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IV Das Frontispiz des Liber Musices des Florentius (nach 1482)

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Der in Florenz geschaffene Liber Musices eines »Florentius musicus« enthält eingangs eine aufwendig gestaltete Doppelseite von Attavante degli Attavanti.33 (Abb. 6) Gewidmet ist der Kodex Ascanio Maria Sforza, in dessen Diensten sich der Autor und Auftraggeber seinen Worten zufolge in Neapel befunden hatte. Ascanio hielt sich dort im Exil zwischen Oktober 1481 und Juni 1482 auf, die Handschrift entstand also mit Sicherheit nach diesem Zeitpunkt und passt stilistisch gut zu den anderen Werken, die Attavante in den 1480er Jahren ausführte.34 Die Dekoration übergreift die Doppelseite: Auf der rechten Seite, an der Stelle eines üblichen Incipit, erscheint im Initialbuchstaben M der Autor im klerikalen Gewand mit einem offenen Buch in der Hand, das den vorliegenden Musiktraktat selbst repräsentiert. In die umlaufende florale Bordüre sind runde und ovale Medaillons integriert, die Münzbildnisse, Wappen und Impresen sowie vier Büstenbildnisse zeigen: Links außen erscheint ein älterer bärtiger Mann, der mit der linken Hand eine Laute hochhält, allerdings nicht in einer Weise, wie sie sich spielen ließe, obgleich das Plektrum in seiner Rechten genau dazu dienen würde. Diesem zugewandt folgt ein Knabe, dessen Haltung und geöffneter Mund ihn als singend ausweisen.35 Auf der anderen Seite stehen sich zwei junge Männer mit langem lockigen Haar gegenüber: einer mit einer Portativorgel, der andere mit einer offenen Papierrolle, auf der Noten zu erkennen sind. Wen und ob diese Figuren konkrete Personen darstellen, ist unklar. Sie repräsentieren mit dem Zupfinstrument, dem Gesang und dem Tasteninstrument drei verschiedene Weisen und den profanen und sakralen Aspekt der Musikproduktion.


Abbildung 6: Attavante degli Attavanti, Frontispiz, in: Florentius musicus, Liber Musices, (nach 1482), Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, cod. 2146, fol. 1r, Copyright © Comune di Milano – tutti i diritti di legge riservati

Die vierte Figur, die das Notenblatt vorweist, singt nicht und wäre meines Erachtens als Komponist zu deuten. (Abb. 7) Dieser würde damit einen weiteren Aspekt der Musik visualisieren und gleichsam als Ergänzung zum Musiktheoretiker und Autor in der Initiale fungieren. Die Miniatur zeigt konzeptuell eine erstaunliche Übereinstimmung mit Leonardos Bildnis eines Musikers. Wir wissen, dass es bei diesen Künstlern Berührungspunkte gab: Leonardo hatte noch als Schüler von Verrocchio ein von diesem begonnenes Gemälde der Taufe Christi fertiggestellt, welches Attavante in zwei seiner Miniaturen zitierte.36 Hatte also Attavante vielleicht Kenntnis von dem Bildnis, als er das Frontispiz entwarf? Oder ist es ein symptomatischer Zufall der Geschichte, dass im selben Moment an zwei unterschiedlichen Orten und in unterschiedlichen Medien ein Bildnis geschaffen wurde, das einen Mann mit Notenblatt zeigt, das dieser nicht als Vorlage zum Singen benutzt, sondern vielmehr dem Betrachter vorweist, und damit die Komposition und Verschriftlichung der Musik in den Fokus rückt? Oder bezog Leonardo vielleicht gar die Anregung von dem Frontispiz der Handschrift, die er im Besitz des Kardinals Ascanio gesehen haben könnte?


Abbildung 7: Attavante degli Attavanti, Komponist, Detail aus: Florentius musicus, Liber Musices, Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, cod. 2146, fol. 1r, Copyright © Comune di Milano – tutti i diritti di legge riservati

In welcher Beziehung auch immer das Gemälde und die Buchillustration stehen: Sie markieren die Entstehung eines neuen Bildtypus des Komponisten, der sich in der Folge in der Porträtmalerei fassen lässt. Zu nennen ist hier zunächst das Bildnis des Francesco di Bartolo Giamberti, das Piero di Cosimo (1462–1521) in Florenz malte.37 Es entstand im Auftrag von dessen Sohn, dem Architekten Giuliano da Sangallo, als Pendant zu seinem eigenen Porträt. Francesco Giamberti wirkte als Holzbildhauer, aber auch als Organist in Florenz. Auf die Tätigkeit als Musiker verweist in dem Bildnis zum einen das Notenblatt, das vor ihm auf einer Brüstung liegt, während sein Blick in die Ferne geht. Zum anderen sieht man im Hintergrund einen Organisten bei der Begleitung einer Messe vor dem Portal einer Kirche, wohl Santa Maria di Sangallo, in der er seit spätestens 1475 diesen Dienst verrichtete.38 1482 war Giamberti als solcher im Ospedale degli Innocenti angestellt, ob er auch komponierte, wissen wir nicht. Die genaue Datierung dieses ungewöhnlichen Doppelporträts von Vater und Sohn wird durch die erkennbaren Überarbeitungen zusätzlich erschwert, die Zeitspanne reicht von zwischen 1485 und 1505, die Notenschrift weist auf einen Zeitpunkt um 1500.39

Neben weiteren Bildnissen, in denen ein Notenblatt als Attribut dient40, wird dann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch der Akt des Komponierens selbst dargestellt: Ein Gemälde von Annibale Carracci (1560–1609) zeigt wahrscheinlich Claudio Merulo (1533–1606), der die Feder erhoben hat, um das Notenheft zu füllen, aber aus dem Bild blickt und so den Porträtcharakter der Darstellung deutlich macht.41

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