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1.3 Das »manisch-depressive Irresein« vs. »unipolar-bipolar«

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Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit hatte bekanntlich das fundamentale Werk Kraepelins eine entscheidende Wirkung. Zu Recht verdient er den Titel »Vater der modernen Psychiatrie«. Durch die von ihm postulierte Dichotomie der endogenen Psychosen in dementia praecox und manisch-depressives Irresein wurde Wesentliches zur Bereinigung der begrifflichen Verwirrung in der Zeit vor ihm geleistet. Gleichzeitig jedoch wurde von ihm manches so stark vereinfacht, dass man in diesem Fall nicht mehr nur von Fortschritt, sondern auch von Rückschritt sprechen muss. Als Rückschritt erwies sich die »Zusammenpressung« von Manie und Depression in all ihren Verlaufsformen und Ausprägungen sowie das Verschmelzen aller anderen Formen affektiver Störungen zu einer einzigen Kategorie, nämlich der des »manisch-depressiven Irreseins« (Kraepelin 1899). Später stellte sich diese Vorgehensweise als Irrtum heraus – zumindest überwiegend (Akiskal 2002). Auch geniale Menschen können sich irren. Ihre Irrtümer haben allerdings eine längere und nachhaltigere Wirkung als die »gewöhnlicher« Menschen.

Die Systematik Kraepelins hat viele Opponenten gefunden, vor allem die Schule um Wernicke und seinen damaligen Assistenzarzt in Halle und späteren Ordinarius in Rostock und Frankfurt am Main – Kleist, später auch Leonhard. Aber dies bedeutet nicht, dass die Opposition gegen Kraepelin erst damit angefangen hat. Schon der Vorgänger von Wernicke an der Universität Halle-Wittenberg, Hitzig (Marneros und Pillmann 2004; Marneros und Pillmann 2005), griff Kraepelin wegen seiner Tendenzen, die periodischen Psychosen zu erweitern, sehr scharf an. Wernicke widersprach der Auffassung Kraepelins, dass die Melancholie nur eine Teilerscheinung der manisch-depressiven Erkrankung darstelle. Die manisch-depressive Krankheit durfte nach der Ansicht Wernickes nicht auf Einzelfälle von Melancholie oder Manie ausgedehnt werden (Wernicke 1906). Die zirkuläre Geisteskrankheit wurde in Übereinstimmung mit Falret und Baillarger als regelmäßiges Alternieren manischer und depressiver Zustände beschrieben, die durch kürzere oder längere Intervalle miteinander verbunden sind.

Mit Kleist, dem Schüler von Wernicke in Halle, finden auch die Begriffe unipolar und bipolar als Antipode zum Kraepelin’schen Einheitsbegriff des manisch-depressiven Irreseins ihren Eingang in die Psychiatrie. Schon im Jahre 1937 machte Kleist einen Vorschlag zur Klassifizierung der neuropsychischen Erkrankungen, den er letztlich 1950 und 1951 bei Vorträgen in Madrid und Frankfurt und in einer Klassifikation von 1953 abgeschlossen hat ( Kasten 1.1).

Kasten 1.1: Die Gliederung der »neuropsychischen Erkrankungen« nach Kleist (1953)

a. einfache (unipolare) Formen:

Melancholie, Angstpsychose, ängstliche Beziehungspsychose,

hypochondrische Depression,

depressiver Stupor.

Manie, ekstatische Eingebungspsychose,

hypochondrische Erregung.

b. mehrgestaltige (bipolare) Formen:

manisch-depressive Gemütskrankheit,

hyperkinetisch-akinetische Motilitätspsychose,

erregt-stuporöse Verwirrtheitspsychose,

ängstlich-ekstatische Bedeutungspsychose.

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