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Martina Gremmler-Fuhr Die Idee von Polarität im Integralen Gestalt-Ansatz (INTEGA) Einführung

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Die philosophische Idee der Polarität hat eine lange Geschichte und fand Eingang in den Gestalt-Ansatz1 über Salomo Friedlaender.2 Sie ist heute in vielen Gebieten der Wissenschaften zu finden und natürlich auch in psychologischen Konzepten vertreten. So basiert zum Beispiel in dem Klassiker von Fritz Riemann (1981), Grundformen der Angst, die Grundstruktur der Typologie auf Polaritäten, aber auch in verschiedenen entwicklungspsychologischen Ansätzen, beispielsweise Robert Kegans Entwicklungsstufen des Selbst, ist eine polare Grundstruktur wesentlich (vgl. Kegan 1986). Im Gestalt-Ansatz ist beispielsweise das Figur-Hintergrund-Konzept polar, und auch die Kontaktfunktionen lassen sich – auch um ihrer Prozesshaftigkeit oder Dynamik gerecht zu werden – in Polaritäten ausdifferenzieren, indem man sie beispielsweise der Grundpolarität Eigenständigkeit und Zugehörigkeit (z. B. Kegan ebd.) zuordnet (vgl. Fuhr & Gremmler-Fuhr 1995, 119–129). Als Grundprinzip der Darstellung ist es aber auch beispielsweise in den Praxisprinzipien der Gestalttherapie verwendet worden (vgl. Fuhr 2001a).

Eine polare Grundstruktur spielt auch in der Integralen Philosophie eine besondere Rolle, die ich zusammen mit Reinhard Fuhr auf der Grundlage von Ken Wilbers Arbeiten, vor allem Eros, Kosmos Logos und Integrale Psychologie (Wilber 1996, 2006) mit dem Gestalt-Ansatz zum INTEGA (Integraler Gestalt-Ansatz) verbunden habe. Besonders zentral ist dabei zum einen die Holarchie der Entwicklung, zum anderen das Quadrantenmodell. Beide zusammen ergeben bei Wilber das AQUAL-Modell (all quadrants all levels), ein umfassendes Orientierungssystem für Entwicklung, das westliche und östliche Erkenntnisse zusammen zu führen versucht.

Beim Quadrantenmodell handelt es sich um ein Konstrukt, das versucht, vier gleichwertige Perspektiven von Realität metatheoretisch abzubilden. Die vier Perspektiven ergeben sich aus den Polen von Innen und Außen, sowie den Polen Individuell und Kollektiv. So ergeben sich vier Quadranten, mit den Perspektiven Innen-Individuell (der obere linke Quadrant, OL), Innen-Kollektiv, (unterer linker Quadrant, UL), Außen-Individuell (oberer rechter Quadrant, OR) und Außen-Kollektiv (unterer rechter Quadrant, UR).


Abb. 1: Quadrantenmodell I, (nach Wilber 1996)

© Gremmler-Fuhr 2008

Jeder dieser Quadranten hat aufgrund seiner Perspektive auf ein Phänomen seine spezifische »Erkenntnismethode«, so zum Beispiel OL die dialogische Interpretation, OR die empirische Untersuchung. Entsprechend gibt es für jeden Quadranten einen spezifischen »Erkenntnisgegenstand«, z. B. für OL innere subjektive Prozesse und für OR beobachtbares Verhalten und Sachverhalte. Und schließlich gelten auch für jeden Quadranten spezifische Wahrheitskriterien, beispielsweise für OL Wahrhaftigkeit und für OR Objektivität. In Abbildung 2 ist ein vollständiger Überblick für alle vier Quadranten3 dargestellt.


Abb. 2: Quadrantenmodell II, vier Perspektiven der Wirklichkeit und ihre spezifischen Erkenntnisweisen, Erkenntnisgegenstände und Wahrheitskriterien (nach Fuhr & Dauber 2002, 22)

© Gremmler-Fuhr 2012

Neben dem Quadrantenmodell führte ich als zweites wichtiges Modell, das wir aus der Integralen Philosophie in den Integralen Gestaltansatz eingefügt haben, die Holarchie der Entwicklung an.

Aus der westlichen Welt sind darin beispielsweise Systeme von Jean Gebser (Kultur), Abraham Maslow (Bedürfnisebenen), Lawrence Kohlberg und Carol Gilligan (moralische Entwicklung), Clare W. Graves (Persönlichkeitsentwicklung) und Don Edward Beck und Christopher C. Cowan (Werte, Führung und Wandel) eingeflossen. In der Terminologie zum Integralen Gestalt-Ansatz nehmen wir Bezug auf Gebser mit dem Ebenenmodell zu Weltsichten, beginnend mit archaisch, weiter über magisch, mythisch, mental bis zur integralen Weltsicht, aber vor allem auch auf die farbliche Bezeichnung und Erläuterungen, wie sie von Beck und Cowan in Spiral Dynamics (2011, s.u.; vgl. auch Abbildung 3; vgl. auch Anmerkung 4) benutzt werden.

Wie nicht nur oben auszugsweise erwähnt, sondern darüber hinaus in diesem Buch in anderen Beiträgen hinreichend ausgeführt, hat also die polaristische Philosophie in den Gestalt-Ansatz Eingang gefunden. Daher werde ich mich im Folgenden schwerpunktmäßig auf das konzentrieren, was Reinhard Fuhr und ich aus der Integralen Philosophie für den Integralen Gestalt-Ansatz übernommen und für unsere Zwecke aufbereitet haben. Und natürlich werde ich dabei besonders herausarbeiten, welch wichtige Bedeutung der philosophischen Grundidee der Polaritäten zukommt.

Friedlaender / Mynona und die Gestalttherapie

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