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Das semi-strukturierte phänomenologische Interview
ОглавлениеDas subjektive Erleben mithilfe einer geeigneten Fragetechnik zu ermitteln, ist nicht einfach. Seitens der Interviewerin oder des Interviewers bedarf es eines grundlegenden Verständnisses der phänomenologischen Beschreibungen von Bewusstseinsvorgängen. Um also Phänomene wie beispielsweise die »Verräumlichung des Denkens« herauszuhören und zu bewerten, muss man über das Hintergrundwissen darüber verfügen, dass der übliche Bewusstseinsstrom weitestgehend transparent ist, also keine objektförmigen Qualitäten aufweist, und dass sich z. B. ein Gedanke nicht buchstäblich so anfühlen kann, als befinde er sich vor einem anderen Gedanken. Es braucht ein informiertes Zuhören, um diese Art von Phänomenen heraushören und erfassen zu können, ein Zuhören, das durch einige grundlegende begriffliche Differenzierungen, wie Jaspers hervorgehoben hat, apperzeptiv unterstützt wird. Wir wissen zwar alle, was es heißt, etwas bewusst zu erleben, d. h. phänomenales Bewusstsein zu haben. Das explizite Erfassen von Anomalien der Erfahrung erfordert jedoch zusätzliche empathische, konzeptuelle und analytische Fähigkeiten. Was in der Erzählung der Patientin oder des Patienten letztendlich als abgegrenztes psychopathologisches Phänomen (oder Symptom) hervortritt, kann nicht unabhängig von der Person verstanden werden, die ihm zuhört. Um ein hinreichendes Niveau an psychopathologischer Professionalität und eine zufriedenstellende Inter-Rater-Reliabilität zu erlangen, sind demnach Erfahrung wie auch ein Training notwendig, das die theoretische Dimension einschließt.
Das subjektive Erleben kann nicht durch Abfragen, mittels bestätigender oder verneinender Antworten, das heißt in Form eines strukturierten Interviews erfasst werden. Es kann nur im Verlauf eines Gesprächs untersucht werden, das die Spontaneität der Patienten unterstützt und Raum für die Verbalisierung von Beispielen gibt. Dennoch gehört es zur Charakteristik des semi-strukturierten Interviews, alle Symptomdomänen mithilfe gründlich nachforschender Fragen ins Visier zu nehmen, Fragen, die idealerweise nicht aus heiterem Himmel gestellt werden, sondern sich in den übergreifenden Zusammenhang des Interviews einfügen. Diese Anforderungen halten die Passivität des Interviewers in Grenzen.