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Die Perspektive der Cultural Studies

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Zentrales Merkmal der qualitativen Medienforschung im Kontext von Cultural Studies ist die theoretische und empirische Untersuchung des Verhältnisses von Erfahrungen, medialen Texten und sozialen Kontexten. Anders formuliert, ihr transdisziplinär orientiertes Forschungsinteresse gilt dem komplexen und vielschichtigen Zusammenhang von alltäglich erlebter, diskursiver und gesellschaftlicher Wirklichkeit in der globalen Ära des 21. Jahrhunderts. Diese dreiseitige Ausrichtung bringt unterschiedliche methodologische Orientierungen mit sich, deren wechselseitige Verknüpfung Cultural Studies seit ihren Anfängen bestimmen. Die Singularität und Kreativität dieses Forschungsansatzes, der sich dem »whole way of life« im Sinne von Raymond Williams (1958) verschrieben hat, beruhen auf der gegenseitigen Ergänzung und Bereicherung, aber auch auf den nicht vermeidbaren und produktiv genutzten Widersprüchen, die aus den differenten methodologischen Optionen resultieren.

So hat z.B. die qualitativ-empirische Erforschung der Medienrezeption einen phänomenologischen und hermeneutischen Schwerpunkt, da es um das Verständnis von »lived realities«, von Erfahrungen und Praktiken, geht (Winter 2010). Die Analyse medialer Texte stützt sich auf strukturalistische bzw. poststrukturalistische Ansätze. Denn die Logik eines Spielfilms oder einer Fernsehserie kann sich erschließen durch das Aufzeigen der Werte, die sich in der binären Logik von medialen Texten verstecken, der diskursiven Rahmungen, die mediale Wirklichkeiten strukturieren, oder der intertextuellen Bezüge, die ein medialer Text unterhält und die den mediatisierten Charakter unserer Wirklichkeitserfahrung und unseres Wissens hervorheben. Dagegen hat die Analyse der sozialen und politischen Kontexte, in der mediale Texte rezipiert und angeeignet werden, notwendigerweise einen »realistischen« Charakter, so z. B. in der Deskription des situationalen Settings, in der sich eine Medienrezeption vollzog, oder der zunehmenden globalen Vernetzung.

Cultural Studies zeichnen sich nun dadurch aus, dass sie die auf diese Weise entstehenden Spannungen, Konflikte und durch die Verknüpfung unterschiedlicher Perspektiven manchmal überraschenden Einsichten ins Zentrum ihrer Analysen rücken. Die Bricolage des Forschungsprozesses (Kincheloe/McLaren/Steinberg 2011), die Triangulation unterschiedlicher Methoden und Theorien je nach Forschungsfrage (→ Treumann, S. 264 ff.), veranschaulicht, dass diese transdisziplinär ausgerichtete Forschungstradition mit der positivistischen Agenda gebrochen hat, dass es das Ziel von Forschung sei, Hypothesen oder Theorien darüber aufzustellen, was in der Welt »wirklich« vor sich geht, und dann durch die methodisch erzeugte und kontrollierte Analyse von (harten) Daten herauszufinden, ob dies »wirklich« so ist. Dagegen zeigen Cultural Studies, dass Forschungsfragen, -methodologien und -interessen durch soziale, politische und historische Kontexte geprägt werden (Grossberg 2010). In der Forschung wird nicht Realität »objektiv« analysiert, vielmehr ist die Forschung Teil der Wirklichkeit, die sie erzeugt und sozial konstruiert. Da Methodologien und Schreibweisen der Forscher die Wirklichkeit nicht widerspiegeln, ist es angebracht, durch unterschiedliche Methoden auch verschiedene Wirklichkeiten zu erzeugen und zur Darstellung zu bringen. So wird die Partikularität von Perspektiven deutlich, und deren differenten Wirklichkeitskonstruktionen wird Rechnung getragen. Das gewonnene Wissen ist immer sozial und politisch lokalisiert, sodass die Forscher/-innen auch dazu aufgefordert werden, die Diskurse und Positionen, die ihr Denken prägen, kritisch zu hinterfragen. Dabei haben die neueren Ansätze von Cultural Studies einen »performance turn« vollzogen (Denzin 2003, Gergen/Gergen 2012). Sie sind sich dessen bewusst, dass sie Kultur in ihren Widersprüchen und Konflikten »zur Aufführung« bringen, wenn sie über sie forschen und schreiben. »Reflexive Performance« und (Auto-)Ethnographie rücken ins Zentrum der neueren qualitativen Forschung.

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