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Neue Formen von Ethnographie

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Die bereits erwähnte Kritik an der Theorielastigkeit der Forschungen zum Widerstand führte innerhalb der Cultural Studies zur Diskussion und Entwicklung neuer Forschungsstrategien, die der gelebten Wirklichkeit angemessener sind. Eine wichtige Bedeutung kommt dabei dem Dialog zwischen dem Selbst des Forschers und der Perspektive des Anderen, dem Untersuchungsobjekt, zu (Lincoln/Denzin 2003). Dessen Welt soll nicht von außen beschrieben werden, sondern es geht um eine Interaktion bzw. eine Begegnung zwischen verschiedenen Welten, bei der die Perspektive des Untersuchten möglichst unter dessen aktiver Mitwirkung »authentisch« erfasst werden soll. So muss sich der Forscher zunächst klar machen, was ihn daran hindert, die Welt des Anderen, der z. B. leidenschaftlich gerne Horrorfilme schaut oder Gangsta Rap hört, zu verstehen. Sich der eigenen Grenzen bewusst zu werden, fördert dann die Sensibilität gegenüber fremden und radikal differenten Erfahrungswelten. Ergänzt wird dieser Reflexionsprozess durch neue Formen des Schreibens (Richardson 2000, Leavy 2013), die persönlich, literarisch und experimentell auch die nicht rationalen Aspekte der Erfahrung des Forschers darstellen, die sich auf die (Medien-) Welten der Anderen beziehen. Die Forschungsberichte, die deren Erleben möglichst gerecht werden sollen, sind oft multivokal gestaltet. Eine Strategie besteht auch darin, die Ergebnisse in einer Performance zu vermitteln (Denzin 1999, Winter/Niederer 2008, Gergen/Gergen 2012). Auf diese Weise kommen ästhetisch geprägte Formen der Wahrnehmung und des Wissens zur Geltung, die die Konstruktionen von Selbst und Anderen verändern können (Gergen/Gergen 2012). Zudem wird den Untersuchten genügend Platz zugestanden, ihre eigene Perspektive darzustellen, bevor sie dann vom Forscher lokalisiert und reflektiert wird. Des Weiteren wird in diesen neuen Formen von Ethnographie hervorgehoben (→ Winter, S. 588 ff.), dass die untersuchten (Medien-)Welten eine Vielzahl an Stimmen beinhalten und so die Perspektiven unterschiedlicher Akteure in ihrer jeweiligen Lebenssituation eingeholt werden sollen.

Ethnographische Praktiken im Rahmen von Cultural Studies erweisen sich so in der globalen Medienwelt des 21. Jahrhunderts auch als ein moralischer Diskurs (Denzin 1997, Denzin 2010, Winter/Niederer 2008), der (problematische) Lebens- und Medienerfahrungen zugänglich macht und Einblick in (neue) Formen sozialer und kultureller Ungleichheit geben kann.

Qualitative Medienforschung

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