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Die Genese der „bürgerlichen Gesellschaft“ in der Habsburgermonarchie
ОглавлениеWo können wir den gesellschaftlichen Kern für die neue „bürgerliche Gesellschaft“ suchen? Es waren zunächst die nicht hausrechtlich und nicht feudal abhängigen männlichen Personen – also in erster Linie Stadtbewohner, „Bürger“ im traditionellen Sinne, Inhaber eines Bürgerrechtes einer Stadt, die dem Herrscher (und nicht einem adeligen Herren) unterstanden. Vielfach aus diesem alten Stadtbürgertum heraus entwickelte sich seit Maria Theresia und Joseph II. eine neue bildungsbürgerliche Konfiguration, dominiert von Beamten, aber auch von Schriftstellern, Professoren, Lehrern und Wissenschaftlern, viele von ihnen im Staatsdienst (und nicht wenige Ex-Jesuiten, nach der Aufhebung des Ordens 1773). Daneben wuchs, als Folge des entstehenden überregionalen Marktes (und des fast ebenso wichtigen Marktes der rasch wachsenden Residenzstadt selbst) auch ein unternehmerisches Element, dessen Wohlstand jene Folie bildete, vor der sich später die bürgerliche Kultur des Biedermeiers entfalten konnte. Dieses neue Unternehmertum war zumeist durch ein staatliches Fabriksprivileg bevorzugt, d. h., sie konnten ihren Betrieb ohne jene Begrenzungen und Auflagen führen, die die einzelnen Zünfte, Zechen oder Innungen bisher vorgeschrieben hatten. Sowohl das neue Bildungsbürgertum als auch das neue Unternehmertum waren also Früchte des gerade erst entstehenden Staates.
Das nichtzünftische Unternehmertum, für das sich zum Unterschied vom Handwerksmeister bald die Bezeichnung „Fabrikanten“ einbürgerte, stand mit den neuen bildungsbürgerlichen Schichten zunächst nicht in Verbindung. Nur langsam erlangten auch die Unternehmer etwas von dem sozialen Ansehen, das den Bildungsbürgern schon früher zukam. Der Staat, der beide brauchte, zeichnete besonders hervorragende Mitglieder beider Gruppierungen durch Adelstitel aus.7
Solche Adelstitel (ein einfaches „von“ bis zum „Ritter von“ und höchstens bis zum Freiherren) bezeichneten jene „zweite Gesellschaft“, die (groß-)bürgerlich lebte und in der sozialen Position hinter dem traditionellen Hochadel rangierte, in der sich jedoch Wohlstand, Bildung, Geschmack und gehobene Umgangsformen mit wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Interessen verbanden. Hier wurde Schubert verehrt und verkehrten Grillparzer und Bauernfeld. Grillparzer war über die Familie Sonnleitner auch familiär eng mit ihr verbunden. Diese Kreise waren die wichtigsten Auftraggeber der in Biedermeier und Vormärz neben Musik und Theater so rasch aufblühenden Malerei, deren Meister – Friedrich von Amerling, Moritz Michael Daffinger, Josef Danhauser, Peter Fendi, Josef Kriehuber, Ferdinand Georg Waldmüller – zahlreiche Porträts von Mitgliedern dieser Gesellschaft geschaffen haben.