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5.2 Ebenen und Situationen der Gelassenheit

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Gelassenheit ist im Arbeitsalltag einer Führungskraft auf zwei Ebenen relevant: auf der Ebene der einzelnen Führungskraft im individuellen Selbstmanagement sowie interaktiv in der Führung des Teams und Zusammenarbeit mit dem Kollegium.

Im Selbstmanagement dient Gelassenheit als Grundlage für eine langfristige Arbeitsfähigkeit und einen gesunden Selbsterhalt, zur Vermeidung von Burn-Out und anderen psychischen wie auch physischen Erkrankungen und als wichtiges Element in der Steigerung der eigenen Zufriedenheit. Hier geht es insbesondere um die Fähigkeit, auch bei hoher Arbeitsbelastung, vielen Aufgaben und Stressoren reflektiert und entscheidungsfähig zu bleiben und die richtigen Prioritäten in der eigenen Arbeit zu setzen. Zugleich ist Gelassenheit im Selbstmanagement damit auch wesentliche Voraussetzung für Gelassenheit in der Interaktion mit Mitarbeitenden und in Teams – und damit für die Wirksamkeit als Manager.

In der Interaktion mit Mitarbeitern und im Team zeichnet sich Gelassenheit bei Führungskräften durch reflektierte, nicht-affektive und konstruktive Kommunikation aus (sowohl non-verbal als auch verbal), welche zielorientiert bleibt und die anderen Teammitglieder wertschätzend einbindet. Wichtig ist dabei auch die Lösungsorientierung und nicht das Reagieren auf eine Emotion mit Konsequenzen für die Teamebene. Basisbildend ist dabei die Vorbildfunktion im Team und Kollegium: denn das Verhalten einer Führungskraft wirkt sich immer auf ihr gesamtes Team aus und spiegelt sich in Einstellung und Verhalten der Mitarbeitenden wider.

Drei besondere Punkte im Zusammenhang mit Gelassenheit von Führungskräften in Interaktionen mit Anderen scheinen in diesem Kontext besonders wichtig:

1.Häufig begegnet man noch der impliziten Erwartungshaltung, dass nur ein auch nach außen hin sichtlich gestresster Manager besonders wichtig und erfolgreich ist. Die eigene Bedeutung scheint mit dem Level an Stress zu korrelieren. Wirksamkeit als Manager ist allerdings meist genau das Gegenteil. Ein Manager, der gelassen und ruhig bleibt, Entscheidungen nachvollziehbar trifft und transparent kommuniziert statt sie auszusitzen und Vertrauen, Respekt und Wertschätzung ins Team spiegelt, ist langfristig wirkungsvoll und erfolgreich – wie auch sein Team innerhalb der Gesamtorganisation.

2.Damit zusammenhängend scheint sich immer noch das Klischee zu halten, ein guter und erfolgreicher Chef müsse unberechenbar und durch seine Härte unbeliebt sein (dürfen). Das Zerrbild des cholerischen, aber genialen Chefarztes mag hier eine Blaupause sein. Auch hier ist das Gegenteil der Fall. Erfolgreiche und wirksame Manager sind für ihre Teammitglieder berechenbar, da sie ihre Erwartungen, Ansprüche und Werte klar kommunizieren und vorleben. Unberechenbarkeit und cholerisches Verhalten sind ein Ausdruck fehlender Selbstkontrolle und mangelndem Umgang mit eigenen Emotionen und einer wenig ausgeprägten Impulskontrolle ohne Sinn für Konsequenzen.

3.Wenn es Führungskräften in kritischen, stressigen Situationen nicht gelingt, Gelassenheit zu zeigen, sondern sie gestresst, überfordert und cholerisch reagieren, zeigen sie ihren Mitarbeitenden, Co-Führungskräften und ggf. auch externen Gesprächs- und Verhandlungspartnern ihre „Trigger-Punkte“. Damit machen sie sich zum einen angreifbar und in gewisser Weise auch manipulierbar. Zum anderen unterdrücken sie damit eine vertrauensvolle Kommunikation und das offene Ansprechen von Fehlern und Problemen. Derartig geführte Abteilungen weisen geringe Innovations- Weiterentwicklungs- und Veränderungsquoten und dafür umso höhere Fluktuationsquoten, Langzeitkrankmeldungen sowie Fälle von Mobbing und hohem Mediationsbedarf auf.

Das Selbstmanagement von Führungskräften und ihre Interaktionen in Teams haben Auswirkungen auf die gesamte Organisation. Instabile, destruktive Teams wirken sich insofern negativ auf die Gesamtorganisation aus, als dass sie mittelfristig durch fehlende Kooperation innerhalb der Gesamtorganisation, mangelnde Mitarbeiterbindung oder große Probleme in der Nachbesetzung von Stellen wirtschaftlichen Problemen begünstigen. Ein positiver, zukunftsorientierter und nachhaltiger Wandel der Gesamtorganisation gelingt nur mit konstruktiven, lösungsorientierten, offenen Teams und letztendlich Managern, die kommunikationszugewandte angstfreie Arbeitsumgebungen erzeugen.

Neben den Wirkungsebenen von Gelassenheit können zwei unterschiedliche Situationstypen unterschieden werden, in denen Gelassenheit wirken kann und die unterschiedliche Coping-Strategien ermöglichen: (1) unmittelbare Situationen und (2) mittelbare Situationen.

Eine unmittelbare Situation zeichnet sich dadurch aus, dass die Interaktion im „hier und jetzt“ stattfindet und einer Entscheidung oder Handlung bedarf, die nicht verschiebbar ist und der man nicht entkommen kann. Für das medizinische Personal kann es sich dabei beispielsweise um eine Notfallsituation im OP oder Schockraum handeln. Für den Manager einer Gesundheitseinrichtung kann es ein Meeting sein, in dem auf eine unerwartete Situation spontan reagiert werden muss. Gelassenheit zeigt sich in solchen Situationen durch überlegte, ruhige Kommunikation und lösungsorientierte Führung; fehlende Gelassenheit in negativ emotionalen Verhaltensweisen wie Augen verdrehen, verbalem Ausrasten und unangemessenem Tonfall. Die Auswirkung von Gelassenheit ist in solchen Situationen unmittelbar und wirkt direkt auf die anderen Teammitglieder, welche die Reaktion wahr- und aufnehmen. Durch den Bedarf gemeinsamer Handlungsweisen können Lösungen und Entscheidungen dadurch stagnieren.

Eine mittelbare Situation zeichnet sich dadurch aus, dass Entscheidungs- und Handlungskompetenzen nicht völlig unerwartet und sofort umgesetzt werden müssen. Meist sind Führungskräfte in solchen Situationen allein oder zumindest nicht direkt in Interaktionen. Es kann sich dabei um die Vorbereitung eines wichtigen Termins handeln, um das Treffen einer sehr wichtigen Entscheidung oder auch einfach um einen überfordernden Arbeitstag, in dem viele Themen parallel bearbeitet werden müssen und man das Gefühl hat, nicht zu wissen, wo man anfangen und wie das zu schaffen sein soll. In diesen mittelbaren Situationen hat man die Möglichkeit, „einen Schritt zurückzutreten“, die Situation zu reflektieren und angemessen zu reagieren.

Der Unterschied zwischen beiden Situationstypen liegt im unterschiedlich langen Spielraum zwischen der der Situationswahrnehmung und der Reaktion, den man sich für die Verarbeitung und Reaktionsauswahl einräumen kann.

„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ (Viktor Frankl)

In beiden Situationstypen ist es für Führungskräfte wichtig, die Situation und das eigene Erleben zu reflektieren, erste affektive Handlungsimpulse und Emotionen zu unterdrücken und zu einer konstruktiven, ziel- und lösungsorientierten Reaktion zu finden. Es geht – um bei den Worten von Viktor Frankl zu bleiben – darum, den Raum zwischen Reiz und Reaktion kontrolliert, sinnvoll und zielführend zu nutzen. Das gelingt in mittelbaren Situationen natürlich einfacher, da keine sofortige Reaktion notwendig ist. Hier hat die Führungskraft mehr Zeit, die Situation und das eigene Empfinden zu reflektieren, Affekte zu hinterfragen und Handlungsstrategien bewusst anzuwenden. In unmittelbaren Situationen müssen Impulskontrolle, Reflexion und zielführende Handlungsauswahl sofort erfolgen und daher erlernte und verinnerlichte Verhaltensweisen sein.

Wie können konkrete Handlungsstrategien entwickelt, gelernt und durch Reflexionstechniken verinnerlicht werden?

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