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5. Gestaltungsräume: Ökumene und Diakonie

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Ein entscheidender Anstoß zur Ökumenischen Bewegung des 20. Jahrhunderts erfolgte bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit der ersten Weltmissionskonferenz, die 1910 in Edinburgh statt fand. Im Rahmen dieses Zusammentreffens wurden gemeinsame Missionsstrategien für den Gesamtprotestantismus vereinbart. Von hier aus gingen insbesondere durch den gegründeten Internationalen Missionsrat entscheidende Impulse aus, die bis zur späteren Konstituierung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 fortwirkten.

Der Weltkrieg hatte auf die Ökumenische Bewegung eine insgesamt förderliche Wirkung: die Kirchen waren in den kriegsbedingten Bedrängnissen insgesamt näher aneinander gerückt. Neben der Mission begannen nun auch theologische Grundfragen und die Ethik eine größere Rolle zu spielen. Allerdings hatte es die deutsche evangelische Kirche wegen der Schuld, die Deutschland am Ausbruch des Krieges zugeschrieben wurde, nicht leicht, ihren Platz in der neuen weltweiten Kirchengemeinschaft zu finden. Die angelsächsischen und skandinavischen Kirchen leisteten nach dem Ersten Weltkrieg einen signifikant größeren Beitrag zur Ökumenischen Bewegung als die deutsche evangelische Kirche.

Es war der Deutsche Friedrich Siegmund-Schultze, der unmittelbar zu Beginn des Ersten Weltkriegs den Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen mitbegründet hatte. Aus dieser Arbeit entwickelte sich unter Führung des schwedischen Erzbischofs Nathan Söderblom die Ökumenische Bewegung für Praktisches Christentum. Die Bewegung vertrat den Anwendungsaspekt christlicher Ethik und war inhaltlich auf die sozialen Probleme des modernen Lebens ausgerichtet. Der DEKB hatte sich von Anfang an diesem Zweig der Ökumene beteiligt. Zur ersten Weltkonferenz für Praktisches Christentum 1925 in Stockholm waren die deutschen Protestanten durch eine offizielle Delegation vertreten. Auch im Namen des DEKB erging die Botschaft von der Stockholmer Konferenz für die Wertschätzung seelischer Werte, für die Bedeutung internationaler Beziehungen und für eine weltweite Reich-Gottes-Arbeit. An der zwei Jahre später stattfindenden Folgekonferenz in Lausanne nahmen erneut deutsche Vertreter teil.

Die Ökumenische Bewegung für Glaube und Kirchenverfassung war aus der Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910 hervorgegangen, sie hatte eine bekenntnistheologische Ausrichtung. Das Ziel war eine sorgfältige Analyse der theologischen Bekenntnisse, um zu ermitteln, in welchen Punkten zwischen den einzelnen Konfessionen trennende Gegensätze wirkten und auf welcher Basis eine Wiedervereinigung möglich sein könnte. An dieser Konferenz hatte es keine offizielle Beteiligung des DEKB gegeben, denn er hatte in bekenntnistheologischen Fragen keinen Vertretungsanspruch für die deutsche evangelische Kirche, bei der Bekenntnisfragen und die Kirchenverfassung in der Obhut der einzelnen Landeskirchen lagen.

Insgesamt galt für diese zwischenkirchlichen Bemühungen, dass sich die Bedingungen für die ökumenische Arbeit in dem Maße erschwerten, in dem die NS-Herrschaft näher rückte.

In konfessioneller Hinsicht waren in den Weimarer Jahren weiter die lutherischen Kirchen engagiert. In Deutschland war seit 1868 die Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenkonferenz auf dem Weg. Entgegen aller kriegsbedingten nationalen Rückzugsbewegungen kam es fünf Jahre nach Kriegsende in Eisenach zum weltweiten Zusammenschluss lutherischer Kirchen im Lutherischen Weltkonvent.

Die Ökumenische Bewegung vollzog sich ohne Beteiligung der katholischen Kirche. Papst Pius XI. hatte seine Kirche 1928 in der Enzyklika »Mortalium animos« auf einen anderen Kurs der Ökumene verpflichtet: »Rückkehr aller getrennten Brüder zur einen wahren Kirche Christi« [Greschat/Krumwiede, 58–60], die freilich allein im Vatikan ihr Zentrum hatte. Ungeachtet punktueller Annäherungen auf pfarramtsbezogener Ebene zwischen evangelischer und katholischer Kirche kam es zu einer engeren Form ökumenischer Verbundenheit erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als sich beiden Großkirchen in etwa die gleichen kriegsbedingten Aufgaben stellten.

Die christliche Liebestätigkeit, die in Bezug auf das Dienen bzw. Helfen seit urchristlicher Zeit unter dem Begriff der Diakonie subsummiert wurde und im 19. Jahrhundert mit dem neu geschaffenen Synonym als Innere Mission (IM) bezeichnet wurde, erlebte mit dem Ersten Weltkrieg eine grundlegende Zäsur. Die freien Träger waren kriegsbedingt überfordert, die gewährte staatliche Hilfe manifestierte einen öffentlichen Einfluss auf die Wohlfahrtspflege, aus dem langfristig das »duale System« des deutschen Sozialstaats hervorging. Zudem bot die verfassungsrechtlich offene Situation nach Kriegsende die Möglichkeit, christlich-soziale Ideen in den neuen Kirchenverfassungen zu verankern.

Die IM expandierte, in diesem Zusammenhang gab sich der Centralausschuss für IM 1921 eine neue, an die veränderten Bedingungen angepasste Ordnung, die den Weg für die Entwicklung zum Spitzenverband frei machte. Der umfassende Strukturwandel in der IM fand einen adäquaten Ausdruck in der Betheler Botschaft von 1924, die als soziale Kundgebung ohne parteipolitische Berührungsängste und in Abkehr einer monoperspektivischen Staatsfixierung sich erstmals dem Wohl des Volksganzen verschrieb. Erst die finanziell und personell reduktionistischen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise schwächten den Sektor der Diakonie nachhaltig und gaben der IM zu Beginn der NS-Zeit keine günstige Ausgangssituation.

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