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1. Zum Begriff einer »Forschungsethik«

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Die Bedeutung von »Forschungsethik« für Sozialwissenschaften, also auch die qualitative Medienforschung, ist häufig unklar. Definitionsversuche, wie die von Hopf (2016, S. 195)

»Prinzipien und Regeln […] in denen mehr oder minder verbindlich und mehr oder minder konsensuell bestimmt wird, in welcher Weise die Beziehungen zwischen den Forschenden auf der einen Seite und den in sozialwissenschaftliche Untersuchungen einbezogenen Personen auf der anderen Seite zu gestalten sind«, machen das Dilemma deutlich, das eine normative Reflexion auf forschendes Handeln für eine sich empirisch verstehende Forschung darstellt. Was hier (und in vergleichbarer Weise auch von anderen Autoren) als »Ethik« vorgestellt wird, ist zunächst einmal nur ein Regelkanon, der entweder »verbindlich« (juristisch) oder »konsensuell« bestimmt ist. Im Fall konsensueller Vereinbarungen haben ständische Vertretungen oder fachwissenschaftliche Verbände Standards des forschenden Handelns durch Mehrheitsentscheid für die jeweilige Profession oder Wissenschaft als verbindliche Prinzipien der Forschung festgelegt. Es handelt sich also um eine gruppenspezifisches Norm- oder Wertüberzeugung, die man auch als Gruppenmoral bezeichnen kann (vgl. Rath 2014, S. 38). Hammersley und Traianou (2011, S. 380) warnen in diesem Zusammenhang berechtigterweise vor einem »moralism«, der forschungsunabhängige Wertvorstellungen dem Forschungsprozess zuweise und/oder Forschende normativ überfordere. Aber für die Frage nach den anwendbaren und zu berücksichtigenden Werten können sie ebenfalls keine Hinweise geben, wie diese jenseits konsensueller Übereinkunft festzulegen wären. Denn die faktische Geltung dieser Regelungen, die in Gesetzestexten, dem Standesrecht oder den Kodizes für eine »gute wissenschaftliche Praxis« (vgl. z. B. DFG 2013) festgelegt ist, wird von den jeweiligen deskriptiven Disziplinen nicht selbst geleistet. Für die Findung und Kodifizierung geltender Regelungen sind außerwissenschaftliche Verfahren mit eigenen Präferenzen, z. B. politischen, weltanschaulichen oder ökonomischen Vorannahmen, maßgebend. Diese Regelungen gehören selbst nicht zum wissenschaftlichen Objekt der Disziplinen noch verfügen diese über wissenschaftliche Verfahren, um diese Regelungen über die faktische Geltung hinaus zu plausibilisieren (vgl. Rath 2006). Insofern muss man zwischen der normativen Institutionalisierung und einer im eigentlichen Sinne Normativität begründenden Disziplin wie der Ethik unterscheiden (vgl. Stapf 2006). Die Bezeichnung »Forschungsethik« ist daher irreführend.

Von dieser Geltung, die außerwissenschaftlich festgelegt werden muss, ist daher die Frage zu unterscheiden, ob solche Handlungsorientierung auch allgemeine Gültigkeit beanspruchen darf. Diese Frage ist das Thema der philosophischen Ethik, die als »Theorie rational eingeholter Normativität« (vgl. Rath 2016) die kritische Analyse und ggf. argumentative Plausibilisierung von Norm- und Wertüberzeugungen zu leisten vermag. »Forschungsethik« meint daher in einem wohlverstandenen Sinne die philosophische oder philosophisch informierte Reflexion auf Begründungsmuster oder die Frage, ob die konsensuell gesetzten Handlungspräferenzen über den faktischen Konsens hinaus auch eine argumentative Verallgemeinerung zulassen. In diesem Sinne ist Forschungsethik eine Teildisziplin der allgemeinen Ethik oder der das Forschungsfeld der jeweiligen Einzelwissenschaft betreffenden angewandten Ethik, für den Bereich der Medienforschung die Medienethik (vgl. Köberer 2015).

Hier können Ethik als wissenschaftliche Disziplin und das Kooperationsfeld von Medienforschung und Medienethik (vgl. Karmasin et al. 2013) nicht explizit dargestellt werden. Im Folgenden geht es daher primär um Medienforschung als Objekt einer Forschungsethik.

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