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4 Handlungsleitende Gestaltungsprinzipien zur Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen

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Es dürfte aufgrund der bisherigen Ausführungen nicht sonderlich überraschen, dass ein wesentlicher Teil einer (hoch-)schulischen Lernumgebung zur Förderung der Entwicklung berufsrelevanter Selbst- und Sozialkompetenzen aus selbstgesteuertem Lernen besteht.

Aufgrund des starken Persönlichkeitsbezugs von Selbst- und Sozialkompetenzen ist es wichtig, die Studierenden sich innerhalb eines von der Hochschule vorgegebenen Kompetenzprofils individuelle, persönlich relevante Lernziele setzen zu lassen. Dies erhöht die Motivation und trägt dazu bei, dass sich die Studierenden längerfristig und intensiv mit den in den Lernzielen adressierten Themen auseinandersetzen.

Für die Motivation der Studierenden ist es zudem wichtig, dass sie neben den Lernzielen auch das Lerntempo und die Lernwege selbst bestimmen können.

Persönlich relevante Lernziele im Bereich der Selbst- und Sozialkompetenzen zu finden und zu formulieren, ist für Studierende aber – vor allem, wenn sie noch am Anfang des Studiums stehen – keineswegs einfach. Die Studierenden haben mit sehr unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen. Die einen bekunden Mühe, ein intrinsisch motiviertes, «echtes» Lernziel zu finden, die anderen tun sich schwer, das Lernziel in eine motivierende und zugleich aktivierende Formulierung zu verpacken. Folglich ist es wichtig, verschiedene Hilfestellungen seitens der Hochschullehrenden und der Mitstudierenden zur Verfügung zu stellen. Dadurch können motivationshemmende Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden.

Als hilfreich erweist sich beispielsweise ein individuelles Gespräch zwischen dem/der Hochschullehrenden und der Studentin oder dem Studenten zu Beginn der Lernzielsuche, bei dem gemeinsam erste Lernzielideen besprochen werden. Auch von (theoretischen) Hilfestellungen zum Formulieren von Lernzielen profitieren Studierende. Als unterstützend erweist sich überdies ein gemeinsames Austauschgefäß – beispielsweise in Form eines Gruppencoachings –, bei dem die Studierenden ihre Lernzielideen und Überlegungen, wie die Ziele erreicht werden können, präsentieren und durch kritische Rückfragen und Rückmeldungen, Anregungen und Inputs der Hochschullehrenden und Mitstudierenden aufgefordert werden, ihre Lernzielideen auf tatsächlich vorhandene persönliche Relevanz bzw. ihre Überlegungen betreffend Maßnahmen zur Lernzielerreichung auf Sinnhaftigkeit und Effektivität hin zu überprüfen. Ein solcher Austausch kann zu Anpassungen in der Lernzielsetzung und/oder der Maßnahmen führen.

Als besonders wertvolles Moment beim Finden persönlich relevanter Lernziele erweist sich die Durchführung einer individuellen Standortbestimmung zu Beginn des gesamten formalisierten Lern- und Entwicklungsprozesses. Es empfiehlt sich, diese Standortbestimmung in Form eines Development Center (DC) durchzuführen, in dessen Rahmen die Studierenden während eines halben Tages Einzel- und Gruppenaufgaben lösen und dabei von geschulten DC-Assessorinnen und -Assessoren auf zuvor festgelegte Selbst- und Sozialkompetenzen beobachtet werden. Dies erlaubt den Studierenden, individuelle Stärken und Schwächen in den beiden Kompetenzbereichen zu bestimmen.

Die DC-Aufgaben sollten auf berufsrelevante Selbst- und Sozialkompetenzen ausgerichtet sein. Auf diese Weise entwickeln die Studierenden eine Sensibilität für diejenigen Selbst- und Sozialkompetenzen, die in ihrem zukünftigen Berufsalltag gefragt sind.

Die Selbstreflexion der Studierenden und damit auch die Identifizierung der eigenen, selbst- und sozialkompetenzbezogenen Stärken und Entwicklungspotenziale kann unterstützt werden, indem eine der DC-Aufgaben aus einer Selbsteinschätzung besteht, bei der die Studierenden aufgefordert sind, ihr eigenes Handeln bei der Umsetzung der einzelnen DC-Aufgaben zu beobachten, zu dokumentieren und zu reflektieren.

Dem DC sollte schließlich zeitnah ein individuelles Feedback durch die DC-Assessorin oder den DC-Assessor folgen, damit die Studierenden ihre Selbstwahrnehmung im DC mit der Fremdwahrnehmung abgleichen können. Das Feedback sollte dabei als Gespräch auf Augenhöhe gestaltet werden, bei dem nicht nur die Assessorinnen und Assessoren ihre Beobachtungen zurückmelden, sondern auch die Studierenden ihre Beobachtungen und Wahrnehmungen sowie allfällige Einwände und Fragen äußern können.

Wichtig ist, zu Beginn des Gesprächs das DC als Momentaufnahme zu verorten und die Begrenztheit der eigenen Beobachtungen sowie die Vertraulichkeit des Gesprächs zu thematisieren. Auch sollten die Assessorinnen und Assessoren ihre Rückmeldungen mit konkreten DC-Aufgaben verbinden. Alle diese Aspekte helfen den Studierenden, das Feedback anzunehmen und sich im Gespräch selbst einzubringen. Eine Frage mit persönlichem Bezug, wie beispielsweise diejenige nach den aktuellen Studienerfahrungen, kann den Studierenden überdies helfen, ins Gespräch hineinzufinden und sich wohlzufühlen.

Für die Identifikation eigener Stärken und potenzieller Entwicklungsfelder ist es wichtig, dass den Studierenden von Assessorinnen- und Assessoren-Seite sowohl positive als auch eher kritische Rückmeldungen gegeben werden. Bei der Rückmeldung kritischer Punkte ist für deren Akzeptanz darauf zu achten, dass sie nicht wertend, sondern differenziert und begründet zurückgemeldet werden.

Der Abgleich zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung kann zusätzlich unterstützt werden, wenn die Assessorinnen und Assessoren bei ihren Rückmeldungen Bezug auf die Selbsteinschätzungen nehmen, welche die Studierenden während des DCs angefertigt haben. Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn Selbst- und Fremdwahrnehmung divergieren.

Sind die individuellen Lernziele gesetzt, so folgt die individuelle, von den Studierenden selbst gesteuerte Lernzielbearbeitung. Zu ihrer Unterstützung ist es wichtig, regelmäßige Austauschgefäße mit den Hochschullehrenden und den Mitstudierenden vorzusehen. Sie helfen den Studierenden, zielführend an ihren Lernzielen zu arbeiten und nicht Gefahr zu laufen, die Lernzielarbeit im Alltag zu vergessen oder sich darin zu verlieren.

Die Studierenden sollten in diesen Gefäßen aufgefordert werden, sich über ihre Lernwege und Lernstrategien und die damit gemachten Erfahrungen sowie über ihre Lern- und Entwicklungsschritte auszutauschen. Dadurch benennen sie ihren Lernzielstand und beziehen Stellung zu ihrer Lernzielarbeit. Sie unterstützen bei dieser Gelegenheit auch ihre Mitstudierenden mittels Rückfragen, Rückmeldungen, Ideen und Anregungen bei deren Lern- und Entwicklungsprozessen und gewinnen selbst Anhaltspunkte für ihre weitere Lernzielarbeit.

Als Austauschgefäße eignen sich beispielsweise Tandemaufträge, Kleingruppenarbeiten im Rahmen von Gruppencoachings und Einzelcoachings.

Zusätzlich sollten Gefäße vorgesehen werden, in denen lernzielarbeitsbezogene Themen, Anliegen und Fragestellungen bearbeitet werden. Aus der gemeinsamen Bearbeitung identifizieren die Studierenden für sich passende Umgangsformen für Herausforderungen und arbeiten in der Folge motiviert(er) an ihren Lernzielen weiter. Hierfür empfehlen sich Formate wie Werkstätten oder kollegiale Coachings, für die genügend Zeit einzuplanen ist.

Grundsätzlich hat sich im Rahmen der Forschung gezeigt, dass die Studierenden eher bereit sind, sich gegenüber Hochschullehrenden und Mitstudierenden zu persönlichkeitsbezogenen Themen zu öffnen, wenn der Austausch in kleineren Gruppen stattfindet. Im Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit (BFH) arbeitet man mit Coaching-Gruppen, die in der Regel acht bis zehn Studierende umfassen und von professionellen Coaches[5] mit Feldkenntnissen geleitet werden. Auch in diesem Rahmen erwies es sich als hilfreich, die Studierenden immer wieder in Kleingruppen von drei bis vier Personen arbeiten zu lassen. Die Beiträge fielen vertiefter, differenzierter und offener aus.

Die (Gruppen-, Einzel- und kollegialen) Coachings dienen zum einen dem Austausch, der Diskussion sowie der Selbstreflexion hinsichtlich selbst- und sozialkompetenzrelevanter Themen, zum andern zur Unterstützung des selbstgesteuerten Lernens im Kontext der Persönlichkeitsentwicklung. Sie verstehen sich sinnbildlich als Inseln im Fluss des selbstgesteuerten lernzielorientierten Lernens, auf denen die Studierenden innehalten und gemeinsam mit Mitstudierenden und/oder dem Coach zurückblicken können und für den weiteren Lern- und Entwicklungsprozess Anregungen und neuen Schub erhalten. Wichtig hierbei ist es, dass die Studierenden von ihrem Gegenüber neue bzw. alternative Sicht- und Denkweisen angeboten erhalten, dass sie herausgefordert werden, veranlasst, sich zu positionieren, und dass auch so etwas wie ein situationsadäquates «Seilziehen» zwischen ihnen und dem Coach bzw. den Mitstudierenden stattfindet.

Als ein weiteres wichtiges Gestaltungselement einer Lernumgebung, die die Förderung der Entwicklung berufsrelevanter Selbst- und Sozialkompetenz zum Ziel hat, erwies sich die E-Portfolioarbeit – das fortlaufende und systematische Dokumentieren und Reflektieren des eigenen Lern- und Entwicklungsprozesses.

Die E-Portfolioarbeit sollte hierfür begleitend zu den einzelnen Veranstaltungen[6] und dem lernzielorientierten, selbstgesteuerten Lernen eingesetzt werden.

Sie sollte aus verschiedenen Aufträgen bestehen, die die Studierenden auffordern, die Auseinandersetzung mit sich und den in den Veranstaltungen bearbeiteten Selbst- und Sozialkompetenz-Themen sowie ihren Lern- und Entwicklungsprozess in diesen Kompetenzbereichen zu verschriftlichen. Die Studierenden setzen sich dadurch länger und intensiver mit sich und den jeweiligen selbst- und sozialkompetenzrelevanten Themen auseinander, beschäftigen sich bewusster mit dem eigenen Lern- und Entwicklungsprozess, arbeiten kontinuierlich an ihren Lernzielen und erkennen schließlich dank der Verschriftlichung die eigenen Fortschritte, aber auch Herausforderungen und können auf dieser Basis ihren Lern- und Entwicklungsprozess zielführend ausgestalten.

Die E-Portfolioarbeit sollte sowohl veranstaltungsvorbereitende als auch veranstaltungsnachbereitende Aufträge enthalten. Erstere helfen den Studierenden, sich gezielt auf eine Veranstaltung vorzubereiten. Sie finden damit auch leichter den Einstieg in die jeweilige Veranstaltungsthematik wie beispielsweise «Eigene Einstellungen und Werte». Andererseits lassen sich durch veranstaltungsnachbereitende Aufträge die einzelnen Veranstaltungen gezielter verarbeiten, und die Studierenden können sie für sich und ihren Lern- und Entwicklungsprozess besser nutzbar machen.

Es empfiehlt sich, die Aufträge variantenreich zu gestalten. Dadurch kann die Motivation der Studierenden für die E-Portfolioarbeit gesteigert werden. Beispielsweise ist es ratsam, neben Reflexions- auch Beobachtungsaufträge, Tandemaufträge oder Aufträge zum mündlichen statt schriftlichen Austausch vorzusehen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass die Studierenden die E-Portfolioarbeit als redundant erleben und dadurch an Motivation verlieren.

Im Hinblick auf eine motivierte und gewinnbringende Nutzung des E-Portfolios ist es schließlich ratsam, die Aufträge so zu gestalten, dass sie die nötigen Leitplanken für eine zielführende Bearbeitung bereitstellen, andererseits den Studierenden aber auch Gestaltungsspielraum in der Art ihrer Umsetzung lassen.

Die soeben erläuterten Gestaltungsprinzipien lassen sich in folgendem Modell zusammenfassen:


Abbildung 2: Modell zur lehrmethodischen Gestaltung einer Lernumgebung zur Förderung der Entwicklung berufsrelevanter Selbst- und Sozialkompetenzen (Studer, 2019)

Das Modell nimmt sowohl Bezug auf die Kontextbedingungen als auch auf die didaktischen Zielsetzungen eines konkreten Ausbildungsgangs. In der Mitte finden sich zusammengefasst die vier didaktischen Kernelemente:

– selbstgesteuertes Lernen,

– Development Center (DC),

– Coaching,

– E-Portfolioarbeit.

Illustrativ veranschaulicht sind die Gestaltungsprinzipien, die Anhaltspunkte geben, wie die Lehr- und Lernaktivitäten im Rahmen der didaktischen Kernelemente auszugestalten sind, um die adressierten Lernziele zu erreichen.

Aufgrund der Kontextsensitivität der Gestaltungsprinzipien können die spezifischen Kontextbedingungen vor Ort berücksichtigt werden. Zugleich lassen sich die angestrebten Lernergebnisse – sprich die berufsrelevanten Selbst- und Sozialkompetenzen – inhaltlich berufsspezifisch füllen. Damit lässt sich das Modell auf unterschiedliche Berufsgruppen bzw. auf unterschiedliche berufsbefähigende (Hochschul-)Ausbildungen übertragen. Die nachhaltige Implementierung einer derartigen Lernumgebung im eigenen (Hoch-) Schulkontext lässt sich dabei durch einige Begleitmaßnahmen unterstützen. Dazu gehört beispielsweise die Verankerung der Förderung der Entwicklung berufsrelevanter Selbst- und Sozialkompetenzen in der Strategie der Ausbildungsinstitution. Auf diese Weise kann die Gefahr, dass im Verlaufe der Entwicklung und Implementierung der Lernumgebung ein strategischer Richtungswechsel erfolgt und die Innovation dadurch womöglich ihre Legitimation verliert, reduziert werden. Es empfiehlt sich weiter, während der gesamten Entwicklungs- und Implementierungsphase die Ausbildungsleitung und allfällige die Ausbildung steuernde Gremien regelmäßig über den Entwicklungs- und Implementierungsstand in Kenntnis zu setzen. Offene Punkte und Fragen können so zeitnah geklärt werden, und die Ausbildungsverantwortlichen verfügen über die notwendigen Kenntnisse, um die Innovation zu tragen, allfällige Kritik an ihr richtig zu verorten und bei Bedarf Richtigstellungen vorzunehmen. Auch auf Ebene des «Gesamtkollegiums» sollte regelmäßig Einblick in die Entwicklung und Implementierung der Lernumgebung gewährt werden. Die Mitglieder des Kollegiums gewinnen dadurch ein Verständnis für die Zielsetzungen der neuen Lernumgebung und ihre inhaltliche und lehrmethodische Ausgestaltung, das ihnen ermöglicht, die Innovation mitzutragen und allfällige Kritik an ihr richtig einzuordnen. Ratsam ist es überdies, von Beginn an die Studierenden in die Entwicklung der Lernumgebung miteinzubeziehen. Dadurch lassen sich mit der Innovation zusammenhängende Bedenken, Befürchtungen und Ängste auf Studierendenseite frühzeitig erkennen und bei der inhaltlichen und didaktischen Ausgestaltung mitberücksichtigen. Schließlich sollten auch zentrale Stakeholder regelmäßig und spezifisch über das Vorhaben informiert werden, damit sie ein Verständnis für die Wichtigkeit und den Bedarf der geplanten Lernumgebung entwickeln, sie aktiv mittragen und für sie einstehen.

Weitere unterstützende Begleitmaßnahmen lassen sich Studer (2019, S. 328 ff.) entnehmen.

Gutes Gelingen!

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