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3. Zusammenfassung
ОглавлениеSowohl in den altbabylonischen als auch in den neuassyrischen Sprüchen kommen fremde Völker vor allem deshalb vor, weil die Götter den jeweiligen Königen ihre Unterstützung zusagen. Häufig, aber nicht immer, geschieht dies im Zusammenhang mit dynastischen Versprechen, oder aber einer Forderung um Anerkennung des Königs durch eine Gottheit, die den König quasi als Amme aufgezogen hat.
Dabei werden zwei verschiedene Mythologeme verwendet. Einerseits ist da das Bild der mütterlichen Gottheit, ein Bild das in der neuassyrischen Prophetie auf Mullissu beschränkt ist, aber im Altbabylonischen durchaus auch auf männliche Gottheiten angewendet wird.
Andererseits ist bei dynastischen Versprechen häufig ein Verweis auf die Macht der Gottheit dabei. Häufig mit einem Verweis auf Machtbeweise in der Vergangenheit, entweder in der geschichtlichen Wirklichkeit (z. B. ARM 26 196, Zeilen 6’–9’) oder in der mythischen Vergangenheit zur Zeit des Kampfes gegen Tiamat, egal ob das ein Schöpfungskampf wie im Enūma eliš oder aber ein späterer Kampf gegen Tiamat war (FM 7 38, Zeilen 1’–6’). Der Geschichtsverweis ist hier nicht der theologisch verständlich motivierte, aber praktisch absolut nutzlose deuteronomische Prophetenbeweis (Dtn 13 und 18), sondern der Gottesbeweis: Du kannst mir vertrauen, weil ich bereits in der Vergangenheit so gehandelt habe. Diese Art von Gottesbeweis sagt eben nicht aus, dass der Gegner automatisch gleichsam mythologisch-starke Vergehen begangen hat, wenn dies überhaupt der Fall ist. Meist geht es einfach nur darum zu sagen, dass die Gottheit den König und seine Dynastie unterstützen wird. Dabei geht es meist um den Kampf gegen die Anderen, nicht darum, die eigentlich globale Macht der Gottheit zu zeigen. Die Formeln »Thron um Thron«, »Land um Land«, »das Land vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang« und Ähnliches können dabei sowohl als universal als auch einfach als »sehr stark« verstanden werden.
Nur in dem Orakel ARM 26 209 gegen Babylon und seinen König und in ARM 26 371 gegen Išme-Dagan ist eine frühere Schuld entweder implizit (ARM 26 209) oder explizit (ARM 26 371) genannt, und die Strafe dafür, Kriegsgefangenschaft oder die typische Vertragsbruchstrafe, im Netz gefangen zu werden, folgen zumindest in der prophetisch-textlichen Wirklichkeit auf dem Fuße.
Wir haben zwei Beispiele gesehen, die hiervon abweichen: einmal die innenpolitische Einmischung zweier Formen Adads aus dem aleppinischen Yamad in die Geschäfte Maris, die sowohl die realpolitische Situation widerspiegeln als auch den theologischen Anspruch Adads untermauern, über die Grenzen Yamads hinaus von großer Wichtigkeit zu sein. Überraschend fällt Maris alte Hauptgottheit Itur-Mer vor allem durch die spärlichen Belege im prophetischen Korpus auf.
Das zweite Beispiel ist Ištars Fürsorge für die Götter Babylons. Diese Fürsorge ist allerdings vor allem Sorge um das neuassyrische Königshaus. Sanheribs Tod im Krieg wurde als göttliche Strafe für die Zerstörung Babylons verstanden. Was auf den ersten Blick so aussieht, als ob sich eine neuassyrische Göttin um babylonische Götter kümmert, kann also auch – und besser – mit innenpolitischen und theologischen Motivationen erklärt werden. Man könnte außerdem die Frage stellen, ob die babylonischen Götter überhaupt als ›fremd‹ verstanden werden sollten, wo sie doch zum neuassyrischen Reich gehörten. Meiner Meinung nach ist das politisch zwar gegeben – auch wenn Babylon weiterhin einen eigenen König hatte, der dem neuassyrischen König untergeordnet war. Allerdings blieb Babylon kulturell wie religiös eine vom assyrischen Norden klar trennbare Größe.
Auch wenn jeweils nur ein oder zwei Orakel in jedem der Korpora in die verschiedenen Kategorien passen, so lassen sich doch zwei Arten von Fremdvölkerorakeln in altorientalischen Texten finden: solche, in denen eine Stadt stellvertretend für das fremde Volk steht und dann solche, in denen eine einzelne Person – entweder der König oder eine Gottheit – das fremde Volk repräsentiert.