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„ICH WÜRDE AUCH FÜR NICHTS AUF DER WELT IN DIE STADT ZIEHEN ODER IN EIN ANDERES DORF.“

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Wie sah und sieht es hier aus mit Schule, Ausbildung und Beruf?

Wir haben im Tal total viele Dinge, die ich selbst nicht mal kenne: Firmen, Geschäfte, ich weiß gar nicht, was das alles ist. Also es hat viele Möglichkeiten hier.

Aber das, was du machst, ist hier nicht möglich?

Könnte ich schon. Ich bin Medizinische Fachangestellte, mach da gerad meine Ausbildung und einen Arzt haben wir auch hier. Hätte ich eigentlich auch hier machen können. Ich bin hier aber selber Patientin und dann ist das irgendwie immer so … na ja. [lacht]

Was fehlt deiner Meinung nach in K’furt?

Gerade was für die Jüngeren, die Jugendlichen, die zum Beispiel im Alter meiner Schwester sind. Die ist jetzt 15. Ein Aufenthaltsort, also mehr oder weniger Jugendhaus oder so was in der Art … Ich sehs so oft: Sie ist total krank, will dann aber trotzdem mit ihren Freunden raus, weil sich alle halt draußen treffen. Und dann wär halt so ein Raum oder ein Haus, wo alle hinkönnten und sich treffen und es einfach warm ist, schon gut. Das gabs bei uns auch nicht, uns hats auch nicht gestört, ich denk, die störts jetzt zwar auch nicht so, aber wäre vielleicht mal eine Überlegung, so was hier in K’furt zu machen.

Merkst du bei deiner Schwester einen Unterschied gegenüber dem, wie sie aufwächst, und wie du hier aufgewachsen bist?

Ja, total. Also bei uns damals hat das ja so gerade angefangen mit den Handys und den Smartphones. Und bei denen ist es jetzt ja total in. Also jeder muss das neueste Smartphone haben und Touch hier und Kamera da und Bilder und Marken. Es ist voll der Hype. Und dadurch, finde ich auch, verändert sich voll viel. Wir waren halt mehr oder weniger die Landeier, haben immer nur auf dem Land gechillt und waren da. Und bei ihr merkt man schon, sie will eher in die Stadt. Sie ist nicht so oft draußen, weil sie häufig am Handy hängt oder versucht, irgendwelche Bilder zu bearbeiten oder irgendwelche YouTube-Videos schaut. Also wir waren bei Wind und Wetter immer draußen, haben irgendwo gechillt, und sie ist halt: „Nee, lieber mein Handy!“


Dann kommen wir mal zur Fasnet. Wie lange bist du denn schon im Narrenverein?

Insgesamt seit circa zehn Jahren. Ich war sieben Jahre lang in Betzingen in der Narrenzunft. Bei den Betzinger Krautskrägen, Mühlenkatzen. Der Freund von meiner Mutter spielt hier in K’furt in der Lumpenkapelle, und dann haben wir uns dafür entschieden, hier nach Kirchentellinsfurt in den Verein zu wechseln. Sind jetzt hier seit zwei Jahren. Das ist die Narrenzunft Ranzenpuffer mit der Kirchheimer Sau und den Madebachbäbeln, und wir sind die Bäbeln.

Und wie kamst du dazu?

Durch meine Schwester. Die war damals klein und wollte unbedingt Garde tanzen. Und in Betzingen war das damals möglich. Und da sie noch so klein war, musste meine Mutter mit eintreten und ich wollt natürlich auch total gern ins Häs. [siehe Rubrik „Schwäbisch für Möchtegern-Käpsele“] Das war schon immer cool, Fasching und so. Und ich war damals zehn oder elf, und das war mein größter Traum. Und dann haben wir gesagt: „Ja, okay, weil du eh Garde tanzen willst und du kannst das und du machst das und so was, gehen wir mit ins Häs“, und so kam das. Und auch durch ihre Freundin damals.

Also sind deine Familie und deine Freunde auch im Narrenverein?

Ja. Mein Freundeskreis größtenteils, fast alle mittlerweile. Mein Freund ist auch bei uns im Verein in Kirchentellinsfurt und alle anderen zum Beispiel in Kusterdingen oder in Tübingen bei den Stadthexen oder in anderen Narrenzünften. Also sind echt viele, die man kennt, und man kennt jetzt mittlerweile auch unter den Narrenzünften alle.

Was für eine Tradition steckt denn dahinter?

Die Narrenzeit ist die Zeit vor dem Fasten. Also es kam irgendwie durch die katholische Kirche, mehr oder weniger, ich weiß nicht genau. Auf jeden Fall ist es die Zeit vorm Fasten, weil beim Fasten tust du ja auf alles verzichten und da tust du dann noch mal alles ausprobieren und dir gönnen, sozusagen.

Und was spricht dich bei der Fasnet besonders an?

Jaaa, also …. [lacht] Die Fasnet ist nur einmal im Jahr und es ist ja kurz vorm Fasten, deswegen trinkt man dann ordentlich und isst gut und macht einfach Party und tanzt und feiert und trifft die Freunde. Und dann ist es cool, wenn man zusammen auf einer Veranstaltung ist und man sich dann da sieht und Brauchtumsabende mit Tänzen, Showtänzen. Wir haben auch ’ne Aktionsgruppe, wir tanzen dann auch und haben unseren Maskentanz, unseren Brauchtumstanz.

Kennst du den Hintergrund von deinem Narrenverein?

Also die Ranzenpuffer waren am Anfang Schweine. Seit sechs Jahren gibts auch die Madenbachbäbeln dazu. Der Ranzenpuffer hat immer in der Faschingszeit, also in der Vorfastenzeit, seinen Schabernack getrieben und tralala und, ja, was auch immer alles gemacht. Und bei den Bäbeln – die kommen aus Maden – zwischen K’furt und Altenburg gibts das: Maden – da hieß es früher immer: „Ja, die Madebachbäbel, da musch aufpassen, da darfsch nicht hin, die isch gefährlich.“ Die ist wie so ’ne Art Hexe, ’ne alte Frau.

Was bedeutet es denn für dich persönlich, im Verein zu sein?

Man sieht viel, man hat Unterhaltung, am Wochenende hat man quasi immer was zu tun, weil Freitag, Samstag, Sonntag immer Veranstaltungen sind. Sonntags sind meistens Umzüge, in denen man läuft. Ich finde es einfach immer schön, am Wochenende mit dem Partner, mit dem Verein zusammen zu sein. Wenn man dann coole Leute dabeihat und dann mit’m Bus irgendwo zwei Stunden hinfährt und dann geht schon im Bus die Party und wird rumgefeiert, macht Spaß.

Wie vereinbarst du denn dieses zeitintensive Hobby mit deinem Privatleben und deinem beruflichen Leben?

Die Fasnet ist ja meistens am Wochenende, bis auf die Hauptfasnet, die fängt dann immer am schmotzigen Donnerschtag an und geht dann bis zum Aschermittwoch. Da nimmt man sich am besten Urlaub. Da sind dann immer die Abendveranstaltungen und auch die Umzüge oder so was. An dem Fasnetsdienstagabend oder Veilchendienstagabend ist dann immer unsere Häs-Verbrenne. Ich krieg das insgesamt eigentlich ziemlich gut geregelt. Nur meistens ist man dann am Montag flach, kaputt von dem Wochenende, weil’s halt durchgehend Party ist.

Gibt es eine Verpflichtung, zu so und so vielen Veranstaltungen kommen zu müssen?

Nee, das nicht wirklich. Aber zum Beispiel sind wir heut Abend um 19 Uhr zum Aufbau in der Richard-Wolf-Halle verabredet, und da bauen wir unsere Hallenfasnet komplett auf, die morgen ist. Um 13 Uhr ist die Kinderfasnet, die geht bis circa 17 Uhr, dann müssen wir kurz alles aufräumen, umbauen und um 19 Uhr ist Einlass für unsere Hallenfasnet. Das sind Pflichtveranstaltungen, also wir müssen auch zum Aufbau und Abbau kommen und sind dann auch eingeteilt. Bei den Veranstaltungen müssen wir natürlich arbeiten, an der Bar, in der Küche und Drum und Dran. Und wo wir zum Beispiel auch tanzen mit der Showtanzgruppe, da müssen wir dann klar auch kommen.

Was tanzt ihr da?

Es gibt unseren Brauchtumstanz. Das ist jedes Jahr der gleiche, seit 22 oder 23 Jahren. Und dann gibts unseren Showtanz, der ist jedes Jahr anders. Der geht drei, vier Lieder lang, und da tanzen wir mit der Maske, mit’m Häs. Die Männer dieses Jahr im Tütü, dann haben die Männer erst ihre Showtime und dann kommen wir noch dazu, die Frauen mit der Maske, und dann tanzen wir alle zusammen. Pyramiden machen wir jetzt eher nicht, das haben wir immer in Betzingen gemacht. Als ich da noch in der Narrenzunft war, haben wir echt ’ne siebenstöckige Pyramide oder so gemacht. Da standst dann oben und hast nach unten geguckt, zwei Meter, und da hat dann alles gewackelt.

Sind das dann die Tänze, die ihr beim Umzug auf der Straße tanzt?

Nee, die machst du nur bei Abendveranstaltungen. Auf dem Umzug tanzen wir auch, aber jeder das Gleiche. Wie andere Pyramiden bauen, kurz beim Umzug, machen wir kurz unseren Tanz und laufen dann weiter.

Verkleidungen, Partys, zu Umzügen fahren – das ist ein ziemlich kostspieliges Hobby, oder?

Ja, total. Schon allein das Häs. Das kommt immer auf den Verein an. Aber bei uns kostet das Häs, würde ich jetzt mal ganz grob sagen, 800 Euro. Mit Maske. Und die Haare dazu und allem. Das muss man aber fast überall so rechnen. Man muss zum Glück keinen Eintritt zahlen bei den Veranstaltungen oder beim Umzug oder sonst irgendwo, aber dann ist man halt doch den ganzen Abend weg, dann kriegst Hunger, dann hast du Durst. Also es läppert sich auf jeden Fall, auch weil die Fasnet drei Monate lang geht.

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