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Fallbeispiel: Axiom 5
ОглавлениеEin Klient sagt zu seinem Berater: »Beim letzten Termin haben Sie gesagt, dass Sie es toll finden würden, dass ich wieder mit meinen Freunden zum Fußball unter die Leute gehe. Ich glaube, Sie sind auch ein Fan von der Borussia. Ich finde, wir sollten beim nächsten Spiel zusammen dort hingehen.« Berater: »Ja, in der Tat finde ich es klasse, dass Sie sich wieder unter die Leute trauen. Da haben Sie so einen richtigen Sprung nach vorne gemacht. Weiter so! Es geht Ihnen richtig gut damit und am liebsten möchten Sie, dass ich dabei bin. Ich freue mich, dass Sie sich hier in der Beratung so gut aufgehoben fühlen, ich denke, wir arbeiten hier sehr gut zusammen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Ihr Angebot nicht annehmen kann, denn ich verabrede mich nie privat mit Klienten.« Klient: »Ja, stimmt, das macht ja auch kein Arzt.«
Schulz von Thun (2005a) baut auf den Axiomen von Watzlawick et al. (1980) auf und postuliert, dass jede Nachricht, die ein Sender bewusst oder unbewusst einem Empfänger zuteilwerden lassen möchte, zugleich vier Aspekte bzw. Seiten eines ›Nachrichtenquadrates‹ impliziert. Die ersten beiden knüpfen direkt an das 2. Axiom von Watzlawick et al. (1980) an und unterscheiden den Sachinhalt (das, worüber gesprochen wird) von dem Beziehungsaspekt (das, was man von seinem Gegenüber hält). Darüber hinaus macht der Sender auch noch eine Selbstoffenbarung (das, was er von sich selber preisgibt) und richtet einen möglichen Appell (das, wozu man sein Gegenüber veranlassen möchte) an den Empfänger. Der Empfänger wiederum hat ebenso vier Möglichkeiten, die Botschaft zu entschlüsseln. Schulz von Thun (2005a) symbolisiert diese durch ein ›Vier-Ohren-Modell‹, mit dem der Empfänger für sich vier Fragen zu klären sucht. Auf dem ›Sach-Ohr‹ geht es um die Frage, wie der Sachverhalt zu verstehen ist, während das ›Beziehungs-Ohr‹ die Botschaft danach abklopft, was der Sender von ihm hält bzw. wie er ihn behandelt. Demgegenüber konzentriert sich das ›Selbstoffenbarungs-Ohr‹ darauf, was die Nachricht über den Sender aussagt und schließlich klärt der Empfänger mit dem ›Appell-Ohr‹ für sich ab, wozu der Sender ihn auffordern möchte. Die Komplexität menschlicher Kommunikation wird besonders deutlich, wenn man das ›Nachrichtenquadrat‹ und das ›Vier-Ohren-Modell‹ in eine zweidimensionale Matrix überträgt ( Tab. 3.1). Lediglich bei vier der 16 möglichen Kombinationen gibt es eine Symmetrie zwischen dem Sender und dem Empfänger, die Ebene, die der Sender intendiert, wird auch vom Empfänger aufgegriffen. Wenn z. B. der Sender die Beziehungsebene anspricht, dann konzentriert sich der Empfänger ebenfalls auf die Beziehungsebene, unabhängig davon, dass immer auch auf den anderen Ebenen gesendet und empfangen wird.
Tab. 3.1: Sender-Empfänger-Matrix über die Aspekte menschlicher Kommunikation
Sender: ›Nachrichten-quadrat‹Empfänger: ›Vier-Ohren‹
Eigene Darstellung
Wie im Alltagsleben ergibt sich aus dieser Matrix auch für die Gestaltung einer professionellen Beziehung in der psychosozialen Beratung eine äußerst komplexe Kommunikationssituation, die erklärt, warum es zwischen Berater und Klientin zu unterschiedlichen Bewertungen des Beratungsprozesses kommen kann. Selbst wenn der Empfänger die Botschaft mit dem ›Ohr‹ empfängt, das der Sender auch erreichen möchte (z. B. Sachinhalt und ›Sach-Ohr‹), ist eine Filterung der Nachricht durch den Empfänger bis hin zu einem Missverständnis nicht ausgeschlossen. Ausgeprägte Kommunikationsprobleme sind jedoch wahrscheinlich, wenn der Empfänger immer nur auf einem ›Ohr‹ hört oder auf einem bestimmten ›Ohr‹ eine überzogene Sensibilität entwickelt hat. So kann z. B. der Berater den Wunsch haben, einer Klientin eine Information zu geben, während die Klientin diesen Sachinhalt ausschließlich auf der Beziehungsebene so deutet, dass der Berater sie belehren möchte. Die Gestaltung einer professionellen Beziehung hängt nun davon ab, wie gut der Berater in der Lage ist, klare Botschaften zu senden, zu antizipieren, ob die Klientin vielleicht eine gewisse Präferenz für ein bestimmtes ›Ohr‹ hat und Missverständnisse durch die Asymmetrie zwischen der Nachricht und dem ›Empfängerohr‹ klären kann.