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1.1 Einführende Übersicht

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Das Konzept der bipolaren und unipolaren bzw. depressiven Erkrankungen hat eine jahrhundertelange Geschichte und somit auch eine über Jahrhunderte währende Evolution. Die Geburtsstunde der psychiatrischen Konzepte – vor allem jene der affektiven Störungen – ist mit der Geburt der Medizin als Wissenschaft durch Hippokrates und die Hippokratiker gleichzusetzen. Die Konzepte der affektiven Störungen erfuhren durch Aretäus von Kappadokien und andere eine ganz besondere Entwicklung. Nach einer Fortsetzung durch die klassischen griechischen und später auch römischen Ärzte geriet dieses Gebiet jedoch in Vergessenheit. Während der langen, dunklen, mittelalterlichen Nacht, aber auch später, nach der Renaissance und dem Zeitalter der Aufklärung, geschah wenig oder gar nichts. Die Wiederentdeckung der affektiven Störungen ging auch nicht unmittelbar mit der Gründung der Psychiatrie als wissenschaftliche Disziplin am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts einher, sondern setzte erst ein halbes Jahrhundert später ein. Es waren die Arbeiten von Falret (1854) über die Folie circulaire und die seines Rivalen Baillarger (1854) über die folie à double forme, die den neuen Anstoß gaben.

Weitere neue Impulse kamen von Kraepelin, der im letzten Jahr des ausklingenden 19. Jahrhunderts das manisch-depressive Irresein konzeptualisierte. Schon bald bemerkten Wernicke, Kleist, später auch Leonhard sowie deren Schüler, dass die Idee der Vereinheitlichung aller affektiven Erkrankungen unter dem »Kraepelin’schen Dach« des manisch-depressiven Irreseins eine unzulässige Simplifizierung ist. Trotz der richtigen Ansätze der »drei Karls« setzte sich das klarere, einfachere und nachvollziehbarere Konzept Kraepelins durch.

Die Wende kam nach der Entdeckung der modernen Psychopharmakotherapie mit ihren ungeheuren Auswirkungen auf alle Gebiete der Psychiatrie. Im Jahre 1966 wurden von Angst und Perris zwei wichtige, voneinander unabhängige Studien vorgelegt: »Zur Ätiologie und Nosologie endogener depressiver Psychosen« (Angst 1966) und »A study of bipolar (manic-depressive) and unipolar recurrent depressive psychoses« (Perris 1966). Beide Arbeiten belegten die nosologische Differenzierung unipolarer und bipolarer Erkrankungen. Damit wurden wesentliche Ansichten von Kleist, Leonhard u. a. bestätigt und ergänzt. Gleichzeitig wurden auch die Ansichten von Falret und Baillarger, den ungleichen und miteinander verfeindeten Vätern des Konzepts der unipolaren und bipolaren Erkrankungen, in der neuen Zeit »rehabilitiert«.

Obwohl die Wernicke-Kleist-Leonhard-Schule schon früher Wesentliches dazu beigetragen hat, kann man dennoch das Jahr 1966 als einen Einschnitt oder, wie es Pichot (1995) ausdrückte, als »das Wiedergeburtsjahr« der bipolaren Erkrankungen betrachten.

Während seiner 150-jährigen Entwicklung war das neuzeitliche Konzept der unipolaren und bipolaren Erkrankungen nicht immer durch Klarheit gekennzeichnet (Pichot 1995; Marneros 2004b). Insbesondere die Ansichten der Schule von Wernicke, Kleist und Leonhard erreichten teilweise für manche Kliniker und Forscher nicht immer nachvollziehbare Dimensionen, so etwa die Konzepte der »reinen Melancholie« vs. der »reinen Depression« bzw. der »reinen Manie« vs. der »reinen Euphorie« oder durch die Plethora von Aufspaltungen der sogenannten endogenen (autochthonen) (Auto-)Psychosen (Marneros und Pillmann 2004). Daher wurden viele Aspekte, die sich später als richtig erwiesen, nicht wahrgenommen. Durch die beiden erwähnten empirischen Studien von Angst und Perris sowie die kurz darauf folgenden Arbeiten der Gruppe um Winokur konnten sich jedoch wesentliche Aspekte der Ansichten von Falret und Baillarger, von Kleist, Leonhard und anderen in klarerer Form durchsetzen. Es wurde eine Basis geschaffen, auf der sich eine operationale und empirische klinische sowie paraklinische Forschung entwickelte (Marneros 2004b; Goodwin und Jamison 2007).

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