Читать книгу Wörterbuch alttestamentlicher Motive - Группа авторов - Страница 13

3.1 Literatur

Оглавление

Über einen weiten Zeitraum der Rezeptionsgeschichte wurden die alttestamentlichen Texte als göttlich inspirierte Werke verstanden, die überwiegend jenen Personen als Autoren zugeschrieben wurden, von denen sie handeln oder denen sie in der Überschrift des jeweiligen Werkes zugeschrieben wurden. Insbesondere galten die ersten fünf Bücher – genannt die „Tora“, der „Pentateuch“ bzw. die „Fünf Bücher Mose“ – als Werk des Mose. Die Prophetenbücher wurden durchgängig als Werk des jeweiligen Propheten angesehen. Diese Sicht wurde bereits im Talmud vertreten und von jüdischen, christlichen und auch islamischen Theologen geteilt, obwohl die Texte selbst teilweise handfeste Argumente gegen diese Autorschaft liefern: Am Ende der Tora wird der Tod des Mose berichtet. Das Buch Jesaja berichtet über Ereignisse, die so weit auseinander liegen, dass sie nicht in ein Menschenleben passen können. Die Tradition (Babylonischer Talmud, Traktat Baba batra 14b–15a) schrieb im Fall der Tora den Schluss des Werkes Josua, dem Nachfolger des Mose, zu (der nach derselben Tradition auch als Verfasser des Buches Josua gilt). Die große Zeitspanne, die das Jesajabuch überblickt, erklärte man mit der prophetischen Fähigkeit des Jesaja, in die Zukunft zu schauen. Jüdische Gelehrte des Mittelalters, wie Ibn Ezra (1089–1164) und Raschi (1040–1105), entdeckten bei ihrer akribischen Lektüre zwar eine ganze Reihe von Schwierigkeiten innerhalb der Texte, nahmen diese jedoch nicht zum Anlass, die vorausgesetzte Autorschaft zu hinterfragen. Erst Baruch Spinoza (1632–1677) wagte diesen Schritt (ROFÉ 2009, 162–176). Als Wendepunkt in der Auslegungsgeschichte der Texte des AT gilt eine Arbeit Jean Astrucs (1684–1766), dessen Deutung der unterschiedlichen Gottesbezeichnungen in den beiden Schöpfungsberichten (Gen 1–2,4a und 2,4b–3) als Geburtsstunde der historisch-kritischen Exegese des Ersten Testaments gilt. Mit diesem Einschnitt wendete sich die alttestamentliche Exegese von der Voraussetzung ab, die vorliegenden Texte seien jeweils das Produkt nur eines Autors. Vielmehr wird heute stets zumindest die Möglichkeit einer komplexen Textentstehung, die mehrere Autoren am Text beteiligt sieht, erwogen. Im Gefolge der Entdeckung Jean Astrucs bildete sich eine Vorstellung von der Entstehung des Pentateuchs heraus, die z.B. von Julius Wellhausen (1844–1918) formuliert wurde und schließlich als „Neuere Urkundenhypothese“ für ein paar Jahrzehnte eine Basistheorie der Auslegung der Texte des Pentateuch darstellte. Nach dieser Theorie in ihrer klassischen Form hat der Pentateuch vier Hauptquellen: Die „jahwistische“ Quelle (J) ist nach dieser Theorie etwa 1000 v. Chr. zu Beginn des antiken Staates Israel unter Salomo entstanden. Kurz darauf sei die „elohistische“ Quelle (E) entstanden. Das Deuteronomium, die Quelle „D“ wurde in Anlehnung an 2 Kön 22 als in der späten Königszeit entstanden gedacht. Die „priesterschriftliche“ Quelle (P), schloss in dieser Sicht einen literarischen Entwicklungsprozess ab, indem sie die anderen Quellen des Pentateuchs im babylonischen Exil in ein Gesamtwerk, nämlich den Pentateuch, integrierte. Zusammen mit dem „Deuteronomistischen Geschichtswerk“ (DtrG), den Büchern Josua bis 2. Könige – im jüdischen Kanon als „Vordere Propheten“ bezeichnet – bildet der Pentateuch eine durchlaufende Erzählung, die von der Erschaffung der Welt bis zum Untergang des Staates Juda mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels und dem Beginn des „babylonischen Exils“ reicht. In der Exegese unserer Tage ist die Grundannahme der historisch-kritischen Exegese, die Komplexität der Entstehungsgeschichte der Texte, unstrittig, doch wird von den ursprünglich angenommenen Quellen nur die „priesterschriftliche“ (P) noch relativ einmütig als Quelle – mit der traditionellen zeitlichen Einordnung – eingeschätzt. Auch die Sonderstellung des Buches Deuteronomium gegenüber den anderen Büchern und Quellen des Pentateuchs ist weitgehend unstrittig. Bei den übrigen „Quellenschriften“ der „Neueren Urkundenhypothese“ herrscht Uneinigkeit darüber, wann sie entstanden sind, welchen Umfang sie haben und ob sie überhaupt existieren.

Ähnlich wie bei den Texten des Pentateuchs ist auch bei den übrigen Texten des AT die Einheitlichkeit in Frage gestellt worden. Dabei sind die wichtigsten Ergebnisse in Bezug auf den Kanonteil der Propheten – die „Hinteren Propheten“ des jüdischen Kanons, die Bücher Jesaja bis Maleachi – zwar in ihren Grundlinien weitgehend unstrittig, nicht jedoch in den Details. Das Buch Jesaja enthält drei große Werke: die in ihrem Kern dem Propheten Jesaja zugeschriebenen Kapitel Jes 1–39, das Werk eines anonymen Propheten der frühen Perserzeit, genannt „Deuterojesaja“ (DtrJes), in Jes 40–55 und schließlich den Abschnitt Jes 56–66, in der Exegese „Tritojesaja“ (TrJes) genannt, eine Sammlung, deren Entstehen mit der Schlussredaktion des gesamten Jesajabuches in enger Beziehung steht. Auch die Endgestalt des Zwölfprophetenbuches – „Dodekapropheton“, die Bücher Hosea bis Maleachi – verdankt sich einem komplizierten literarischen Prozess, dessen Spuren in den einzelnen Prophetenschriften gesehen werden. In der Schrift Sacharja werden in analoger Weise zum Jesajabuch drei Teilbereiche unterschieden: (Proto-)Sacharja (Sach 1–8), Deuterosacharja (Sach 9–13; DtrSach) und Tritosacharja (Sach 14; TrSach). Große Teile des Kanonteils „Propheten“ gelten in ihrer Endgestalt als frühestens nachexilische Texte. Der Anspruch auf zumindest einen vorexilischen Kern wird bei den Schriften (Proto-)Jesaja, Hosea, Amos, Micha und in geringerem Maße auch bei Jeremia erhoben. Literaturgeschichtlich bedeutet das: Die große Zeit der Entstehung der Texte des AT beginnt mit dem Untergang des Staates Juda (der Staat „Israel“ war zu diesem Zeitpunkt schon untergegangen) und dem babylonischen Exil. Unter dem Druck der militärischen und politischen Katastrophe gelang es der Gemeinschaft der Judäer, sich auf der Grundlage ihrer Traditionen neu zu orientieren, die erfahrene Geschichte ihrem Deutungshorizont einzugliedern.

Neben der diachron orientierten Exegese, die die Texte hinsichtlich ihrer Entstehung in ihre mutmaßlichen Bestandteile zerlegt und diese vor ihrem je eigenen historischen Hintergrund zu verstehen trachtet – wobei gelegentlich sowohl die Datierung der Texte und deren Zuschnitt als auch die Rekonstruktion der Geschichte strittig ist –, hat die Exegese in den vergangenen Jahrzehnten auch Impulse aus der Methodendiskussion der Literaturwissenschaften vom russischen Formalismus bis hin zu postmodernen, poststrukturalistischen und dekonstruktivistischen Ansätzen aufgenommen. Literaturwissenschaftlich orientierte Exegeten stehen oftmals den Ergebnissen der historisch-kritischen Exegese nicht ablehnend gegenüber – sie teilen gewöhnlich zumindest die grundlegenden Annahmen dieser Auslegungstradition – lassen sie jedoch häufig unter Berufung auf die Möglichkeit einer Analyse der Letztgestalt des Textes außer Acht. Hinter diesem Vorgehen steht nicht selten eine gewisse Müdigkeit gegenüber der Diskussion zur diachronen Entwicklung der Texte, die in vielen Fällen nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt, sodass in der alttestamentlichen Exegese mancherorts die Klärung der Textgeschichte so viel Aufwand erfordert, dass sie die eigentliche Interpretation fast schon ersetzt. Diese problematische Situation – rein synchrone Interpretation auf der einen, eine weitgehende Beschränkung der Auslegung auf die Klärung der Textgeschichte auf der anderen Seite – verlangt nach einer Fortschreibung und Verbesserung der Methode in der diachron orientierten Exegese, die dann für einen weiten Bereich konsensfähige Ergebnisse hervorbringen könnte.

Wörterbuch alttestamentlicher Motive

Подняться наверх