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„ES IST JA AUCH NICHT SO, DASS WIR UNS NUR ZUM TRINKEN TREFFEN. DA IST JA IMMER NOCH VIEL MEHR MIT VERBUNDEN.“
ОглавлениеLewe (23) – macht seine Fachhochschulreife in Flensburg – und Christopher „Chrischi“ (21) – studiert Maschinenbau in Flensburg – haben in einem alten Wohnwagen in ihrem schleswigholsteinischen Heimatort ihre eigene Partyhütte
Hallo, ihr zwei, ich will mit euch über eure Partyhütte sprechen. Aber vorher interessiert mich ganz allgemein: Wie sieht es denn aus, wenn ihr feiern geht? Fangt mal mit der Klamottenwahl an.
Lewe: Da werden einfach gute Klamotten angezogen. Die ganzen Oberlandwirte und die richtigen Landkinder tragen meistens Hemd. Weiß nicht, was das für ein Trend ist. Ich bin persönlich eher so der Pullover- oder T-Shirt-Träger. Kommt jetzt auch drauf an, was wir machen. Also wenn wir bei uns unten ganz normal Feuer machen oder so, dann braucht man natürlich nicht ganz so gute Klamotten. Da ziehen wir zum Beispiel nicht unbedingt weiße Schuhe an, weil die ja sonst schietig [norddt.: schmutzig] werden. Aber ansonsten ziehen wir uns schon ordentlich an, wenn wir rausgehen. Und wenn wir irgendwo feiern gehen, muss man noch einen Fahrer regeln. Meistens haben wir vorher schon ’n Fahrer, oder wir gehen spontan feiern und dann wird einfach mal die ganze Telefonkontaktliste angerufen, wenn wir nach Hause wollen. Irgendeiner geht dann meistens ran. Irgendwie kommt man schon nach Hause. Und zur Not dann halt mit ’nem Taxi. Ist zwar ’n bisschen teurer, aber was muss, das muss. Ich bin eher so der spontane Typ, ich entscheide das immer ganz spontan, ob ich in die Stadt fahr, zum Feiern oder ob ich irgendwo hingehe. Und ja, natürlich dann Getränke. Hauptsächlich trinken wir Korn, ich trink auch gerne mal ’n Bacardi Oakheart oder ’n schönen Bombay auf die gute Ernte. So wird sich dann auch mal ordentlich belohnt. [lacht]
Und wie ist das bei dir, Chrischi?
Chrischi: Über Klamotten mach ich mir jetzt nicht so die Gedanken. Eher schnackt [norddt.: redet] man meistens mit den Leuten, mit denen man losgehen will, wo man hingehen möchte, regelt vorher schon, wie man hinkommt auf jeden Fall. Wie man zurückkommt … kann auch sein, dass das dann spontan nachts geregelt wird. Wenn man dann in die Stadt geht oder auf irgendein Fest, dann trifft man sich bei irgendeinem von den Leuten, trinkt da vor. Also kauft sich erst mal Getränke, jeder seinen Schnaps, dann trinkt man zusammen vor, fährt mit dem Fahrer hin, ja und dann wird da, wo wir feiern, weitergefeiert. Und irgendwann rufen wir halt den Fahrer an, wann er uns abholen soll. Wenn wir keinen Fahrer geregelt haben, dann rufen wir so lange Kollegen an, bis uns einer abholen kann. Oder zur Not fahren wir dann halt mit dem Taxi.
Wie häufig geht ihr denn ungefähr feiern?
Lewe: Eigentlich schon jedes Wochenende. In den Ferien kann es schon mal sein, dass wir auch häufiger feiern oder zusammensitzen und trinken. Manchmal sind halt auch ’n paar dann nicht da oder haben keine Lust, dann trifft man sich auch nur mal zu dritt oder so und schaut gemütlich einen Film oder sitzt zusammen und trinkt dabei was.
Chrischi: Also in die Stadt gehen wir jetzt nicht ganz so häufig. Meistens feiern wir hier bei jemandem zu Hause oder im Sommer dann auch auf Zeltfesten und so.
Was bedeutet das Feiemgehen an sich so für euch?
Lewe: Ja, was bedeutet das? Ordentlich einen bechern mit Freunden. [lacht] Einfach in ’ner kleinen Runde zusammensitzen in unserem Wohnwagen und ganz genüsslich mal ’n paar Schnappes trinken. Vor allem das Treffen mit den Freunden steht da im Mittelpunkt.
Chrischi: Ja, bei mir ist es eigentlich genau das Gleiche, also auf jeden Fall steht im Vordergrund, Freunde zu treffen.
Auch vielleicht mal neue Leute kennenlernen?
Chrischi: Ja, das schon auch mal, das zählt auch dazu. Aber wenn man im Wohnwagen sitzt, in der kleinen Runde, da kennen sich halt alle. Hier kennt jeder jeden, da lernt man nicht viele neue Leute kennen. [lacht]
Lewe: Da müsste man schon mal in die Stadt fahren, nach Flensburg. Wobei es auch schon ab und zu im Wohnwagen so war, dass irgendjemand jemand anderen mitgenommen hat, also irgend ’n Kumpel oder ’ne Freundin, die die anderen nicht kannten. Oder wenn wir irgendwelche Feriengäste haben, die in unserem Alter sind, dann fragen wir die auch mal, ob sie an ’nem Abend dazukommen wollen. Aber häufig passiert das auch nicht. Ich sag mal so: Hier auf dem Land kennt man halt jeden Dritten. Gerade auf so größeren Zeltfesten kann man sich dann schon viel unterhalten. Aber in der Stadt lernt man halt einfach auch mal neue Leute kennen. Also hat beides immer so seine Vor- und Nachteile.
Ihr wohnt ja mitten auf dem Dorf. Welche Partymöglichkeiten gibts denn hier in der Nähe, was zum Beispiel an Diskotheken?
Chrischi: Direkt bei uns im Umkreis ist eigentlich gar nichts. Außer ab und zu mal Zeltfeste. Koppelheck [Zeltfest in Niesgrau] zum Beispiel ist so ’n Zeltfest, was bekannt ist.
Wie sieht so ’n Zeltfest aus, wie kann ich mir das vorstellen?
Lewe: Das ist dann zum Beispiel in ’ner großen Maschinenhalle und meistens steht noch ’n Zelt davor. Die Maschinen sind natürlich draußen und dann wird da halt ’ne große Bühne oder ’n DJ-Pult aufgestellt, es gibt ’ne Bar oder auch zwei, alles ist schön dekoriert, meistens mit Tarnnetzen. Und dann wird da halt ordentlich Party gemacht.
Wie viele Leute kommen da dann so?
Lewe: Da sind schon immer so 2.000 bis 2.500 Leute drin. Da kommen irgendwie aus allen Dörfern aus der Gegend die Leute, auch aus Kappeln oder Flensburg teilweise.
Und wenn ihr jetzt in so ’ne Diskothek gehen wollt, wo geht ihr dann hin?
Lewe: Nach Schleswig oder dann natürlich nach Flensburg. Wir fahren dann zum Beispiel ins Ela [Diskothek in Schleswig] oder an die Küste.
Chrischi: Wobei ich sagen muss, dass ich Flensburg bevorzuge. Ist halt näher dran, Ela ist dann schon fast ’ne Weltreise. [alle lachen]
Was gibt es denn sonst so für Möglichkeiten für euch zum Feiern, und wie organisiert ihr das?
Chrischi: Da gucken wir dann, dass wir entweder hier im Wohnwagen was organisieren oder bei jemandem zu Hause. Im Sommer machen wir auch mal ’n Feuer. Wir haben auch ’n Kumpel, der direkt am Strand wohnt. Man fährt auch mal zu dem und macht da am Strand ’n Feuer, sitzt da und trinkt ’n bisschen was.
Lewe: Wir haben unsere WhatsApp-Gruppe „Hollehitter Knabenchor“. Da schreiben wir regelmäßig rein, wenn was ist am Wochenende. Meistens ist es ja dann bei uns im Wohnwagen. Den haben wir damals von ’nem Kumpel geschenkt bekommen, und der ist schon ziemlich groß. Den haben wir ’n bisschen umgebaut. Wir haben die Küche und alles rausgerissen und da halt zwei große Sitzecken hingebaut, Anlage, Notstromaggregat, damit wir auch Strom haben. Der steht unten bei uns auf der Pferdekoppel. Einen Perserteppich haben wir zerschnitten, den guten von Opa, vom Boden. Den hatten wir da noch liegen. Soll ja auch ’n bisschen schick aussehen da drin, ne? [alle lachen]
Chrischi: Wir hatten noch ’ne Zeit lang ’ne Spielekonsole drinne, ’ne Wii, wo man dann auch sitzen konnte, ohne direkt zu feiern, aber sich trotzdem mit Freunden treffen konnte. Aber meistens ist es doch ausgeartet und man hat doch einen getrunken. [lacht] Vor allem am Anfang war das echt geil da drinne. Da waren dann schon legendäre Partys. Ein Kollege von uns, der feiert zum Beispiel das Lied „In the Air tonight“ von Phil Collins, und dann hat er zum Schlagzeugsolo sein T-Shirt zerrissen und das haben wir dann später verbrannt. Das fällt mir jetzt so spontan als Beispiel ein. [alle lachen]
Wer kommt da dann zusammen? Eher nur Leute hier aus dem Dorf oder habt ihr auch Kontakte zu Leuten aus anderen Dörfern, die da dann alle dazukommen?
Lewe: Meistens sind das immer dieselben Leute, aber wir haben ’n Ferienhof hier und dann sind halt auch mal ’n paar Feriengäste dabei.
Chrischi: Man ist ja dann auch froh, wenn man auf dem Land mal die Möglichkeit hat, neue Leute kennenzulernen.
Wer bestimmt denn darüber, welche Leute in den Wohnwagen reinkommen und welche nicht?
Lewe: Chrischi und ich haben als „erste Vorsitzende“ das Sagen. Wenn dann Leute kommen, auf die wir nicht so Bock haben, gucken wir uns das an, und dann fliegen die zur Not halt wieder raus. Ich mein, das Gute ist ja, dass der Wagen bei mir hier aufm Grundstück steht. Deswegen ist das eigentlich auch klar, dass ich und auch meine Brüder oder halt auch Chrischi da das Sagen haben.
Und wie ist das dann: Habt ihr ’n Schlüssel oder kann da jeder zu jeder Zeit rein?
Lewe: Nee, der steht immer offen. Da kann jeder reingehen. Das ist auf jeden Fall ’ne Touri-Attraktion! [alle lachen]
Chrischi: Es ist ja auch so, dass der wirklich uns gehört. Deshalb kann nicht einfach jemand Fremdes rein. Wenn wir da feiern wollen, dann wird das vorher ausgemacht. Deswegen gibts da eigentlich auch eher selten Stress, weil das dann eigentlich immer unsere Leute sind, die wir ja auch schon lange kennen. Deswegen brauchen wir auch keinen Schlüssel. Man könnte den, glaub ich, eh nicht mehr abschließen. [lacht]
Wie ist das mit euren Eltern, wenn ihr zu Hause feiert oder auch hier bei euch auf dem Grundstück mit dem Wohnwagen? Haben die da keine Probleme damit?
Lewe: Nee, wir stehen ja ziemlich weit unten auf der Koppel. Daher kriegen die das nicht wirklich mit.
Gut: Ab und zu haben sich Feriengäste beschwert, aber ganz selten. Dann haben wir die Musik ’n bisschen leiser gemacht, und dann lief das auch wieder.
Chrischi: Meine Mutter hat da auch nicht so das Problem mit, wenn wir bei mir zu Hause mal feiern. Wenn das jetzt jedes Wochenende wäre, dann vielleicht schon, aber so ab und zu ist das schon für sie in Ordnung. Manchmal sitzt sie dann auch mit uns, und das ist eigentlich immer ganz witzig.
Was sind denn so die Vorteile vom Feiern auf dem Land?
Chrischi: Auf jeden Fall, dass es halt keinen interessiert, ob du da laut Musik hörst. Kannst einfach mal ganz spontan so ’ne Party starten. Du kannst hier eigentlich sowieso machen, was du möchtest. Da kommt niemand und möchte dir an die Karre pissen. [lacht] Das ist eigentlich ganz gut so.
Lewe: Das Geile bei solchen Partys hier ist, dass man halt einfach spontan auch mal ’n Feuer machen und da dann sitzen kann. Haben wir auch schon häufiger gemacht, wenn wir im Wohnwagen waren. ’n bisschen Stockbrot essen nebenher. Du hast deine Ruhe, kannst machen, was du willst.
Was sind denn eurer Meinung nach die Vorteile vom Feiern in der Stadt?
Chrischi: Wenn du hier auf dem Land bist und du hast ’n Zeltfest und das ist scheiße da, dann gibts halt nichts anderes. In der Stadt sagst du dann halt: „Ok, geh ich halt in den nächsten Club.“
Lewe: Oder auch im Winter, da sind dann hier natürlich keine Zeltfeste. Dann muss man in die Stadt, wenn man feiern will, weil die Diskos haben ja immer auf.
Wie ist das, wenn dann Leute aus anderen Dörfern zu euch kommen, wie kommen die von A nach B?
Lewe: Fremdes Leid! [alle lachen] Nein, da findet sich eigentlich jedes Wochenende ein Döschi [plattdt.: Dummkopf], der die andern durch die Gegend fährt. Es gibt immer einen, der keine Lust hat, dieses Wochenende zu trinken. Braucht man hier auch. Wir wechseln dann natürlich auch mal durch. Wir haben jetzt keine feste Regelung, aber jeder ist mal dran mit fahren.
Chrischi: Das ist gegenüber der Stadt dann doch auch noch ein Nachteil, weil du halt immer einen brauchst, der nüchtern bleiben muss. Hier fährt halt einfach dann kein Bus oder ’ne S-Bahn.
Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen: Wenn ihr in der Stadt feiern geht, habt ihr von dort noch irgendwie nachts ’ne Busanbindung in euer Dorf?
Chrischi: Zur Not wird der erste Zug morgens nach Sörup genommen, und dann muss man halt schauen, wie man von dort anschließend nach Hause kommt. Das sind noch mal so um die fünf Kilometer. Und hier bei uns im Dorf direkt hält eigentlich nur der Schulbus. Also wir haben hier nicht mal ’n Linienbus, deswegen müssen wir uns über ’nen Nachtbus gar nicht unterhalten. [alle lachen]
Wenn ihr irgendwas ändern könntet, was wäre das?
Chrischi: Mobilität auf jeden Fall. Das wäre halt das Beste. Wenn man immer ’n Bus hätte, der hier überall hinfährt, das wär top. Aber eigentlich ist das auch so top, auf dem Land zu feiern, muss ich sagen, weil ’n Fahrer hat man immer, und die Partys sind eigentlich auch immer gut. Also deshalb würd ich jetzt nichts ändern.
Lewe: Ja, so sehe ich das auch. Es ist ja auch so: Der Wohnwagen ist vom Platz ja beschränkt, und wenn wir mal mit mehr feiern wollen, dann gehen wir bei uns in die Scheune. Wir haben hier so ’n Resthof mit unserer Scheune. Dann wird da ’n Tarnnetz aufgehängt und ’ne Anlage aufgebaut und Tische und Bänke rein, und dann kann man da auch mal so mit 50 bis 60 Leuten ’ne größere Party machen.
Wo kommen die Leute alle her?
Lewe: Auch alle aus dem Umkreis hier. Da werden dann mehr Leute eingeladen. Da nimmt dann jeder noch mal ein, zwei Leute mehr mit. Im Wohnwagen sitzen wir dann eher so mit zwölf Leuten.
Habt ihr im Dorf oder in der Umgebung auch Leute, mit denen ihr euch nicht so gut versteht, die auch vielleicht schon mal zu so ’ner Party kamen?
Lewe: Wir sind ja nicht so ’n großes Dorf. Hier kann eigentlich jeder mit jedem. Klar, es gibt immer so ’n paar Ausnahmen, aber hier will niemand niemandem was Böses.
Chrischi: Das ist dann eher, wenn Leute von außerhalb kommen. Dann gibts schon mal Probleme.
Was heißt von außerhalb?
Chrischi: Es gibt halt gewisse Ecken hier, da sind die Leute nicht so gut gesehen, sagen wir mal so.
Lewe: Die ziehen falsche Luft. [alle lachen]
Chrischi: Mit Leuten von hier – im Umkreis von fünf bis zehn Kilometern, da kennt man eigentlich fast alle jungen Leute – gibts eigentlich keine Probleme, weil sich alle gut verstehen. Leute, die so 30 Kilometer weiter weg wohnen, auch aufm Land, die sind dann meistens anders drauf als die Leute, die hier wohnen. Mit denen kanns schon mal zu Problemen kommen.
Hattet ihr denn selber auch schon mal Stress?
Lewe: Ja, da gabs dann auch schon mal ’n paar gebrochene Nasen und so, aber na ja.
Chrischi: Alles schon erlebt. Aber das ist dann eher so bei Zeltfesten. Die kommen ja nicht zu uns in den Wohnwagen, die würden wir ja gar nicht erst einladen. Im Wohnwagen läuft eigentlich immer alles ganz friedlich ab. Das ist dann halt eher auf den Zeltfesten, wenn die Leute aus anderen Gegenden auch da sind.
Also werden Probleme dann schon mal mit Fäusten geregelt?
Lewe: Ja … Die sind nur neidisch auf unseren Acker hier, die haben weniger Bodenpunkte als wir. [lacht]
Chrischi: Du bist so ’n Schnacker! [alle lachen]
Es gibt ja häufig auch das Klischee, dass Leute auf dem Land deutlich mehr Alkohol trinken als Leute in der Stadt …
Chrischi: Dem würde ich schon zustimmen. Wenn man mit Leuten aus der Stadt loszieht, merkt man echt ’n Unterschied. Es gibt auch bei uns auf dem Land echte Härtefälle. Da kommen teilweise Leute mit zwei Flaschen Korn zum Vorglühen, aber das sind seltenere Fälle. Aber man merkt schon, dass die Leute vom Land mehr trinken als die aus der Stadt.
Könnt ihr euch irgendwie erklären, woran das liegt?
Lewe: Vielleicht liegt es daran, dass man in der Stadt nicht so die Möglichkeit hat, sich bei jemandem auf dem Grundstück zu treffen. Deswegen müssen die zum Trinken gleich in ’ne Bar oder so. Da ist das ja gleich viel teurer. Wir kommen da immer günstig davon. Wir kaufen unser Zeug in Flaschen im Supermarkt und dann kann das losgehen.
Chrischi: In der Stadt sind ja auch viele Sachen erst ab 18, und hier auf dem Land fängt man schon früher an zu trinken, so mit 13, 14. In der Stadt ist es dann, glaub ich, einfach so, dass viele erst mit 16 anfangen können zu trinken, weil sie da erst in den Bars was bekommen. Hier schickt man halt mal ’nen älteren Kumpel los oder die große Schwester zum Einkaufen und betrinkt sich dann im Garten von jemandem zu Hause. Man kommt hier auch auf die Zeltfeste schon mit 16 rein und kann dann mit ’nem „Mutti-Zettel“ auch so lange bleiben, wie man möchte, und auch alles an Alkohol dort kaufen.
Könnt ihr euch vorstellen, dass die Langeweile auf dem Land mit eine Rolle spielt, dass man auf dem Land mehr trinkt?
Lewe: Langeweile? Nee, das gibts hier nicht. Kannst ja hier alles machen. Fußball spielen, hier ’n bisschen angeln, ausreiten. Früher haben wir auch immer mit unseren Softair-Pistolen gespielt, als wir noch kleiner waren. Das hat auch immer echt Spaß gemacht. Da waren wir dann so sechs bis acht Leute, und dann war die Hälfte hier im alten Kuhstall und die anderen mussten dann stürmen. Durch den Platz hier findest du immer irgendwas, was du machen kannst. Dir wird nicht langweilig, auf jeden Fall.
Chrischi: Bei manchen kann ich mir das schon vorstellen. Ich hab da jemanden im Kopf, bei dem ich mir das vorstellen kann, dass er auch aus Langeweile einfach trinkt. Aber bei uns und auch bei unseren Freunden ist das eigentlich nicht so, dass wir jetzt nur so viel trinken, weil es hier nichts gibt. Lewe hat schon gesagt, was man hier alles machen kann, aber da gibts ja noch deutlich mehr. Zum Beispiel Boot fahren. ’n Kumpel hat ’n Boot und damit fahren wir dann auch ab und zu raus. Und es ist ja auch nicht so, dass wir uns nur zum Trinken treffen. Da ist ja immer noch viel mehr mit verbunden. Wenn wir jetzt zum Beispiel am Wohnwagen was ausbessern, dann treffen wir uns ja dafür und verbringen so wieder Zeit mit unseren Freunden. Wir laufen auch am Herrentag immer in ’ner Runde. Wie so ’ne Maiwanderung. Und da haben wir uns letztes Jahr auch so ’n richtigen Wagen für gebaut: zwei Anhänger, auf einem ’ne Bar eingerichtet und der andere mit Anlage und Grill, und dann haben wir den Rasenmähertrecker davorgespannt und sind damit losgezogen. Den mussten wir ja auch bauen. Und da haben wir uns dann mehrere Tage hintereinander getroffen und haben zusammen daran gearbeitet. Also Langeweile kennen wir echt gar nicht. Wir finden hier eigentlich immer was zu tun.
Glaubt ihr denn, dass bei manchen ein gewisser Gruppenzwang vorhanden ist und die deswegen so viel trinken?
Chrischi: An sich ist es bei uns schon so, dass jedem freigestellt ist, ob er trinken will oder nicht, auf jeden Fall. Aber gut, das ist halt immer so, dass dann einer sagt: „Komm, jetzt trink doch mal einen!“ Ich glaub schon, dass man ’n bisschen auch dazu getrieben wird. Aber man wird jetzt nicht gezwungen, also man wird motiviert, dass man trinkt [lacht], aber es wird nicht gesagt: „Wenn du jetzt nicht die Flasche austrinkst, brauchst du nicht wiederkommen.“
Lewe: Es ist ja auch nicht so, dass wir uns jedes Wochenende komplett aus dem Leben schießen. Ab und zu sitzen wir auch ganz gemütlich mal bei ’n paar Bier im Wohnwagen.
Ihr habt ja erzählt, dass ihr den Wohnwagen hergerichtet habt. Wie viele Leute waren daran denn beteiligt?
Lewe: Also im Schnitt waren wir immer so mit vier Leuten dran beteiligt, weil mit mehr stehst du dir ja dann auch irgendwann nur im Weg. Wir haben dann auch bewusst immer nur ’n paar Bescheid gegeben, dass sie zum Helfen kommen sollen. Dann haben wir so ’n kleinen Tresen eingebaut, ’n Sofa rein, so ’n kleinen Raucherbereich bisschen hingebastelt, mit so ’ner Gardine aus ’ner alten Decke.
Wie viel Zeit habt ihr da investiert?
Chrischi: Also wir haben immer etappenweise daran gearbeitet. Insgesamt gesehen so 20, 30 Stunden.
Lewe: Da wird ja immer zwischendurch auch mal wieder was Neues gemacht. Da hat der eine ’ne Idee und dann der andere ’ne Idee, und dann wird das umgesetzt. Oder manchmal muss man auch mal was ausbessern, weil was kaputtgeht.
Wie macht ihr das mit den Getränken oder auch mit dem Benzin für das Notstromaggregat? Wer bezahlt das?
Lewe: Bei den Getränken ist es schon so, dass jeder sein eigenes Zeug mitbringt. Aber wir haben auch immer hier was auf Reserve stehen. Da kann man sich zur Not auch mal dran bedienen. Wenn mal jemand nichts mitnehmen kann, dann ist da trotzdem genug.
Chrischi: Eigentlich ist immer genug da. Und beim Benzin ist es schon so, dass es die Gleichen immer sind. Wir sammeln da jetzt nicht von jemandem Geld ein, der nur einmal da war oder nur ganz selten mal kommt. Oft wird dann das Pfand gesammelt, was so zusammengekommen ist, und davon werden dann neue Sachen gekauft, wie Benzin und, wenn was über ist, Schnaps oder neue Glühbirnen für die Lichterkette.
Habt ihr im Wohnwagen Regeln? Zum Beispiel bezogen auf den Umgang mit Alkohol oder auch Drogen? Oder auch Regeln im Umgang mit Mädels?
Lewe: Regeln gibt es schon. Zum Beispiel dass jeder seinen eigenen Alkohol mitbringen sollte. Und sonst: ganz normale Sozialkompetenzen, dass man ordentlich miteinander umgeht. Aber das sagt ja der normale Menschenverstand eigentlich schon aus. Umgang mit Mädels? Also ich hab immer Vorrecht, das ist meine Regel Nummer eins. [lacht] Nein, war ’n Scherz! Ganz normal. Mädels sind auch eigentlich immer dabei, und da gibts bei uns auch keinen, der sich gegenüber denen irgendwie scheiße benimmt. Die gehören ja auch zu unserer festen Gruppe. Ansonsten würde das schon Stress mit uns geben. [lacht] Drogen gibts bei uns eigentlich nicht. Und rauchen? Ja, wir rauchen halt meistens im Wohnwagen, wir haben uns da ja extra so einen kleinen Raucherbereich hergerichtet. Es kommt aber auch drauf an, wie viel los ist und ob das jemand stört. Wenn das jemand stört, dann wird halt rausgegangen. Da draußen haben wir unseren Stehtisch und dann ist das ja auch gut. Wenn sich jemand danebenbenimmt, dann wird der nach Hause geschickt, wenn das jemand ist, den wir nicht so gut kennen. Wenn das einer von uns ist, dann wird das unter uns geklärt. Und wenn der sich dann immer noch nicht benehmen kann, dann wird er halt doch auch nach Hause geschickt. Aber das kommt eigentlich nie vor. Einmal hatten wir für kurze Zeit die Regel, dass man seine Schuhe ausziehen muss, wenn man in den Wohnwagen geht, weil wir da den Perserteppich gerade neu verlegt hatten und nicht wollten, dass der so schnell dreckig wird. Aber das hat dann auch nicht lange gehalten, denn wenn man dann feiert und ordentlich einen sitzen hat, will man auch nicht immer die Schuhe an- und ausziehen.
Wie regelt ihr das mit dem Aufräumen nach Partys?
Lewe: Wir sagen in der Gruppe einfach Bescheid, wann aufgeräumt wird, und dann sind immer reichlich Leute da. Das geht immer ratzfatz. Das denkt man gar nicht, man denkt ja, es liegen immer alle verkatert im Bett, aber da kommen schon immer einige.
Chrischi: Deswegen macht das einfach auch immer Spaß, wieder was Neues zu organisieren. Man weiß einfach, dass sich dann doch jeder irgendwie dran beteiligt und auch hilft. Wenn das jetzt immer die Gleichen wären und es welche geben würde, die nur zum Feiern kommen würden, ich glaub, das würde dann nicht so viel Spaß machen. Und ich kann mir auch vorstellen, dass das wieder ’n Unterschied zur Stadt ist. Das haben wir tatsächlich auch schon erlebt. Wenn Leute aus der Stadt dabei waren, dass die dann eben nicht zum Aufräumen gekommen sind. Die kennen das so wahrscheinlich gar nicht, weil, wenn die in ’nen Club zum Feiern gehen, dann müssen die da nicht am nächsten Tag aufräumen.
Habt ihr denn auch irgendwelche Trinksprüche?
Lewe: „Nicht lang schnacken, Kopp in Nacken!“ [alle lachen]
Chrischi: Ja, es gibt noch einen auf Plattdeutsch, aber den benutzen wir eigentlich nicht: „Prost, Prost, Prost, nu geiht dat wedder los, wenn ji al een hebbt, will ik ok een hebben, dat ik gor keen mag, kann ik ok nich seggen, Prost, Prost, Prost, nu geiht dat wedder los.“
Lewe: Ja, aber der ist zu lang für uns! Da bist du ja schon verdurstet, bis du den zu Ende gesprochen hast! [alle lachen]
Wenn ihr schon so gut drauf seid, dann hab ich zum Schluss nur noch eine Frage: Was fällt euch spontan zu den Begriffen „Wohnwagenparty“, „Edeldisko“ und „Zeltfest“ ein?
Lewe: Wohnwagen ist viel Spaß in ’ner kleineren Runde, günstig auf jeden Fall und man hat es nicht so weit nach Hause. „Edeldisko“, ja, da gibt man auf jeden Fall mehr Geld aus, mehr Leute, die man nicht kennt. „Zeltfeste“, auf jeden Fall größer, aber man kennt trotzdem viele, und das macht zwischendurch auf jeden Fall auch mal Spaß.
Chrischi: Mir fällt zu „Wohnwagenparty“ direkt ein: Freunde treffen und ordentlich einen heben. Zu „Edeldisko“ fällt mir direkt das Deutsche Haus in Flensburg ein. Und zu „Zeltfest“ fällt mir direkt Koppelheck ein und Leute in Latzhosen, die Stress machen.