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2. Der Humor

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»Als echter Polarist trägt dieser Philosoph seinen Schalknarren im Busen. Er hat ihn Mynona getauft und mit seinen Eulenspiegeleien, seinen berühmten Grotesken, die Welt der Philister unsicher gemacht. Man lese ›Rosa, die schöne Schutzmannsfrau‹, die ›Bank der Spötter‹, die ›Graue Magie‹ oder gar den herrlichen ›Schöpfer‹ und man wird verstehen, was es heißt: die Kappe werf’ ich in die Luft – denn ich entsprang!« (Udo Rukser, GS 3, 877)

Friedlaender hatte ein alter ego: Mynona (anonyM murehsredna). Und Mynona schrieb vor allem Grotesken. Diese innovative literarische Ausdrucksform hat er wesentlich geprägt und virtuos beherrscht: »Kein deutschsprachiger Autor vor ihm und nach ihm hat die Form der Groteske zu solcher Meisterschaft entwickelt und so souverän gehandhabt wie Mynona.« (H. Geerken in M 1980, Bd. 2, 288) In den verqueren Geschichten, deren Anspielungen auf zeitgenössische Personen und Ereignisse heute leider oft unverständlich sind, erweist er sich, der »geradezu zirzensische Sprachartist«, als spielerischer Wortjongleur und kreativer Buchstabenanarchist, der an verfestigte und erstarrte Sprech- und Denkmuster rüttelt, um neuen Ausdrucksmöglichkeiten Raum zu schaffen. Er stellt die Dinge auf den Kopf und verdreht die Perspektiven in einem »Fasching der Logik« (Titel in F 1913). In »Trappistenstreik« z. B. verkehrt sich der streng asketische Schweigeorden in eine gröhlend zechende Meute (M 1922). Da wird jemand »durch allzu stürmische Verehrerinnen in die zweite Dimension zurückgedrängt, d. h. buchstäblich plattgeschlagen« (M 1980, Bd. 1, 67). Oder da »war eine Stille entstanden, wie sie nur zwei Tote mit vereinten Kräften bewerkstelligen können« (M 1919, 5). Die Ehe ist ein »Trauringkampf«. Er spricht vom »Königsberger Intelligenzklops«, »Immanuel (Unbe-)Kant« (M 1931, 51), von einem »Saufruf an mein Volk« (1919, 387), kreiert Wortschöpfungen wie »Hinterpretation« (M 1931, 49), »Zionanie, Ejakulyriker, Nebenbeischlaf« (M 1980, Bd. 2, 302 f.).

Schon früh (M 1922) warnt Mynona scharfsichtig vor den aufkommenden »Hakenkreuzgrünschnäbeln« und deren antisemitischem Ungeist. In der Groteske »Fast Nacht« von 1934 (in M 1980, Bd. 1, 227–229) karikiert er dann in gallenbitterer Satire das »runenalte Zauberland Hintlerien«, in dem »zur Fastnacht das Progrommaterial auszugehen droht«, da der »Antise-Mitmensch« die Juden bereits zu stark dezimiert hat. Um dem entgegenzuwirken, inszenieren das »Verführerlein«, der »weniger hochbetagte als vielmehr tiefumnachtete Landespapa« und sein »Propaghandi« oder »Propagauner« eine projüdische Kampagne, die das nun philosemitisch manipulierte Volk dazu bringt, in »Juda du Recke!«-Rufe auszubrechen. Dass der Verfasser derartig entlarvender Texte sich nach der nazistischen Machtergreifung ins Exil retten musste, bedarf keiner weiteren Erklärung (Frambach 1996, 16).

Mir ist es ausgesprochen sympathisch, dass dieser Philosoph nicht nur ernsthaft philosophiert, sondern auch seinen Humor kreativ auslebt. Und das ist für ihn nicht nur eine Beschäftigung neben seiner Philosophie, sondern zutiefst mit ihr verbunden.

»Mynona war und ist ein wohltuendes Gegengewicht gegen den Verfasser der Schöpferischen Indifferenz, die Zerstreuung zu dieser Anspannung, das Alkali zu dieser Säure, das Sichgehenlassen einer in Friedlaender verborgenen Disziplin, die Liederlichkeit meines strengen Anstandes (ohne den ich wirklich ein Luder wäre).« (Brief v. 1918; GS 4, 17)

Er sieht sich gleichsam als Doppelexistenz: »Ich bin ernsthafter Philosoph und Humorist in Personal-Union.« (F 1982, 35) Die humorig grotesken Geschichten sind für ihn spielerische Umsetzungen seiner philosophischen Überzeugungen: »Groteske Verzerrung ist die Kraft- und Belastungsprobe der seelischen Fähigkeit, Umfänglichkeit und Elastizität; die Rechnungsprobe auf die Richtigkeit des metaphysischen Prinzips der schöpferischen Indifferenz polarer Observanz.«4 Der Humor ist ihm Gegenpol zu seinem konsequenten strengen Denken und macht ihn geistig flexibel. »Ohne Spielzeug bei mir kein Ernstzeug.« (Tagebuch 5, März 1934) Damit aus dem Ernst kein tödlicher Ernst wird, kein Fanatismus, keine intolerante Ideologie, darum ist der Humor wichtig. »Es ist der Test jeder guten Religion, ob man über sie Witze machen kann.« (Gilbert Chesterton) Auch, ob sie Witze machen kann, möchte ich ergänzen. Das gilt nicht nur für Religionen, sondern auch für Philosophien, Ideologien, Weltanschauungen aller Art. Auch für Psychotherapieansätze.

Auch Fritz Perls hatte durchaus eine humoristische Ader, die sich z. B. in den selbstironischen Karikaturen seiner Autobiografie ausdrückte.

Der Humor wird viel zu wenig ernst genommen. Und wie gesagt, darum ist es mir so sympathisch, dass Friedlaender den Humor in sein Philosophieren integriert. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass ich selbst eine Neigung zu satirischem Humor habe: »Psychologie des Gartenzwergs. Eine psycho-soziale Studie über eine kleine Existenzform von großer Bedeutung.« (Frambach 1998, verfasst 1983)

Die Doppelung Friedlaender/Mynona benennt den ganzen geistigen Menschen. Darum ist es richtig, dass Detlef Thiel konsequent das Kürzel F/M verwendet. Ich spreche meist von Friedlaender, da ich mich auch meist auf den Philosophen der Personalunion beziehe.

Friedlaender / Mynona und die Gestalttherapie

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