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3. Unter muslimischer Herrschaft
ОглавлениеDie (ost-)römische Armee wurde in der Schlacht am Yarmuk 636 von den muslimischen Arabern geschlagen. Antiocheia fiel im Jahr 637, Jerusalem 638 und Alexandreia im Jahr 642. Besonders die vom (ost-)römischen Kaiser in Konstantinopel verfolgten Christen, die das Credo der Konzilien von Ephesos (431) und Chalcedon (451) nicht annahmen, sahen die Muslime oftmals wie eine christliche Sekte und zunächst als Befreier. Die römische Gesetzgebung und Staatsreligion betraf sie nun nicht mehr. Die pro-chalkedonensischen Patriarchate von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem waren nun aber gemeinsam im selben Machtbereich, wie die anti-chalkedonensischen Kopten, Syrisch-Orthodoxen und die (ostsyrische) Kirche des Ostens des persischen Sassanidenreiches. Sie verloren ihre privilegierte Stellung und die regelmäßige Verbindung zum Patriarchat von Konstantinopel, das alleinig im (ost-)römischen Reich verblieb. Aufgrund ihrer mutmaßlichen Verbindung zum Kaiser erlitt die griechische Bevölkerung anfänglich Verfolgungen. Viele Griechen, vor allem des antiochenischen Patriarchates, wanderten daher in das (ost-)römische Reich ab, während die syrischen Christen einen besseren Zugang zu den ebenso semitischen Arabern fanden.
Die einzelnen Kalifen nahmen durchaus unterschiedliche Haltungen gegenüber der christlichen Bevölkerung ein. Vor allem mussten sich die Muslime zunächst des (ost-)römischen Verwaltungsapparates zur Administration der neueroberten Gebiete bedienen und Christen hatten in der Anfangsphase hohe Staatsämter inne. Ein melkitischer Christ des Patriarchats von Antiocheia, der Großvater des bedeutenden orthodoxen Kirchenschriftstellers Johannes von Damaskos (650–754), war beispielsweise der erste Finanzminister der Omayaden. Auch beginnt mit dem Schüler des Johannes und späteren Bischof von Harran, Theodor Abu Qurrah (750–825), die Reihe der prominenten arabisch schreibenden griechischen Theologen. Christen als Anhänger einer Buchreligion genossen durch ein Abkommen (dhimma) einen gewissen Schutz. Eine Sondersteuer (jizyah) bewahrte sie theoretisch vor der Annahme des Islam und vor dem Kriegsdienst. Allerdings entstand mit der Zeit ein Zweiklassensystem, das durch Kleidervorschriften für Christen auch sichtbar war. Wer diesen Status vermeiden und/oder die zusätzlichen Steuern für die Christen sparen wollte, trat zum Islam über.
In der Zeit des „Byzantinischen Bilderstreites“ im 8. und 9. Jh. berief man sich im (ost-)römischen Reich auf die Theologie des Johannes von Damaskos, der am Kalifenhof aufgewachsen war und später in das Sabaskloster eintrat. Obwohl die Verbindung nach Konstantinopel schwierig war, wandten sich die griechisch-orthodoxen Patriarchen von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem mit einer Synode in Jerusalem (745) gemeinsam gegen den Ikonoklasmus, was im muslimischen Umfeld umso bemerkenswerter erscheint. Auch während der zweiten ikonoklastischen Periode schrieben die Patriarchen Christophoros I. von Alexandreia (805–836) und Basileios von Jerusalem (820–838) an Kaiser Theophilos und traten für die Bilderverehrung ein.
Gleichwohl setzte im griechisch-orthodoxen Patriarchat von Alexandreia der Niedergang ein. Es war gegenüber den anti-chalkedonensischen orthodoxen Kopten ohnehin schon in der Minderheit; in der islamischen Zeit aber ging die Zahl der Bischöfe, Klöster und Kirchen noch mehr zurück. Nahezu achtzig Jahre (651–727) blieb das Patriarchat unbesetzt. Es konnte sich erst im Jahr 750 neu organisieren, verblieb künftig aber unter Konstantinopler Einfluss. Noch im 7. Jh. hatten sich Kopten und Griechen der alten alexandrinischen Liturgie bedient; von nun an bis zum 12. Jh. wurde diese aber im griechisch-orthodoxen Patriarchat durch die byzantinische völlig ersetzt.
Die Verbindungen des Patriarchats von Antiocheia zum Kalifenhof waren zur Zeit der Omayaden-Dynastie wechselhaft. Die Kalifen versuchten Einfluss auf die Patriarchenwahl zu gewinnen, um die Verbindung zu Konstantinopel zu unterbinden. Daher blieb der Patriarchenstuhl de facto oft unbesetzt. In einer dieser Zeiten der Sedisvakanz (702–742) kam es zu einer weiteren Teilung der antiochenischen Cathedra, denn die pro-chalkedonensischen, aber als „Monotheleten“ verdächtigten Maroniten, wählten mit einigen benachbarten Bischöfen einen eigenen Patriarchen von Antiocheia. Wegen der bedrängenden Politik der arabischen Herrscher zogen sie sich in das unwegsame Bergland des Libanon zurück oder flohen nach Zypern. Damit verlor das griechisch-orthodoxe Patriarchat von Antiocheia nach dem Aderlass durch die Anti-Chalkedonenser auch das letzte syrische Element. Die (Ost-)Römer vermochten 969 die Stadt wieder in ihren Besitz zu bringen, sodass bis zur Eroberung durch die Seldschuken 1085 das Patriarchat wieder aufblühte. Auch hier fand nun ein Rituswechsel statt, der bis Ende des 12. Jh. abgeschlossen war: Die angestammte antiochenische Tradition wurde durch die Gottesdienstordnung von Konstantinopel ersetzt. In Antiocheia wie auch Alexandreia setzte sich zudem allmählich das Arabische anstelle der orientalischen Sprachen als Medium der Kanzleien der Patriarchen durch.
Große Ausstrahlung für die orthodoxe Theologie und Liturgie erlangte das südlich Jerusalems gelegen Mar Sabas Kloster. Dort wirkten u.a. Johannes von Damaskos, Theodor Abu Qurra, Kosmas der Melode, Michael Synkellos und Theodor Studites. In Jerusalem hatte die Christenheit mit der omayadischen Herrschaft von Kalif ‘Abd al-Malik (646–705) zur Kenntnis zu nehmen, dass die Muslime ihre Herrschaft auch mit einem Bauprogramm zu demonstrieren suchten. Dies inkludierte 691 die Errichtung des Felsendoms zu Ehren Abrahams und Muhammads inmitten der heiligen Stadt. Jerusalem hatte auch kontinuierlich Verbindung zu wallfahrenden lateinischen Christen. Im Jahr 800 gewährte der in Bagdad residierende abbasidische Kalif Harun ar-Rashid Karl dem Großen freien Zugang der westliche Christenheit zu den heiligen Stätten. Jerusalem wurde zum Ort der Auseinandersetzung und Begegnung der drei monotheistischen Religionen, wie auch der östlichen und westlichen Christenheit. Unter dem 969 in Ägypten an die Macht gekommenen Fatimiden Kalif al-Hakim kam es 1009 zur Zerstörung der Grabeskirche (orthodox: Auferstehungskirche) in Jerusalem. Allerdings hingen muslimische Repressalien immer von den jeweiligen Herrschern ab. So blieb auch die (ost-)römische Regierung, die die Situation der Christen in diesen Gebieten besser kannte als der Westen, stets diplomatisch, während im Abendland die Zerstörungen den Gedanken grundlegten, die heiligen Stätten seien zu befreien. Mit dem Abschluss eines Vertrags (1027) zwischen dem Kalifat und Konstantinopel zur Abwehr der Seldschuken kehrte im Osten wieder religiöse Toleranz ein. Der (ost-)römische Kaiser wurde als Schutzherr des orthodoxen Christentums anerkannt und zerstörte Kirchen wiedererrichtet. Unter Kaiser Konstantinos IX. Monomachos (1042–1055) konnte der Wiederaufbau der Auferstehungskirche vollendet werden.
Zypern war von Anbeginn der omayadischen Herrschaft bis zum 10. Jh. wiederholt Ziel von arabischen Angriffen. Mehrfach wurde die Insel überfallen und geplündert. Aber nicht alle Schwierigkeiten stammten allein von den Arabern. So versuchte Kaiser Justinianos II. (685–695/705–711), die Bevölkerung nach Kyzikos am Marmarameer umzusiedeln und Kalif ‘Abd al-Malik protestierte gegen die Deportationen. Das Konzil von Trullo (Quinisextum 691) bekräftigte daher die Autokephalie der zypriotischen Kirche und musste sich mit dem Problem des ausgesiedelten zypriotischen Klerus beschäftigen. Unter Theodosios III.(715–717) kehrten die Vertriebenen wieder zurück; der Friedensvertrag zwischen dem Kaiser in Konstantinopel und den Arabern wurde erneuert. Kirchen und Basiliken konnten nun wieder hergestellt werden.
Die Trennungsgeschichte zwischen Rom und Konstantinopel betraf die Patriarchate des Orients zunächst nur peripher. Vermittelnd griff Patriarch Petros III. von Antiocheia in die Wirrnisse um die Geschehnisse zwischen Rom und Konstantinopel im Jahr 1054 ein. Er wandte sich sowohl an Papst Leo IX. als auch den Ökumenischen Patriarchen Michael Kerullarios von Konstantinopel, um sie zu einer einsichtigen Haltung zu bewegen. Mit diesem Jahr war das Schisma zwischen östlichem und westlichem Christentum keineswegs endgültig vollzogen. Die drei Patriarchate von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem, die unter muslimischer Herrschaft standen, bedurften aber (ost-)römischer politischer wie finanzieller Unterstützung. Dies förderte die Hinwendung zu Konstantinopel ebenso wie die gemeinsame ostkirchliche Tradition. In liturgischer Hinsicht wurde dies besonders anschaulich. Insbesondere haben aber die Kreuzzüge zum Bruch zwischen allen östlichen Patriarchaten und Rom geführt.