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Positive Verstärkung, also Training mit Belohnung, ist unser Ziel. Aus Platzgründen nennen wir sie fortan einfach BESTÄRKUNG.
SINNVOLL FÜTTERN!
Wir wollen Futter zu einem definierten Zeitpunkt nutzen, ganz gezielt, um etwas Neues beizubringen oder gelerntes Verhalten zu verbessern. In der Pferdewelt bestehen oftmals Vorbehalte gegen den Einsatz von Futter im Training. Das ist völlig in Ordnung. Früher sah ich einmal eine Frau im Park, die ihre beiden Hunde rief. Sie kamen sofort angestürmt und setzten sich artig bei Fuß. Ein nebenstehender Fußgänger war begeistert. Bis die Frau beide Hunde mit Futter belohnte. „Ach so“, sagte er enttäuscht. „Die sind ja gar nicht gut erzogen, sie füttert die Hunde ja bloß!“ Der Fußgänger hätte wohl einen Gehorsam aus reiner Ehrfurcht bevorzugt. Dass die Hunde gehorchen, weil sie eben gehorchen müssen. Im Umkehrschluss: Dass die Hunde wissen, dass etwas Schlimmes passiert, wenn sie es nicht tun. Wäre das besser gewesen? Beleuchten wir einmal Einwände, die gegen Futter bestehen könnten.
Das Pferd wird fett!
Futter muss selbstverständlich mit Bedacht eingesetzt werden, das ist richtig. Die tägliche Ration an Kraftfutter kannst du kürzen oder gegen ein Strukturfutter ersetzen. So kannst du eingesparte Energiemenge für die Arbeit verwenden (Abb. S. 67 unten). Verschaff dir, ggf. zusammen mit einem Fütterungsberater, einen Überblick darüber, wie viel Energie du zurzeit nach der Arbeit fütterst, und nutze sie lieber gezielt fürs Training ( das Beste finden).
Lass dein Pferd während der Arbeitszeit nicht grasen oder frei entscheiden, wohin es geht, denn dann kommst du zu nichts. Benutze ein Halfter.
Mein Pferd ist jetzt schon zu dick
In so einem Fall weiß der Besitzer längst, dass er etwas gegen das Übergewicht seines Pferdes unternehmen muss. Hier ist geraten, mit einem Tierarzt oder Fütterungsberater einen Diätplan zu besprechen und ein Bewegungstraining zu gestalten. Hat das Pferd abgenommen, können, nach tierärztlicher Rücksprache, ggf. Karottenstücke oder energiereduzierte Pellets eingesetzt werden. Hat das Pferd eine Stoffwechselerkrankung wie Hufrehe, Equines Cushing Syndrom, Equines metabolisches Syndrom (Abb. S. 67 oben) etc. oder bei Unsicherheiten muss stets Rücksprache mit dem Tierarzt gehalten werden.
Futter ist doch Bestechung
Bestärken und Bestechen ist nicht dasselbe. Bestechung bedeutet, vorher etwas in Aussicht zu stellen, damit jemand nachher etwas macht. Der Einsatz von Lockmitteln (Luring)1 ist eine solche Trainingsstrategie, für das Okapi-Training® nutzen wir diese nur selten. Beim Luring ist zuerst Futter da, das Pferd wird damit in eine bestimmte Richtung gelockt. Wir bevorzugen: erst Tätigkeit, dann Futter. Daher wird das Futter auch erst nach dem Click aus der Tasche geholt. So liegt der Fokus von Anfang an auf der Tätigkeit.
Hat das Pferd verstanden, dass während der Zusammenarbeit nicht gegrast werden darf, ist auch die freie Arbeit auf der Wiese möglich. Alternativ kann man ein Anti-Grasen-Training positiv bestärken.
Futter für die Arbeit nutzen! Bei Fütterung nach der Arbeitseinheit stellt das Pferd keinen Zusammenhang zur Arbeit mehr her.
Übergewicht und Equines metabolisches Syndrom. Dieses Pferd darf kein Belohnungsfutter haben.
Mein Pferd wird zum taschenwühlenden Albtraum
Ein bettelndes Pferd ist nervig und schwierig zu handhaben. Keine Panik: Wir zeigen dir, wie du von vornherein Betteln vermeidest. Beginne unbedingt als Erstes mit dem Anti-Taschenwühlen-Training. Dann bist du auf der sicheren Seite und hast jederzeit Kontrolle. Überspringe diese Übung nicht.
Ich mache mich abhängig vom Füttern
Anders als in der negativen Verstärkung, wo man ständig wieder neue unangenehme Impulse setzen muss, motiviert der gezielte Einsatz von Belohnung das Pferd dazu, von selbst länger in einer Übung zu bleiben. Man kann den Aufbau einer Dauer oder Aufbau einer Verhaltenskette gezielt trainieren und dadurch mit fortschreitendem Trainingserfolg Futter einsparen. Zudem werden exakt trainierte Pferde absolute Profis im Lesen feinster Hilfengebung. Und: Ein Kommando kann selbst zur Belohnung werden [106], indem man nach einer Bewegung ein zweites Signal zu einer zweiten Bewegung gibt, bevor man belohnt [107]. Dies nennt man einen tertiären Verstärker ( Die wichtigste Regel, wenn du dein Pferd bestärkst).
Diese kleine Beispiel-Ration, die vormals nach dem Reiten gefüttert wurde (Abb. S. 66 unten), ergibt jetzt Belohnung für 222 Clicks.
Da Höflichkeit trainierbar ist, können wir entspannt mit Futter umgehen.
„Konditionierung“ und „Clickern“ klingen unpersönlich…
Keine Sorge: Der Clicker ist nur ein Gegenstand, der ein kleines Geräusch erzeugt. Training mit einem Marker-Signal verhilft uns zu schnellerem Lernen. Nicht mehr und nicht weniger. Wir werden nicht vom Clicker abhängig – falls du möchtest, kannst du jederzeit ein Stimm-Lob verwenden. Unpersönlich ist der Clicker nicht, im Gegenteil! Wer positiv verstärkt, stärkt die Bindung zu seinem Pferd auf unvergleichliche Weise.
Wann kann ich das Futter weglassen?
Ganz ehrlich? Niemals! Die kurz gefasste Wahrheit ist: Wer Belohnung im Pferdetraining ablehnt, kann nicht mit Bestärkung arbeiten. Soll ein Pferd etwas für dich tun, muss es einen Grund dazu haben. Eine Motivation also. Ohne Motivation tut niemand irgendetwas, kein Pferd und auch kein Mensch. Der Trainer kann nur wählen, ob die Motivation etwas Angenehmes oder etwas Unangenehmes sein wird. Seltsamerweise wird beim Einsatz von Druck praktisch niemals gefragt, ab wann man darauf verzichten könne.
Man kann nicht später das Futter durch etwas anderes ersetzen, auch nicht durch Streicheleinheiten ( Praxistest: Kraulen statt füttern). Lass dich darauf ein – ganz oder gar nicht.
Hunde trainiert man oft mit Futter, wieso nicht Pferde?
Obwohl Pferde anhand von Belohnung schnell und gut lernen, ist positive Verstärkung im Pferdetraining noch wenig verbreitet. Erfahrungsgemäß lehnen viele Reiter den gezielten Einsatz von Belohnung deswegen ab, weil sie noch keine angenehmen Erfahrungen damit machen konnten. Vielleicht, weil ihnen nicht gezeigt wurde, wie man Betteln vermeidet oder gezielt mit Futter trainiert. Arbeit mit Pferden ist eine traditionsgeprägte Kunst. Je größer die Tradition, desto weniger wird hinterfragt. „Mach es, oder sonst …!“ ist immer noch vorherrschendes Grundprinzip. Es stammt noch aus einer Zeit, in der man über Lernverhalten nicht viel wusste. Man erzählt sich sogar, dass B. F. Skinner höchstpersönlich bei einem Vortrag seinerzeit in einem Reitstall das Wort abgeschnitten wurde: „Dr. Skinner, Sie müssen lernen, dass man nie mals nett zu Pferden sein darf!“, woraufhin er seine Bemühungen in der Pferdewelt einstellte [34] und sich Zuhörern widmete, die bereits etwas aufgeschlossener waren. Schade, denn mit Belohnung zu arbeiten ist unglaublich effektiv und macht viel mehr Spaß!
Traditionell stieg man in der Kavallerie von links auf, da der Säbel links am Körper hing. Fast alle Reiter tun dies heute noch, obwohl der Grund hierfür längst weggefallen ist. Fuchsi ist darauf trainiert, den Reiter am Hocker abzuholen. Von rechts oder von links.
Auch wenn Jupiter das Streicheln mag, ist der Belohnungseffekt nicht groß genug für ein gezieltes Training.
Reiben dieser Areale senkt die Herzfrequenz (schematisch, ungefähre Darstellung nach Normando et al., 2003).
Ich belohne mit der Stimme, das genügt!
Ein weit verbreiteter Trugschluss! Menschliche Sprache allein hat leider keinerlei lobenden Effekt [9]. Ein Lob muss mit einem Motivationsmittel verknüpft werden, ansonsten hat es keine Bedeutung für das Pferd [36]. Hier ein Beispiel: Rosalie macht mit Alfie Bodenarbeit. Wenn Alfie antraben soll, arbeitet sie mit negativer Verstärkung und setzt dazu die Gerte ein. Immer, wenn er antrabt, sagt sie: „Brav!“, doch zeitgleich fällt auch ihre Gerteneinwirkung weg, ohne dass sie das so recht bemerkt. Sie findet, dass Alfie auf „Brav!“ gut reagiert, und nimmt an, dass ihre Stimme hier die Belohnung darstellt. Was sie übersieht, ist, dass ihr Lobwort vor allem das Signal für Alfie ist, dass gleich der Druck wegfällt. „Brav!“ funktioniert ziemlich gut, aber nicht, weil Alfie Rosalies Stimme so gern mag. Sondern, in diesem Fall, weil „Brav!“ den Moment der Erleichterung markiert. Würde sie die Gerte weglassen, käme sie mit der Stimme allein nicht lange weiter.
Kann ich kraulen, statt zu füttern?
Eher nicht. Einerseits kann Kraulen durchaus einen positiven Effekt haben [105]: In Versuchen sank die Herzfrequenz des Pferdes, wenn dort gerieben wurde, wo auch Weidepartner sich pflegen (Abb. diese Seite oben). Shetlandponyfohlen können durch Belohnung mit Fellkratzen ein schlichtes Targettraining lernen [46]. Aber: Die wenigsten Pferde mögen Körperkontakt derart gern, dass sie dafür viel Neues lernen würden. Auch hängt es von den Umständen ab, ob das Kratzen jetzt willkommen ist. Ein gestresstes Pferd ist dafür weniger empfänglich [41], ein Pferd im Fellwechsel umso mehr.