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3. Ein Fallbeispiel: Damaskus in Jes 17, Jer 49 und Am 1 3.1 Damaskus in Jes 8; 17

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Für diesen Vergleich soll nun Damaskus in den Fremdvölkerorakeln des Alten Testaments in den Blick genommen werden, zunächst im Jesajabuch. An erster Stelle steht hier freilich ein Beleg, der sich nicht im Korpus von Jes 13–23 befindet: die Zeichenhandlung mit dem Kind »Raubebald-Eilebeute« aus 8,1–4. In seinem Aufbau ist dieser Abschnitt aus der sogenannten »Denkschrift« dem neuassyrischen Orakel von SAA 9 7 nicht unähnlich: Eine zunächst (und im Fall der akkadischen Tafel bis heute) rätselhafte Äußerung der Gottheit wird in heilvollem Sinne gedeutet: Hier »allalatti enguratti« – dort »mher šalal aš bz«, hier auf den erfolgreichen Ausgang einer Kampagne, nämlich Assurbanipals Ägyptenzug, dort auf die Befreiung von einer militärischen Bedrohung, nämlich der durch Samaria und Damaskus.27

Dieser Zeichenhandlung von Jes 8 korrespondiert in seinem Kern das direkte Wort über Damaskus in Jes 17,1–3*: Wildberger hat hiervon in seinem Kommentar die Verse 1b.3 plausibel als Grundbestand herausgearbeitet und versteht die eineinhalb Verse ebenfalls vor dem Hintergrund der Situation des Syrisch-Ephraimitischen Krieges:28

1. »Siehe, Damaskus hört auf, eine Stadt zu sein, und es wird sein [ein Haufen,]29 ein Trümmerhaufen.

3. Und es wird aufhören die Befestigung von Ephraim und die Königsherrschaft von Damaskus, (und der Rest Arams wird sein wie die Herrlichkeit der Israeliten)30. Spruch JHWH Zebaots.«

V. 4 – angeschlossen mit der typischen Ergänzungsformel »und an jenem Tag« erklärt im Anschluss, wie es sich mit der »Herrlichkeit der Israeliten« von 3b verhält: Die Herrlichkeit Jakobs wird gering werden. V. 5 und 6 wechseln sodann in metaphorische Sprache und gebrauchen das Bild der Getreideernte. Zweimal wird erntend gegen »Jakob« vorgegangen – nachhaltig und gründlich: Die »Nachlese« von V. 5 zielt darauf ab, dass es einen nennenswerten Rest eigentlich nicht geben wird. Genau einen solchen erwähnt nun freilich V. 6 der, die Erntemetaphorik beibehaltend, das Bild von der »Nachlese« (hier nun ) auf die Olivenernte überträgt. Das Tertium Comparationis ist nun freilich ein anderes: Zwei, drei – vier, fünf Oliven bleiben übrig. Hierauf liegt jetzt der Akzent.

Wovon ist hier die Rede? Dies zu beurteilen hängt nun maßgeblich davon ab, wer mit »Jakob« gemeint ist. Sieht man in ihm die gleiche Größe, die in V. 3 mit »Ephraim« bezeichnet wird – dann kann das Wort ebenso wie die Verse 1–3* als ein »Fremdvölkerorakel« über den Feind Israel betrachtet werden.31 Verstehtman aber V. 4 zur »Herrlichkeit Jakobs« als Interpretation der »Ehre der Israeliten« von V. 3 und berücksichtigt mit Becker, dass der Name des Patriarchen sonst überall bei den Propheten eben nicht für den nördlichen Nachbarn Judas, sondern »eindeutig Israel als Gottesvolk, als Gemeinde JHWHs«32 meint – dann stellt sich der Sachverhalt anders dar: Die Verse 4–6 – oder auch nur 4–5 – oder zumindest V. 4 interpretieren das heilvolle »Fremdvölkerorakel« aus dem Syrisch-Ephraimitischen Krieg im Sinne einer Unheilsankündigung für »Israel«, nun aber gerichtstheologisch verstanden als gegen das Volk JHWHs gerichtet.33 Vers 6 allerdings scheint mir diese Deutung bereits vorauszusetzen, ist hier doch zu sehen, wie der Gedanke des heilvollen Rests nach dem zweifachen Gericht eingetragen und das Bild von der Nachlese nicht unwesentlich modifiziert wird. Hier lässt sich eine ähnliche Bearbeitungstendenz feststellen, wie sie bei der ungleich berühmteren Stelle in Jes 6,13 offensichtlich ist: Nach dem Gericht wird für einen »Rest« eine erneute Heilsperspektive eröffnet.

Auch wenn man dieser diachronen Interpretation der Verse 4–6 nicht folgen mag,34 so ist doch auf die Verse 9–11 zu verweisen, die nun, bei allen Problemen zuallererst ihrer korrekten Übersetzung, doch eines ganz klar zu zeigen scheinen: Das Geschehen, das im Vorangehenden geschildert wurde, wird hier – erneut und ein weiteres Mal – als ein göttliches Gericht an Israel, im Falle des weiblichen »Du« von 10 und 11 wohl konkret an Jerusalem, verstanden.

Jes 17,1–11 bildet in seiner Entstehungsgeschichte darum ein gutes Beispiel für die zweite der oben skizzierten Anschauungen über das Verhältnis von Gerichtsprophetie und Fremdvölkerorakeln: Gerichtsprophetie wird hier deutlich aus der Neuinterpretation von Heilsprophetie als deren Umkehrung ›nach innen‹ entwickelt. Ein Orakel über die Feinde Judas im Syro-Ephraimitischen Krieg wird fortschreibend als Gerichtswort über die theologisch verstandene Größe Israel gedeutet.

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