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3. Christus allein

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In der lukanischen Apostelgeschichte findet sich ein steiler Satz, der für heutige Ohren in einer Zeit der religiösen Toleranz und Pluralität, aber auch der religiösen Indifferenz äußerst anstößig klingt. Petrus und Johannes sind vor dem Hohen Rat angeklagt. In seiner Verteidigungsrede sagt Petrus über Christus: «In keinem anderen ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden» (Apg 4, 12).27 Diese kühne Aussage liest sich wie ein Echo auf die einschlägigen Aussagen des Apostels Paulus in Phil 2, 9–11 und Röm 10, 9.

Martin Luther und die Reformation haben diese Aussagen auf die knappe Formel «solus Christus – Christus allein» gebracht. Beim frühen Luther hat diese Formel allerdings noch nicht jene kirchenkritische Bedeutung, die sie nach seiner reformatorischen Wende annimmt.28 Dass allein in Christus das Heil zu finden ist, ist für sich genommen ebenso eine gut katholische Formel wie das «sola gratia – allein aus Gnade.» Seine reformatorische Zuspitzung und damit zugleich seine Abgrenzung von der spätmittelalterlichen katholischen Gnadenlehre erfährt das solus Christus nach der reformatorischen Wende freilich durch seine Verknüpfung mit dem «Sola fide – allein durch den Glauben» in Verbindung mit dem sola gratia und dem sola scriptura. |74|

In gewisser Weise wird das genannte Geviert von Exklusivpartikeln durch die Formel «Gott allein» gebündelt.29 Eine derart radikale Sicht der alleinigen Heilswirksamkeit Jesu Christi scheint sich mit der heutigen Forderung nach Toleranz, zumal im interreligiösen Dialog, schlecht zu vertragen. Kann diese biblische Aussage auch heute noch theologische Geltung beanspruchen? Oder ist sie im Rahmen einer Theologie der Religionen abzuschwächen? Es sei betont, dass es sich bei dieser Frage um eine gemeinsame ökumenische Herausforderung handelt und nicht nur um ein Problem einer evangelischen Theologie der Religionen.30

In kritischer Abgrenzung von heutigen Konzeptionen einer Theologie, die Religion zu ihrem Leitbegriff erklärt und von der gelebten Religion in ihrer Vielfalt ausgehen möchte, sei hier die These vertreten, dass es beim christlichen Glauben nicht um Religion oder Spiritualität geht, sondern um Gott. Das Evangelium verspricht nicht «kleine Transzendenzen», die man im Urlaub oder im Fußballstadion erleben kann, sondern antwortet auf die Frage, was mein einziger Trost im Leben und im Sterben ist, wie es der reformierte Heidelberger Katechismus (1563) ausdrückt. Und das drängende Problem der Kirchen ist nicht der Mangel an irgendwelcher Spiritualität, sondern die Sprachnot des Glaubens, die sich in einer bisweilen erschreckenden Banalisierung christlicher Glaubensinhalte zeigt, die mit Recht als Selbstsäkularisierung der Kirche kritisiert wird.31 Die Respiritualisierung, die manche als Antwort auf die Krise der Kirchen empfehlen, ist in Wahrheit keine Alternative, sondern leistet solcher Selbstsäkularisierung möglicherweise nur weiteren Vorschub.

Zwar kann auf den Religionsbegriff theologisch nicht verzichtet werden, doch ist zunächst zwischen Religion und Gottesglauben zu unterscheiden. Auch ist zwischen der Frage nach Gott und der Frage nach Sinn zu unterscheiden. Nicht jeder, der nach dem Sinn des Lebens fragt, fragt darum schon nach Gott. Wer heute im biblischen Sinne von Gott reden will, kann nicht davon ausgehen, dass immer schon nach ihm gefragt wird. Der Anknüpfungspunkt einer vorgängigen Gottesfrage ist keineswegs selbstverständlich und unausweichlich. Darum hängt die |75| Möglichkeit, von Gott zu reden, nicht von der Frage nach ihm ab, sondern von der Erinnerungsspur der biblisch bezeugten Gottesoffenbarung.

Die Frage nach Gott kann heute nur gestellt werden, weil vor uns Menschen von Gott geredet und sein Wirken bezeugt haben. Die neutestamentlichen Texte aber tun dies so, dass sie zugleich von Jesus Christus sprechen. Von Jesus wiederum lässt sich angemessen nur sprechen, wenn im Blick auf seine Person und sein Leben zugleich von Gott gesprochen wird, so dass der Sinn seines Lebens im Horizont Gottes offenbar wird, wie umgekehrt das Wort «Gott» erst in Verbindung mit dem Leben Jesu seine letztgültige Bedeutung gewinnt. Das Geschick Jesu macht offenbar, dass das Wesen Gottes Liebe ist.32 Worin aber die Liebe besteht, die Gott ist, lässt sich nur im Verweis auf den Lebensweg Jesu bestimmen. So gewinnt das Wort «Gott» seinen christlichen Sinn, indem Gott und Jesus zusammengesprochen werden. Gott und Jesus von Nazareth aber lassen sich nur so zusammensprechen, dass vom alttestamentlich bezeugten Gott Israels als dem Vater, von Jesus als dem Sohn und vom Heiligen Geist, mit anderen Worten: dass von Gott trinitarisch gesprochen wird.33

In diesem Sinne sehe ich die Kirchen gefordert, das Profil des Christlichen zu schärfen. Christlicher Glaube unterscheidet sich von allen sonstigen Formen von Religion durch das Bekenntnis zu Jesus Christus als Heilsbringer. Eben darum wurden und werden die an ihn Glaubenden Christen genannt. Dieses Bekenntnis aber schließt den Glauben an den von Jesus verkündigten Gott ein, der wiederum der Gott Israels ist. Dennoch: Nicht eine vage Gottoffenheit, sondern das Christusbekenntnis ist der entscheidende «Marker», an dem das Label «Christentum» auf dem Markt der religiösen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten erkannt wird. Von hier aus ist die Identität von Glaube und Kirche zu bestimmen.

500 Jahre Reformation: Bedeutung und Herausforderungen

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