sondern in aller Öffentlichkeit agieren konnten.23 Marduk, bzw. seine Priesterschaft, wollten wohl sichergehen, dass der politische Preis, Išme-Dagan gehen zu lassen, zu hoch wäre. Yarim-Addu kommt das gelegen, und er berichtet es zur Beruhigung seines Königs an diesen. Marduks Prophet stellt den Aufenthalt Išme-Dagans in Babylon als Strafe für dessen pietätlosen Umgang mit dem Schatz Babylons dar. So wie im Alten Testament Amos die transjordanischen Völker mit einer in sich gespiegelten Spiegelstrafe bestrafen24 kann, bestraft Marduk Išme-Dagans Freizügigkeit und Pietätlosigkeit mit permanentem Aufenthalt in seiner Heiligen Stadt: eine Art in sich verdrehter Spiegelstrafe.

Diesen ersten Teil zusammenfassend lässt sich zweierlei feststellen: in den Briefen, die ursprünglich aus Aleppo kamen (FM 7 38 und 39), geht es vor allem darum, dass Mari in die theopolitische Sphäre Yamads einbezogen wird. Die Spende oder Rückgabe des Guts ist dabei aus religionsgeschichtlicher Perspektive quasi nebensächlich, auch wenn es für die Priesterschaft und den Tempel Adads von Kallassu einen hohen praktischen Stellenwert gehabt haben mag.

In vielen Briefen aus Mari und der mariotischen Provinz wird deutlich, dass andere Völker, wenn überhaupt dann als eine potenzielle Bedrohung wahrgenommen werden, die die Götter, allen voran Dagan, beseitigen würden. Außer in der Botschaft Marduks aus Babylon (ARM 26 371) wird dabei kein Vergehen des anderen Volkes vorausgesetzt. Aus der Sicht Maris ist Ešnunna zwar nicht zu trauen, aber es ist kein Kriegsverbrecher. Babylon selber war wohl zur Zeit von ARM 26 209 aus der Perspektive Maris schon zum Kriegsverbrecher geworden, da vieles darauf hinweist, dass dieses Orakel aus der Zeit zwischen der ersten und der endgültigen Niederlage Maris stammt, aber der Text nimmt nicht explizit Bezug darauf. Höchstens die Verwendung des Netzes, das traditionell als Waffe gegen Vertragsbrecher verwendet wird, mag ein Hinweis darauf sein. Da das Netz aber sehr breit belegt ist, ist dies nicht mit Sicherheit zu sagen.

Nur in ARM 26 371 finden wir das fremde Volk, oder zumindest dessen König Išme-Dagan als Kriegsverbrecher dargestellt. Die mariotische Sicht auf Ešnunna ist deswegen bemerkenswert, weil sie eben nicht in Carly Crouchs Erklärungsmuster25 passt, es sei denn der potentielle zukünftige Vertrauensbruch stellt das Vergehen Ešnunnas dar – ein wenig wie Donald Rumsfelds Beweggründe für die Doktrin der »preemptive defence«. Dies erscheint mir allerdings als wenig wahrscheinlich.

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