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4Freundlichkeit Carolin Lüdemann

„Es ist nett, wichtig zu sein. Aber noch wichtiger ist es, nett zu sein.“ (Roger Federer)

Wann sprechen wir von Freundlichkeit? Wird die Antwort zunächst einmal sozialpsychologisch betrachtet, müsste sie heißen:

Als Freundlichkeit bezeichnet man das anerkennende, respektvolle und wohlwollende Verhalten eines Menschen, aber auch seine innere wohlwollende Geneigtheit gegenüber seinem sozialen Umfeld.

Was sich im ersten Moment etwas sperrig anhört, birgt Wichtiges: Es begegnet derjenige seinen Mitmenschen freundlich, der sich ihnen gegenüber in Außenwirkung wertschätzend und aufmerksam verhält. Diese Definition überrascht die meisten Menschen vermutlich nicht. Doch für wahrhafte Freundlichkeit braucht es noch mehr: Das nette Auftreten muss nämlich auch einer entsprechenden inneren Haltung entspringen und darf zum Beispiel nicht nur vorgespielt werden. Wir brauchen also beides: das sympathische Auftreten und auch das innere Wohlwollen gegenüber unseren Mitmenschen. Erst dann ist unsere Freundlichkeit echt und authentisch.

Es bedeutet aber auch, dass man noch so viele Mitarbeiter in ihrem Auftreten gegenüber Patienten und Kunden schulen kann, sie über einen freundlichen Sprachgebrauch und höfliche Umgangsformen informieren kann; was es wirklich braucht, sind Mitarbeiter die innerliche Freundlichkeit besitzen. Alles andere würde auch der Patient alsbald bemerken, weil es einfach an Authentizität und damit auch an Glaubwürdigkeit fehlen würde.

Freundlichkeit und Wertschätzung wird im Umgang mit den Kunden anerkannt, wenn auch nicht immer optimal umgesetzt – im Umgang mit dem Patienten erfährt er manches Mal noch untergeordnete Bedeutung. Aus eigener Erfahrung muss ich bilanzieren, dass es als Patient keineswegs an der Tagesordnung ist, sich als „König Kunde“ zu fühlen. Vielmehr kommt man sich oftmals als Bittsteller vor, der ganz selbstverständlich auch einige Nachteile in Kauf nehmen muss:

lange Wartezeiten im Wartezimmer,

wenig Diskretion am Empfang,

mangelndes Feingefühl im Umgang mit dem Anliegen des Patienten,

ein gehetzter Arzt und

verwirrende Diagnosen, die nicht in die Sprache des Patienten übersetzt werden.

Womöglich mit Folgen, die nicht zu unterschätzen sind: Zieht man parallele Fälle aus der Arbeitswelt zu Rate, wird deutlich, dass der (freundliche und höfliche) Umgang mit dem Kunden manches Mal ein unterschätztes Phänomen ist. Allzu oft höre ich die Theorie, dass zunächst einmal Fachkompetenz entscheidend ist und sich alles andere hinten anstellen müsste.

Dabei wird übersehen, dass der Kunde fachliche Kompetenz meist nicht vollumfänglich beurteilen und bewerten kann und das schon gar nicht im prägenden ersten Eindruck. Infolgedessen spielt es für den Kunden eine umso größere Rolle, ob ihn sein Gegenüber bereits zum frühen Zeitpunkt als Person überzeugen kann – oder eben nicht. Großes Vertrauen in die Person bringt dann wiederum Vertrauen in die Sache und damit auch in die fachliche Kompetenz mit sich.

Darüber hinaus zeigt sich, dass es meist nicht gelingt, den Kunden dauerhaft zu binden, wenn es an der persönliche Beziehung und Bindung fehlt. Und dafür ist ein freundliches Miteinander unerlässlich. Kunden sind heutzutage wechselwilliger als je zuvor: Zum einen wird der persönliche Kontakt zum Kunden im Wege der Digitalisierung seltener – Bankkunden beispielsweise suchen ihre Filiale heutzutage deutlich seltener auf als das in früheren Zeiten der Fall gewesen ist: Überweisungsaufträge werden schon lange nicht mehr persönlich überreicht, das Online-Banking macht anonymes Agieren möglich und der Kontakt zum Kundenberater wird immer seltener. Folglich nimmt auch die persönliche Bindung zwischen Bank und Kunde stetig ab. Zum zweiten sind die Kunden heute so gut informiert wie nie zuvor: Dank der Digitalisierung ist es einfach herauszufinden, was andere Banken bzw. Dienstleister anzubieten haben. Schnell findet sich dann ein Angebot, das noch interessanter klingt und zum Wechseln einlädt.

Dieses Szenario lässt sich ohne weiteres auf andere Branchen übertragen: Durch die wachsende Digitalisierung nehmen die persönlichen Kundenkontakte ab und die Beziehung zum Kunden lässt nach. Gleichzeitig wächst der Wunsch des Kunden nach „echten“ Beziehungen, gerade weil sie nicht mehr selbstverständlich sind. Wenn dann „endlich“ einmal wieder ein persönlicher Kontakt stattfindet, muss der auch den Anforderungen gewachsen sein. Findet nun eine unfreundliche Begegnung und ein Service, der zu wünschen lässt, statt ist der Kunde – und wohl auch der Patient – selbstständig genug, um woanders sein Glück zu suchen. Die früher selbstverständliche Bindung zu mitunter langjährigen Geschäftspartnern ist damit in keinem Bereich eine Selbstverständlichkeit.

Ziehen wir einen weiteren Aspekt in unsere Überlegungen ein: Der Patient ist heute insbesondere in der Lage, seine guten wie auch schlechten Erfahrungen mit hunderten oder sogar tausenden Lesern zu teilen – über die sozialen Netzwerke. Früher konnte man den Nachbarn oder engen Freunden erzählen, ob man mit der medizinischen Behandlung zufrieden war. Heute teilt man seine Meinung anonym mit einer unbegrenzten Empfängerschaft. Es gibt Ärzte mit 5-Sterne-Bewertungen und andere, die über einen Stern nicht hinaus kommen. Liest man sich diese Bewertungen durch, sieht man, dass selbstverständlich eine wesentliche Fragestellung ist, ob das Anliegen bzw. die Beschwerden gelöst oder zumindest verbessert werden konnten. In den meisten Feedbacks geht es aber auch um andere Dinge: Hat sich der Arzt Zeit für mich genommen, ist er mir aufmerksam und freundlich begegnet, hat er mir als Laie alle gut erklärt etc. Mehr denn je, wirkt der Patient also als Kommunikator nach außen – auch das sollten wir nicht unterschätzen.

In den meisten Unternehmen ist das Bewusstsein angekommen, dass der beste Service gerade gut genug ist um die bestehenden Kunden zu halten bzw. zu gewinnen. Und dass freundliche, zuvorkommende und wertschätzende Mitarbeiter dafür Grundvoraussetzung sind. Interessanterweise sind es oft gerade Unternehmen, die im Wege der Digitalisierung geboren und Daseinsberechtigung erfahren haben, die mit exzellentem Service von sich reden lassen: Wer sich an den Kundenservice von Amazon wendet, bekommt innerhalb von wenigen Stunden, manchmal auch Minuten, eine Antwort. Bei Zalando gibt es ein 100-tägiges Rückgaberecht. Ein Service, der verwöhnt und Ansprüche steigen lässt. Ruft der Patient dann wenige Augenblicke später bei seinem Arzt an, hängt er in der telefonischen Warteschleife, mitunter geht 15 Minuten vor der Mittagspause gar niemand mehr ans Telefon. In Corona-Zeiten erlebt man Ärzte, die ihre Wartezimmer mit System bei Wind und Wetter auf die städtischen Gehwege ausgeweitet haben und wenn man es dann endlich (telefonisch oder persönlich) geschafft hat, zur Anmeldung durchzudringen, muss man sich oft noch mit gleichgültiger Unfreundlichkeit abfinden.

Wenn es nun in vielen Fällen nicht selbstverständlich ist, dem Patienten freundlich zu begegnen, kann man auch festhalten: Umso leichter könnte es werden, sich von den negativen Beispielen abzuheben. Im Folgenden werden Tipps für mehr Freundlichkeit im Umgang mit seinen Mitmenschen und Patienten gegeben.

Das Gegenüber wahrnehmen. Ein Beispiel: Stellen wir uns vor, wir stehen an der Supermarktkasse und werden von der Kassiererin unverhofft mit Namen angesprochen. Einfach deshalb, weil sei sich unseren Namen vor ein paar Tagen beim letzten Einkauf gemerkt hat. Würden Sie das nicht auch freuen? Zumal Sie nicht zwingend damit gerechnet haben und es mit dem Namenmerken auch gar nicht so ganz einfach ist. Daher liegen solche positiven Überraschungen wohl nicht nur an einem guten Gedächtnis, sondern vor allem an dem Willen.

Nachhaltiges Interesse zeigen. Über das Nötigste hinaus: Kundenberater machen sich gern Notizen zu ihren Kunden. Wenn der Kunde erzählt, dass er gern in den Urlaub nach Mallorca fliegt oder zwei Kinder in der Grundschule hat, dann notiert sich das der Kundenberater nach dem Gespräch kurz. In der Folge kann er beim kommenden Treffen, noch Monate später, detailliert nachfragen und zeigen, dass er das Gespräch von damals noch in Erinnerung hat. Eine freudige Überraschung für den Kunden und eine Erleichterung für das Smalltalk-Gespräch, wenn man nicht noch einmal komplett von vorne beginnen muss. Dieser Mehraufwand ist meiner Meinung nach jedem zu empfehlen, der mit größeren zeitlichen Abständen auf Kunden oder Patienten trifft, die sich ihrerseits natürlich immer noch bestens erinnern können – umgekehrt wird das aufgrund der Vielzahl an Begegnungen und Gesprächen sonst manchmal schwierig.

Erwartungen übertreffen. Schlimm genug, wenn Erwartungen des Kunden in Form des Patienten nicht erfüllt werden. Das ist immer das Minimum: Die Erwartungen zu erfüllen um eine gute und vertrauensvolle Patientenbindung zu gewährleisten. Noch besser: die Erwartungen zu übertreffen. Eine Idee, die vielleicht nicht für jedermann umsetzbar ist, die jedoch den Grundgedanken zeigt: es gibt Mediziner, die ihren Patienten für Fälle in der Not ihre eigene Handynummer zur Verfügung stellen. Sicher nichts, was man als Patient erwarten kann – aber ein enormer Vertrauensbeweis und Zeichen höchster Anteilnahme und Engagements.

Freundlichkeit und Service. Meiner Meinung nach ist es höchste Zeit, dass die Relevanz von Freundlichkeit und Service auch im Gesundheitswesen ankommt. Wenn Kunden- und Patientenkontakte (wie oben beschreiben) abnehmen, Kunden und Patienten besser informiert sind als je zuvor, ihre Meinungen in den sozialen Medien zigfach teilen können und auch wechselwilliger sind als je zuvor, bleibt und ist der Schlüssel zum Patienten Freundlichkeit und Service. Wenn es um das wichtigste Gut – die Gesundheit – geht, möchte man sich einfach gut aufgehoben fühlen.


Carolin Lüdemann

Carolin Lüdemann ist Juristin, ausgebildeter Business-Coach und mehrfache Buchautorin. Sie hilft Menschen und Unternehmen dabei, souverän aufzutreten, besser zu wirken und mehr zu erreichen.

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