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„LANDWIRTSCHAFT IST LEIDENSCHAFT!“

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Lars (16) macht gerade seinen Realschulabschluss und arbeitet auf einem Bauernhof

Deine Schwester hat mir erzählt, dass du auf einem Bauernhof mithilfst. Wie kamst du dazu?

Landwirtschaft hat mich schon immer sehr interessiert. Schon seit ich drei Jahre alt war, war ich immer mit meinem Opa beim Landmaschinenhandel dabei. Dort haben wir uns Traktoren angeschaut. Auf einer Jugendfreizeit bei uns in der Nähe war ich Betreuer und hab mich da eben mit einem Kumpel drüber unterhalten. Dann kam eine Mutter von einem Kind und hat gemeint, dass sie einen Hof haben. Ich habe sie dann gefragt, ob ich mal kommen kann und mithelfen darf. Sie hat sofort Ja gesagt. Ich helfe da jetzt seit einem Jahr mit. Davor hab ich schon drei, vier Jahre im Schweinestall bei einem meiner Kumpels geholfen. Jetzt helfe ich vor allem im Kuhstall.

Verdienst du etwas oder hilfst du unentgeltlich?

Ich bekomme Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Das ist eher familiär: Du kommst dahin, wirst zum Geburtstag und auf Feste eingeladen, und wenn du sie sonst wo siehst, ist es immer schön und du unterhältst dich. Ich geh da jetzt nicht hin, weil ich Geld verdienen will, sondern weil es mir Spaß macht. Ich verdiene zwar kein Geld, aber dafür sammle ich viel Erfahrung und lerne sehr viel. Wenn mich was interessiert oder ich eine Frage habe, bekomme ich immer eine Antwort. Das ist mir persönlich viel mehr wert als Geld. Das ist einfach meine große Leidenschaft, und deshalb freut es mich, wenn ich an Wissen dazugewinne.

Wie oft hilfst du in der Woche?

Siebenmal die Woche, eigentlich wirklich jeden Tag. Heute war ich zum Beispiel nur zwei Stunden, weil ich danach noch Fahrschule hatte. Sonst bin ich jede freie Minute auf dem Hof und helfe mit. Aber schulische Dinge gehen schon vor, das sieht auch der Bauer so. Ich hab halt dann auch wegen den Prüfungen mit ihm geredet und da war er total verständnisvoll. Der sagt mir auch immer, wo es langgeht. Eigentlich wollte ich heute nicht gehen wegen der Fahrschule, aber er hat mich heute angerufen, dass er auf den Acker muss und dann gefragt, ob ich die Kühe in den Stall holen kann und alles zumachen kann, weil er weiß, dass ich das schon alleine kann. Dann war ich halt für zwei Stunden dort.

Was sind deine Aufgaben auf dem Hof?

Ich darf ab und zu Traktor fahren, das ist natürlich immer cool. Wir haben einen Melkroboter, also die Kühe werden automatisch gemolken. Dafür muss man dann die Kühe suchen, eintreiben und in den Stall holen. Die Kühe festbinden, wenn sie mal eine Spritze bekommen, gehört auch ab und an dazu. Bei den Kalbungen bin ich meistens dabei. Es sind so zwischen 80 und 120 Kalbungen im Jahr, je nachdem wie viele Kühe wir gerade im Stall stehen haben. Eine Kuh muss ja schwanger werden und ein Kälbchen bekommen, um Milch zu produzieren.

Wie viele Kühe habt ihr?

Circa 70 Melkkühe haben wir gerade. Das ist so ein Mittelmaß von der Größe her. Es gibt auch Betriebe, die haben 600, 800 oder sogar 1.000 Milchkühe. Wenn man auf die Alb fährt, ist das normal mit den 600 Kühen, da sind wir dann schon im Verhältnis relativ klein. Die Milchproduktion und der Verkauf ist das Hauptgeschäft des Hofes.

Achtet ihr auf ausreichend Platz für die Tiere?

Es ist schon so, dass bei uns nicht jede Kuh einen Liegeplatz hat. Das liegt daran, dass, wenn man alle Kühe gleichzeitig melkt ohne diesen Roboter, dann wäre es so, dass gleichzeitig alle Kühe fressen würden. Das ist vom Platz einfach nicht möglich. Bei der Milchmaschine ist das wie so ein Rundgang: Die fressen und werden dann gemolken. Die Tiere haben genügend Platz und genügend zu essen. Denen gehts super, die können alle rumspringen.

Du machst gerade deinen Realschulabschluss. Ist dir das Mithelfen auf dem Hof nicht allein schon deshalb manchmal zu viel?

Im Prinzip ist es mein Hobby. Landwirtschaft ist Leidenschaft. Bauer wird man nicht, Bauer ist man. Ich hab das halt schon immer sehr gemocht. Manche gehen ins Fitnessstudio und ich geh halt auf den Bauernhof. Andere spielen Tennis und haben da ihren Spaß dran, und ich hab halt meinen Spaß aufm Bauernhof. Schon früher habe ich meinen Nachbarn stundenlang beim Rasenmähen zugeschaut. Man hat mich dann zwei bis drei Stunden nicht gesehen und ich hab den Rasenmäher beobachtet. Da hat das schon ein bisschen angefangen mit der Begeisterung für die Maschinen und so.

Was genau fasziniert dich so am Bauernhof?

Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht so genau. Manche interessieren sich für Formel Eins und ich eben für die Landmaschinen und den Bauernhof.

Dann frag ich mal anders: Was war denn dein bisher schönstes Erlebnis auf dem Bauernhof?

Das schönste Erlebnis war, als ich das erste Mal bei einer Kalbsgeburt dabei war und es dem Kalb und der Mutter gut ging. Eine Kalbsgeburt, bei der alles gut verläuft und keine Komplikationen auftreten, macht mich und auch den Bauer im Allgemeinen sehr glücklich und froh.

Und dein schlimmstes Erlebnis?

Das war, als ich das erste Mal bei einer Totgeburt dabei war. Das war echt schlimm!

Könntest du dir vorstellen, nach deinem Schulabschluss einen landwirtschaftlichen Beruf zu erlernen?

Ich fange nach der Schule eine Ausbildung zum Land- und Baumaschinenmechatroniker an. Das heißt, ich repariere Land- und Baumaschinen, erst mal im Fachbereich Baumaschinen. Allerdings hat mein Auftraggeber Biogasanlangen. Jetzt direkt nach der Schule, wenn andere ihre Freizeit genießen, fange ich bei meinem zukünftigen Arbeitgeber an und werde wahrscheinlich bei der Ernte helfen und selbst fahren. Die Ausbildung geht dreieinhalb Jahre. Der Beruf ist sogar relativ weit verbreitet. Man lernt einfach alles: Elektronik, Hydraulik, Pneumatik. Man hat später gute Voraussetzungen und kann in jeden Bereich gehen, weil man echt alles draufhat und beigebracht bekommt.

Eine Ausbildung als Landwirt kommt für dich nicht infrage?

Das Interesse für die Maschinen, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, überwiegt bei mir. Ich finde es spannend zu lernen, wie die Maschinen funktionieren und wie ich sie reparieren kann. Ich finde auch, dass man sich durch die Ausbildung zum Land- und Baumaschinenmechatroniker seine Zukunft noch mehr offenhalten kann. Man hat später viel mehr Möglichkeiten, als – in Anführungszeichen gesprochen – nur als Landwirt zu arbeiten. Trotzdem möchte ich das Arbeiten mit den Tieren nicht ganz aufgeben, auch das macht mir Spaß. Ich denke, ich werde in Zukunft genug Möglichkeiten haben, auf befreundeten Höfen mitzuhelfen.

Hast du manchmal, zum Beispiel in der Schule, auch schon mal mit Hänseleien zu kämpfen, weil du – wenigstens hobbymäßig – Bauer bist?

Ja, oft genug. Im Prinzip bin ich ja kein Bauer, es wird immer nur so dargestellt. Okay, wenn man siebenmal die Woche auf dem Bauernhof verbringt, sagen manche Leute, du bist einer … Wie man’s nimmt. [lacht] Wenn man seine Meinung zu irgendwas sagt, wird halt dann oft gesagt: „Halts Maul, du Bauer!“ Aber das kann man wegstecken: ins eine Ohr rein, aus dem anderen raus.

Könntest du dir vorstellen, später mal in eine Stadt zu ziehen?

Nein, kann ich mir nicht. Wir haben hier einen Rewe und eine Tankstelle vor der Haustüre. Also ich muss jetzt keine halbe Stunde fahren, um in eine Stadt mit Zivilisation zu kommen. Hier kannst du mit dem Fahrrad in das nächste Dorf fahren und deinen Kumpel besuchen. Du kannst zum Nachbarn gehen und wenn du was brauchst, zum Beispiel einen Kanister Sprit für den Rasenmäher, kann man immer fragen. In der Stadt würde dich jeder dumm anschauen. In der Stadt hat man erstens keinen Rasen und zweitens erst recht keinen Kanister Sprit. Man kennt die Nachbarn nicht wirklich. Hier ist alles viel vertrauter und heimischer.

Hast du denn die Erfahrung gemacht, dass einige deiner Kumpels in die Stadt ziehen wollen, weg vom Dorf?

Ich hab halt eher was mit den Landwirten zu tun, und bei denen ist das nicht so. Die verdienen ja hier auf dem Land ihren Lebensunterhalt, in der Stadt ist das etwas schwierig. Ich höre schon von manchen, dass die in die Stadt ziehen wollen. Das verstehe ich aber nicht, da ist doch alles so eng und groß. Es gibt doch nichts Besseres, als mit dem Traktor auf Umzug zu fahren. Ich meine, dass ich und meine Freunde mit Traktoren durch die Gegend fahren und halt chillen. Nichts Besonderes, machen wir einfach aus Spaß.

Kannst du mir den Hof ein bisschen beschreiben? Habt ihr noch andere Tiere?

Spinnen, Mäuse, Kälbchen [lacht], Hühner … Hab ich mir immer gewünscht. Schau auf Google Maps! Nein, Spaß! [lacht] Zu Weihnachten wünsch ich mir Hühner. [schmunzelt] Wir haben einen Frischmilchautomaten. Da können die Dorfleute kommen, einen Euro einwerfen und sich dann einen Liter Milch abfüllen. Daneben steht ein Eierautomat von einem Biobauern aus der Region. Kaum zu übersehen sind der Kuhstall und die Güllegrube. Die Wege sind sehr eng, und man muss deshalb immer aufpassen, dass man sich die Spiegel nicht abfährt. Der Hof ist nicht so groß, ist halt mitten im Dorf drin. Wir haben so schätzungsweise zwischen 70 und 120 Hektar. Die Bauernfamilie hat auch YouTube-Interviews auf der Braunviehschau gemacht, wo auch Kühe bewertet werden: das Becken der Kühe und die Euter. Also auf den Schauen geht es immer echt ab, da sind immer ein Haufen Leute. Da kommen alle mit ihren Kühen und irgend so ein Schweizer bewertet die Tiere. [lacht] Ich hab auch noch zwei Videos auf YouTube, „Agrarvideos Oberschwaben“, so nennt sich der Kanal. [https://www.youtube.com/watch?v=pcISkM7PeLU]

Was bedeutet Heimat für dich?

Wenn ich vom Urlaub komme und merk: Ach, jetzt bin ich wieder zu Hause. Wenn dir deine Leute entgegenkommen und dich grüßen: Freunde, Familie und die Kühe. Ich habe auch meiner Schwester geschrieben, dass ich meine Kühe vermisse, als wir auf dem Rückweg von einer Woche Gardasee-Urlaub waren. Da bekomm ich schon echt Entzugserscheinungen. Es fehlt der normale Tagesablauf: Abends gehts in den Stall, dann gibts Essen und man geht dann heim. Das fehlt halt schon.

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