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1.4 Körperliche Erkrankungen und Multimorbidität

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Bei Menschen mit geistiger Behinderung wird unterschieden zwischen Symptomen und Erkrankungen, die auf die Ursachen der geistigen Behinderung zurückzuführen sind – angeborene Schäden und Missbildungen – und den für das Alter typischen entzündlichen und degenerativen Erkrankungen, die genauso wie in der Gesamtbevölkerung auftreten. Alternsprozesse können angeborene Störungen überlagern.

Multimorbidität tritt in der Gesamtbevölkerung im höheren Lebensalter auf. Barnett et al. (2012) definieren Multimorbidität als das gleichzeitige Vorliegen von zwei oder mehr Erkrankungen. In ihrer Arbeit analysieren sie Daten von Patienten aus der Gesamtbevölkerung aller Altersgruppen. Die Autoren differenzieren zwischen Multimorbidität körperlicher Erkrankungen einerseits und andererseits einer Kombination von mehr als zwei Erkrankungen sowohl im körperlichen als auch im psychischen Bereich. In der Gesamtstichprobe tritt Multimorbidität in 23,2 % auf, 8,3 % der Stichprobe zeigen eine Kombination von körperlichen und psychischen Erkrankungen. Mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der multimorbiden Bevölkerung. Abb. 4 stellt die Ergebnisse dar.

Die Autoren haben sozioökonomische Aspekte in ihre Analysen einbezogen. Die Ergebnisse zeigen, dass Multimorbidität bei niedrigem sozioökonomischem Status 10 bis 15 Jahre früher auftritt. Die Prävalenz von kombinierter körperlicher und psychischer Multimorbidität liegt bei der Personengruppe mit niedrigem sozioökonomischem Status im Durchschnitt bei 11 %, bei hohem sozioökonomischen Satus dagegen bei nur 5,9 %. Das Risiko, an einer


Abb. 4: Multimorbidität körperlicher Erkrankungen und Multimorbidität körperlicher und psychischer Erkrankungen in der Gesamtbevölkerung nach Alter (Barnett et al. 2012)

psychischen Störung zu erkranken, steigt mit der Anzahl körperlicher Erkrankungen und ist bei eingeschränkten Lebensumständen deutlich erhöht.

Multimorbidität tritt bei geistig behinderten Menschen häufiger auf als in der Gesamtbevölkerung. Kinnear et al. (2018) untersuchten 1023 geistig behinderte Menschen im Alter von 16 bis 83 Jahren, das Durchschnittsalter lag bei 43,9 Jahren. 45,1 % der Studienteilnehmer waren weiblich und 54,9 % männlich, 18,2 % zeigten ein Down-Syndrom.

Zwei oder mehr Diagnosen wurden bei 98,7 % der Stichprobe erhoben. Diese hohe Prävalenz bedeutet, dass Multimorbidität bei Menschen mit geistiger Behinderung über den gesamten Lebenslauf zu beobachten ist. Im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung findet sich keine wesentliche Zunahme im höheren Lebensalter. Die Anzahl der Diagnosen nimmt mit dem Schweregrad der geistigen Behinderung zu. In der Altersgruppe der 16- bis 24-jährigen Männer mit unterschiedlichem Schweregrad wurden 8 bis 12 Diagnosen gestellt, bei Frauen derselben Altersgruppe waren es 8 bis 13. In der Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren wurden bei Männern 9 bis 12 Diagnosen dokumentiert, bei Frauen waren es 12 bis 14.

Die häufigsten Diagnosen bei Menschen mit geistiger Behinderung mit oder ohne Down Syndrom wurden von Kinnear et al. (2018) erhoben, die Ergebnisse zeigt Tabelle 1.

Die Diagnosen treten bei Menschen mit geistiger Behinderung mit und ohne Down-Syndrom nicht mit gleicher Häufigkeit auf, da die Ursachen der geistigen Behinderung bei beiden Gruppen jeweils grundsätzlich andere sind. Während das Down-Syndrom auf eine Fehlverteilung der Chromosomen zurückzuführen ist, die zu einer Trisomie des Chromosoms 21 führt, gibt es viele unterschiedliche Ursachen für die Entstehung einer geistigen Behinderung ohne Down-Syndrom, wie beispielweise chromosomale Anomalien (in 20 %), intrauterine Intoxikationen (Alkohol, Drogen), Malnutrition, intrauterine Infektionen, perinatale Infektionen, Geburtskomplikationen (intrazerebrale Blutungen) oder Stoffwechselstörungen (Hypothyreose, Phenylketonurie).

Tab. 1: Häufige Diagnosen bei Menschen mit geistiger Behinderung mit und ohne Down-Syndrom (Kinnear et al. 2018)


DiagnoseMenschen mit geistiger Behinderung ohne Down-Syndrom (N = 837)Menschen mit Down-Syndrom (N = 186)

Neurologische Symptome wie Epilepsie, Ataxie, Gangstörung oder Zerebralparese treten deutlich häufiger bei Menschen mit geistiger Behinderung ohne Down-Syndrom auf, während Erkrankungen der Haut wie Verdickung der Haut, Trockenheit der Haut, Störung der Nägel als Hautanhangsgebilde, Pilzinfektionen, Dermatitiden und Ekzeme häufiger bei Menschen mit Down-Syndrom auftreten. Einschränkungen der Sehfähigkeit sind in beiden Personengruppen in fast der Hälfte der Fälle vorhanden, Einschränkungen der Hörfähigkeit sind bei Menschen mit Down-Syndrom mit fast 40 % deutlich häufiger als bei Menschen mit geistiger Behinderung ohne Down-Syndrom, die nur etwa zu einem Viertel betroffen sind.

Das Erkrankungsrisiko einiger Organsysteme ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bei Menschen mit geistiger Behinderung erhöht, dazu gehören die Sinnesorgane, die Schilddrüse, die Haut, das Herz-Kreislaufsystem und die Atemwege, sowie die Verdauungsorgane.

Betreuung und Pflege geistig behinderter und chronisch psychisch kranker Menschen im Alter

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