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Der rote Rahmen als Fokus

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Der rote Rahmen wurde 2012 als Logo eingeführt, um das Zusammengehörende all dieser Formate und Orte zu betonen und zugleich zu signalisieren, dass die Plattform der Berliner Festspiele wie ein Fokus im Sucher einer Kamera funktioniert – im roten Rahmen erschienen die verschiedensten Phänomene und Tendenzen wie im Brennglas. Die großen Themen der Berliner Festspiele, denen in diesem Buch nachgespürt wird, waren und sind das Anbrechen einer neuen Identitätspolitik (mit ihren Debatten um Gender, Herkunft und eine neue Rechte), die Auswirkungen der digitalen Kulturrevolution, der Klimawandel und ein neues Weltbild, das eher in Ökologien und symbio- tischen Strukturen denkt als in dialektischen Gegensätzen und einer dirigistischen Gewalt von oben. Die Hashtags dieses Jahrzehnts lauteten #MeToo, #BlackLivesMatter oder #Corona und werden gerahmt vom Ende der Ära Merkel und der ersten Generation von Deutschen, die ihr Land nur als ein Land kennengelernt haben, ohne Todesstreifen und Tagesvisa. Zugleich stehen wir noch am Anfang einer offenen und ausgewogenen Betrachtung der deutschen Wiedervereinigung und der Re-Programmierung unserer eigenen Betriebssysteme im Kontext des Festival- und Ausstellungsmachens, um dem Stand unserer Einsichten über notwendige Veränderungen im Bereich der Nachhaltigkeit und Diversität auch eine gewandelte Praxis folgen zu lassen. Eines der bewegendsten Werke über diese Herausforderung ist vielleicht Arne Vogelgesangs und Marina Dessaus Produktion Es ist zu spät, die als Livestream im Rahmenprogramm des Theatertreffens 2021 zu sehen war.

Die letzten zehn Jahre haben eine Reihe neuer Formate hervorgebracht, die auch Formate des Neuen waren: Konzertcluster von 30 Stunden Dauer im Kraftwerk Berlin, in denen sich die Besucher*innen Feldbetten in der Turbinenhalle aneignen konnten, oder Jazz, der wieder stärker in die Nähe von experimenteller Szene und politischem Aktivismus rückt, oder eine eigene Sendeplattform wie „Berliner Festspiele on Demand“, Künstler*innenresidenzen im Gropius Bau, eigene VR-Produktionen und Fulldome-Festivals im Zeiss-Großplanetarium. Wir haben große Gastspiele von Robert Wilson und Alain Platel, von Taylor Mac und Jan Fabre, Pina Bausch, FC Bergman und Marino Formenti gezeigt. In einer ehemaligen Munitionsfabrik in Reinickendorf haben wir zusammen mit den Künstler*innen und Programm- macher*innen ein „Nationaltheater“ gebaut, wir haben die Frauenquote im Theatertreffen eingeführt, und wir wollten für vier Wochen im historischen Stadtzentrum die Berliner Mauer wiederaufbauen, um sie noch einmal zu öffnen. Wir haben die nationalsozialistische Vergangenheit des ersten Festspielintendanten erforscht und in der Reihe „Immersion“ mit „Down to Earth“ das erste Ausstellungsprojekt in Deutschland realisiert, das auf das Thema Klimawandel mit einem Wechsel im Betriebssystem reagiert – unplugged, ohne Flugreisen der Beteiligten, ohne Strom, mit Transparenz über alle Verbräuche und die positive Erfahrung einer analogen Kunstpraxis und Lebensschule. Die Bundeswettbewerbe erhielten eine einheitliche Struktur und mit dem Tanztreffen der Jugend 2014 eine neue Sparte.

Was sind die Berliner Festspiele? Wir haben immer wieder überlegt, ob wir die Atomisierung der ursprünglichen Berliner Festwochen, die einst wie die Wiener Festwochen oder das Holland Festival einen kompakten Veranstaltungsblock mit Ausstellungen, Theater und Konzerten gebildet haben, wieder rückgängig machen und ein großes Stadtfestival gründen. Allerdings erschien uns das, ähnlich wie unseren Vorgänger*innen, als seltsam dominant und zu konsumistisch. Auch hatten wir die Idee, das im Jahreskalender verstreute Programm zu zwei Spielzeiten zusammenzufassen, die im ersten Halbjahr ein großes Theaterfestival rund um das Theatertreffen realisieren und im zweiten Halbjahr die improvisierte Musik zwischen Jazz und aktueller Musik mit dem zeitgenössischen Orchesterrepertoire verknüpfen. Letztlich haben wir uns dafür entschieden, bestehende Formate zu schützen und ergänzend neue Formate zu gründen, die spezifische Fragestellungen, Praktiken und Communities verbinden. Die ständige Frage in den letzten Jahren war, ob wir innerhalb der vorhandenen Formate Veränderungen ausprobieren oder neben diesen Zyklen auch Freiräume schaffen, die alternative Veranstaltungsformen aufnehmen, wie sie in Repertoirehäusern oder kurzen Festivals nicht zu realisieren sind – etwa ein analoges Digitalfestival oder eben die nie endende Ibsen-Saga von Vinge/Müller.

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