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Stefan Kiechle SJ | München
geb. 1960, Dr. theol., Exerzitienleiter, Autor, Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten
Spiritualität oder Glaubensverkündigung?
Bewährte Zeitschrift in neuem Gewand
„Spiritualität“ – im Deutschen kein altes Wort – wurde zum Modewort. Der Sprachgebrauch meint, in Absetzung von allem rein Materiellen, Naturalistischen oder Körperlichen, eine Erhebung des menschlichen „Geistes“: Man gibt den geistigen Kräften Priorität vor anderen Energien, lässt sich bevorzugt von ihnen bestimmen, erklärt sie zu den Leitsternen des Lebens, erhofft sich aus ihnen Heilung, Ganzheit, Friede, Ruhe, Freude; all das unabhängig davon, ob man mit „Geist“ eher den Geist des Menschen meint, der aus dem Subjekt selbst entsteht, oder einen von außerhalb des Ichs auf dieses Ich hin oder in es hinein wirkenden Weltgeist, göttlichen Geist oder Heiligen Geist – oder wiederum beides in eins, in einer genauer zu bestimmenden Verschränkung. Im Begriff „Spiritualität“ kanalisiert sich eine weite Suche vieler Menschen, eine Sehnsucht nach geistig-religiöser Erfüllung, oft in Absetzung von Materialismus, Hektik, Desorientierung und Sinnleere unserer Zeit. Der Begriff bleibt allerdings oft unscharf, inhaltsleer, apersonal, nicht eingebunden in konkrete soziale Gefüge und Vollzüge – was in gewisser Weise dem Bedürfnis unserer Zeit, sich nicht festzulegen und unverbindlich zu bleiben, entgegenkommt. Dennoch ist er unverzichtbar, weil das Leben aus dem Geist unverzichtbar ist – und dringlich.
„Glaubensverkündigung“ – ein älteres Wort – wird im Gegensatz zu „Spiritualität“ inhaltlicher verwendet: Man meint Gott, den personalen Gott, und Jesus Christus, das konkrete Gesicht Gottes in der Welt, dazu die Bibel als Heilige Schrift aller Christ(inn)en und die Kirche als die verfasste Gemeinschaft der Glaubenden, schließlich eine christliche, wertgebundene Lebensform und Ethik. In ihrer Verkündigung will die Kirche den Glauben vertieft vermitteln, in Glaubenskursen, Katechesen, mit religiösen Vollzügen wie Gebet und Liturgie und mit christlichem Engagement. „Glaube“ kann dogmatisch verengt und auf Formeln reduziert werden; diese Gefahr ist größer, wenn man sich – etwa gegenüber der Moderne und ihrer Komplexität oder gegenüber dem Säkularismus – in der Defensive sieht und dann die einfachen Antworten sucht. So würde die Glaubensverkündigung allerdings aus der Zeit fallen und ihre Sprache sich von heutigem Sprechen abkoppeln, mit der Folge, dass der Glaube allzu schlicht wird, rational nicht verantwortet, irrelevant, museal. Ein weiter und offener Glaube hingegen will in heutigem Kontext die Größe und Güte Gottes aufleuchten lassen, er will trösten und befreien, heilen und aussenden, deuten und wegweisen; er will in Gemeinschaft führen und vor dem Untergang retten.
„Geist und Leben“ – zum Titel aus Joh 6,63 finden sich in den ersten drei Artikeln dieses Heftes Deutungsversuche aus unterschiedlichen Konfessionen – ist „Zeitschrift für christliche Spiritualität“. Dieser Untertitel bringt wohl gut die Vermittlung der beiden Pole „Spiritualität“ und „Glaubensverkündigung“ auf den Punkt: Spirituelle Weite und Offenheit ist rückgebunden und konkretisiert sich im christlich-biblisch-kirchlichen Glauben. Diese Bindung engt die Spiritualität nicht ein, sondern im Gegenteil, sie erdet, „nährt“, ja weitet sie: Bibel, Liturgie, kirchliches Leben tragen selbst – gegen alle Versuchung enger Auslegung – die spirituelle Vielfalt, Weite und Offenheit in sich, weil wiederum Gott selbst und ebenso Jesus Christus, seine Inkarnation, sie in sich tragen und leben.
Seit eineinhalb Jahren unter neuer Schriftleitung und mit neuem Beirat, gibt sich die Zeitschrift mit dieser Ausgabe ein neues Gewand. Neben dem erneuerten Layout wollen ein regelmäßiges Editorial („Notiz“) und die veränderten Rubriken die Zeitschrift behutsam modernisieren; sie soll leichter lesbar werden und deutlicher auf heutige spirituelle Fragen und Bedürfnisse antworten.
Getragen vom Jesuitenorden, ist und bleibt „Geist und Leben“ ignatianisch, weniger im Sinn einer „spirituellen Richtung“, also bestimmter Inhalte, sondern im Sinn einer „Weise des Vorangehens“ – das Ignatianische ist ja mehr ein Stil als ein Inhalt. Die ignatianische Weise inspiriert sich aus der großen biblischen und kirchlichen Tradition und Weisheit, dabei ist sie im Denken frei und immer wieder offen für Neues, das Gespräch mit den Wissenschaften suchend, interkulturell und interreligiös dialogisch, kritisch unterscheidend, eher nüchtern und behutsam urteilend, vermittelnd mit dem konkreten Leben; sie ist eben – das ist unser Vorhaben – Geist und Leben.