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Methodisches Programm

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Mit der Theorie kommunikativer Gattungen ist von ihrer Anlage her ein methodisches Programm verbunden: Dieses fordert dazu auf, Kontexte, Strukturelemente und Muster kommunikativer Vorgänge systematisch zu beschreiben, um auf der Grundlage struktureller Gemeinsamkeiten Typen zu bilden. Hierfür werden grundsätzlich zwei Analyseebenen unterschieden, die Binnenstruktur und die Außenstruktur. Auf der Ebene der Außenstruktur werden allgemeine gesellschaftliche Kontextbedingungen in den Blick genommen, die sich auf die Kommunikation niederschlagen können (z. B. soziale Milieus, Geschlecht, Alter, Status). Auf der Ebene der Binnenstruktur wird die interne Struktur kommunikativer Vorgänge mit ihren typischen Elementen und Mustern untersucht; dazu zählen die nonverbalen wie die verbalen Bestandteile des kommunikativen Geschehens (z. B. Mimik, Gestik, Prosodie oder die Wahl bestimmter Ausdrucksmittel). Mit der »situativen Realisierungsebene«, die im Konzept der kommunikativen Gattungen quasi als eine Zwischenebene eingeführt wurde, wird der besonderen Bedeutung der Phänomene des interaktiven Austauschs und des engeren sozialen Kontextes, in dem die Kommunikation stattfindet, Rechnung getragen (z. B. Zuteilung des Rederechts, Sprecherwechsel, Beziehungsstatus der Interagierenden, Themenentwicklung etc.) (vgl. Bergmann 1987; Keppler 1994; Günthner/Knoblauch 1994; Knoblauch/ Luckmann 2000). Insbesondere hier zeigt sich, dass das Konzept der kommunikativen Gattungen nicht ohne den Einfluss der ethnomethodologischen Konversationsanalyse (Bergmann 1988; 1991) denkbar ist. Die Methode der Konversationsanalyse hat sich in den 1960er-Jahren zunächst vor allem in den USA und England als eigene soziologische Forschungsrichtung aus der Ethnomethodologie heraus entwickelt. Diese wurde entscheidend von den Arbeiten Harold Garfinkels geprägt, aber auch von den Interaktionsanalysen Erving Goffmans. Die Konversationsanalyse konzentrierte sich zunächst hauptsächlich auf die Analyse sogenannter »ordinary conversations«, also auf Alltagsgespräche im weitesten Sinn. Gegenstand der Konversationsanalyse waren hier vor allem Aufzeichnungen von real abgelaufenen »natürlichen« kommunikativen Interaktionssituationen. Die Konversationsanalyse befasst sich dabei nicht mit der Formulierung und dem Testen vorgängiger Hypothesen. Vielmehr ist es ihr Ziel, über induktive Forschungsstrategien die Merkmale und wiederkehrenden Regelmäßigkeiten verbaler und nonverbaler Kommunikation zu identifizieren. Mittlerweile haben sich hier u. a. zahlreiche Forschungsrichtungen etabliert, die sich vor allem der Analyse von Kommunikationen in institutionellen Zusammenhängen widmen. Hier geht es um Kommunikationsformen, in denen mehr oder weniger offizielle oder formalisierte aufgaben- bzw. rollenbezogene Aktivitäten im Mittelpunkt stehen: z. B. um Interaktionen zwischen Arzt und Patient, um Gesprächsstrategien in Gerichtsverhandlungen, um Vorstellungsgespräche, um Unterrichtsstunden in der Schule und in der Universität und schließlich auch um medienspezifische Kommunikationsformen, hier insbesondere im Rahmen von Radio und Fernsehen (Keppler 2011; Ayaß 2004).

Ganz ähnlich gilt für das Konzept und die Theorie der kommunikativen Gattungen, dass hier die Untersuchungen von kommunikativen Vorgängen der interpersonalen Face-to-Face-Kommunikation im Mittelpunkt der Betrachtungen standen. Dennoch gab und gibt es von Anfang an Arbeiten, die sich in diesem Kontext auch mit technisch vermittelter Kommunikation auseinandergesetzt haben (vgl. Keppler 1985; Ulmer/Bergmann 1993; Keppler 1994; Ayaß 1997; Schmidt 2000). Diese Analysen verweisen darauf, dass bei einer Analyse von Kommunikationsformen, die im Unterschied zur Face-to-Face-Kommunikation durch technische Medien vermittelt sind, vielfältige Inszenierungsmöglichkeiten über Kameraoperationen oder auch über Einblendungen von Musik und Geräuschen hinzutreten. Diese mediale Mischung aus verbalen und nonverbalen, aus inszenatorischen und dramaturgischen Elementen muss berücksichtigt werden, will man die Theorie kommunikativer Gattungen für die Analyse medial vermittelter Kommunikation adäquat weiterentwickeln. Trotz gravierender Unterschiede lässt sich der Grundgedanke dieses Vorschlags auch auf die Untersuchung medial vermittelter Kommunikation übertragen.1 Denn auch hier haben wir es mit Kommunikationsformen zu tun, die auf ihre Weise Antworten auf kommunikative Probleme oder Bedürfnisse anbieten.

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