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4. Das Zeitalter der Kreuzzüge
ОглавлениеIm Jahr 1055 nahmen die Seldschuken Bagdad ein und drängten weiter gegen das (ost-)römische Reich. Kaiser Romanos IV. Diogenes (1068–1091) war entschlossen, sie abzuwehren, wurde jedoch 1071 nördlich des Van-Sees geschlagen. Schon 1070 war Jerusalem erobert worden, 1084 ging auch Antiocheia verloren. Als sich Kaiser Alexios I. Komnenos an den Papst in Rom um Hilfe wandte, nützte dieser die Gelegenheit, um seine universale Stellung im europäischen Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium zu festigen. Urban II. (1088–1099) wollte die Kirche als zielgebende Ordnungsmacht in Mitteleuropa etablieren, das nach dem Ende des karolingischen Reiches in sich befehdende adlige Einflussgebiete zerfallen war. 1098 besetzten die Kreuzritter Antiocheia und schon ein Jahr später Jerusalem. Sukzessive wurde das ganze Küstengebiet erobert und durch einen Gürtel von Kreuzfahrerburgen abgesichert.
Während der fränkischen Invasion (1096–1270) geschah das für die pro-chalkedonensische Orthodoxie Ungeheuerliche: Völlig unkanonisch wurden die Patriarchate von Antiocheia (1098), Jerusalem (1099) und Alexandreia (1219) beseitigt und lateinische Patriarchen eingesetzt. Ein christlich-lateinisches Königreich Jerusalem wurde errichtet, das unter Balduin I. von Bouillon (1100–1118) mit den Grafschaften Edessa und Tripolis sowie dem Fürstentum Antiocheia seine größte Ausdehnung fand. Im August 1100 musste der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiocheia, Johannes VII. Oxos, ins Exil nach Konstantinopel fliehen. Der Patriarch von Jerusalem, Symeon, war mit seinem Klerus schon 1091 nach Zypern ausgewichen. Die lateinischen Patriarchen wurden gegen den Willen der Orthodoxie eingesetzt und der ostkirchliche Klerus jurisdiktionell den Lateinern unterstellt. Die griechisch-orthodoxen Patriarchen von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem residierten von da an vielfach im Phanar und blieben auch nach dem Fall der Kreuzfahrerstaaten in Abhängigkeit von Konstantinopel. Als Saladin Jerusalem 1187 von den Kreuzfahrern zurückerobert hatte, übergab er die Grabeskirche wieder der griechisch-orthodoxen Kirche. Auch der Patriarch von Antiocheia konnte wieder in seine Stadt zurückkehren, wechselte in der Folge aber wiederholt seinen Wohnsitz. Seit dem 14. Jh. residiert er in Damaskus.
In Zypern war 959 wieder die (ost-)römische Oberhoheit hergestellt worden. 1191 eroberte aber der englische König Richard I. Löwenherz die Insel, der sie als Basis für den Dritten Kreuzzug benützte. Bis 1671 stand Zypern daher unter verschiedener lateinischer Herrschaft und war für den Westen eine wichtige Nachschubbasis im östlichen Mittelmeer. Unter anderen regierten der Templer-Orden, das lateinische Königreich von Jerusalem, die französischen Lusignanen und ab dem Jahr 1489 die Venezianer. Während der abendländischen Herrschaft wurde die Orthodoxie der lateinischen Hierarchie unterworfen. Mit der Constitutio Cypra von Papst Alexander IV. (1260) wurde Zypern sogar direkt dem Apostolischen Stuhl unterstellt.
Den katholischen Unionsversuchen traten die orthodoxen Patriarchen des Orients vehement entgegen. Auf der Synode von Konstantinopel 1451 verurteilten die Patriarchen von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem die Union des Konzils von Florenz (1439) und erklärten jene Geistlichen, die der unionsfreundliche Patriarch von Konstantinopel, Metrophanes II., eingesetzt hatte, für abgesetzt.
Die von den Kreuzfahrern errichteten lateinischen Patriarchate bestanden de facto nur so lange wie die Kreuzfahrerstaaten selbst, blieben jedoch nominell lange bestehen und hinterließen tiefe Wunden in der pro-chalkedonensischen Orthodoxie. Die formelle Aufhebung der lateinischen Patriarchate von Konstantinopel, Alexandreia und Antiocheia im Jahre 1964 durch Papst Paul VI. (1963–1978) war daher ein ökumenisch hervorragender Akt. Lediglich das lateinische Patriarchat von Jerusalem war im Jahr 1847 aus anderen Beweggründen wieder errichtet worden und besteht bis heute.