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Eine Lücke in der Landschaft schließen

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In allen Sparten und Genres der Berliner Festspiele hat sich eine Entwicklung fortgesetzt, die wegführt von den Begriffen und Praktiken traditioneller Sparten und Genres, weil die künstlerische Praxis diese Grenze auflöst. Viele Gastspiele sind heute multimediale Installationslandschaften, brauchen lange Aufbau- und Probezeiten, sprengen den Rahmen klassischer Festivalproduktionen. So vergrößern sich die Aufwände nicht nur im Bereich der Eigenproduktionen der Berliner Festspiele, sondern auch bei den Gastspielen. Diese Herausforderung ist eine Tendenz der Zeit, keine Mode, sondern eine Entsicherung des Kunstbetriebs, wie sie von den Künstler*innen ausgeht und unsere Institutionen herausfordert.

Eine konstante Herausforderung für die Berliner Festspiele war es auch, einen hohen Anteil an eigenen Produktionen zu entwickeln, um neben ihrer Haupttätigkeit als einladende, gastgebende Institution jene Werke oder Formate selbst zu produzieren, die den Berliner Festspielen ein eigenes Profil geben und eine Lücke in der institutionellen Landschaft Berlins schließen – also genau das anbieten, was in Repertoirebetrieben oder Häusern mit einer eigenen Sammlung schwer zu verwirklichen ist. Oft waren das Langzeitformate wie „The Long Now“, Vinge/Müllers Nationaltheater Reinickendorf, Troubleyn/Jan Fabres Mount Olympus, Ilya Khrzhanovskys geplantes DAU-Projekt oder Taylor Macs A 24-Decade History of Popular Music. Groß angelegt konnten aber auch Fragestellungen und über mehrere Spielzeiten hinweg untersuchte Themen sein, wie zum Beispiel „Zeit“ bei MaerzMusik, „Healing & Care“ im Gropius Bau oder ein Weltbildwandel und eine sich ändernde Kunstpraxis in der Projektreihe „Immersion“.

Gereon Sievernich hat zuvor über fast zwei Jahrzehnte ein eigenwilliges, neugieriges Programm am Martin-Gropius-Bau realisiert, das im Laufe der Zeit eine eigene „Archäologie der Moderne“ um enigmatische Künstler*innen wie Hans Richter, Friedrich Kiesler, die WChUTEMAS-Schule, Germaine Krull, Wenzel Hablik oder Franz Kafka entwickelte, kontinuierlich große Fotografieausstellungen wie von Diane Arbus oder Barbara Klemm zeigte und aufsehenerregende Lichthof-Inszenierungen durch zeitgenössische Künstler*innen, die man zuvor so nur in der Londoner Turbine Hall gesehen hat. Zum Profil des Martin-Gropius-Baus gehörten imposante Ausstellungen über die Kulturen der Maya oder Irokesen, prähistorische Felszeichnungen oder japanische Holzschnitte von Hokusai, aber auch Ausstellungen über das Bauen mit Holz oder die Präsentation großer Privatsammlungen. In ähnlicher Weise entdeckungsreich hat Winrich Hopp im Musikfest Berlin an der Genealogie und Konturierung eines Orchesterkanons des 21. Jahrhunderts gearbeitet. Mit Nadin Deventer übernahm nach Bert Noglik und Richard Williams 2018 eine Produzentin und Kuratorin aus dem Team des Jazzfestes Berlin die Leitung des Festivals, die dieser Männerdomäne ein neues Hören lehrte, politisch frische Allianzen schloss und, genauso wie Yvonne Büdenhölzer im Theatertreffen, Kunst und Diskurs immer mit Seitenblick auf aktuell virulente Gesellschaftsthemen kuratierte.

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