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1 Der Konditional im Spannungsfeld von Temporalität, Modalität und Aspektualität
ОглавлениеDas Spanische und das Portugiesische verfügen über ein Verbalsystem, das nicht allein eine Situierung von Verbalereignissen in der Zeit leistet, sondern die versprachlichten Sachverhalte hinsichtlich ihrer zeitlichen Extension und somit ihrer Konturen im Zeitintervall der Betrachtung charakterisiert und differenziert, wie Schrott (2012: 329) für das Spanische festhält. Tempora situieren Sachverhalte in Relation zur Sprech- und zur Referenzzeit und haben folglich eine deiktische Funktion. Die Sprechzeit entspricht dabei in der gesprochenen Sprache dem Zeitintervall, in dem die sprachliche Äußerung getätigt wird, und in fiktionalen erzählten oder geschriebenen Texten dem deiktischen Nullpunkt (t0). Die Referenzzeit dagegen entspricht jenem Zeitintervall, von dem aus das Verbalereignis betrachtet wird. Aspektualität liefert hingegen keine deiktische Situierung, sondern charakterisiert die Verbalereignisse hinsichtlich ihrer zeitlichen Kontur und ihres Verlaufs in der Zeit (vgl. Schrott 2012: 329). Man denke an die Opposition Imperfekt vs. Indefinido bzw. Pretérito perfeito do Indicativo. Grundsätzlich liegt dem sprachlichen Ausdruck temporaler Relationen ein deiktisches Konzept zugrunde, da die Tempusselektion das Verbalereignis gegenüber der Referenzzeit situiert, die mit der Sprechzeit zusammenfallen kann (Präteritum/ Indefinido/ Pretérito Perfeito do Indicativo: Ereigniszeit (E), Referenzzeit (R) < Sprechzeit (S)) oder auch nicht (Plusquamperfekt: E < R < S). Im Deutschen wird Aspektualität anders als in den romanischen Sprachen stärker durch sprachliche aspektuelle Marker und nicht im Verbalsystem selbst kodiert. So werden im Spanischen und im Portugiesischen temporal-deiktische und aspektuelle Semantik nicht durch getrennte Kategorien versprachlicht, sondern diese erscheinen in den Verbalformen vereint (vgl. Schrott 2012: 329). Dabei bildet Aspektualität jedoch keine eigene Verbalkategorie, wie es zum Beispiel in den slavischen Sprachen der Fall ist.
Die Verbalkategorien tragen zu der grundlegenden Funktion von Grammatik bei, dem Menschen die Loslösung von den natürlichen Präsuppositionen zu ermöglichen, in diesem Fall von der kanonischen Grundperspektive ego, hic et nunc. Betrachtet man die historische Evolution von Sprachen und den Spracherwerb bei Kindern sowie den pathologischen Sprachabbau, so ist die Entwicklungslogik Aspekt > Tempus > Modus als weitestgehend unumkehrbar erkennbar, wobei die Verbalkategorien jeweils voneinander abhängen (Zeman 2010: 57-63). Das gemeinsame Merkmal der drei grammatischen Kategorien Tempus, Modus und Aspekt ist das grammatische Merkmal [+DISTANZ] (vgl. Meisnitzer 2016: 51).
Grammatische Kategorie | Konzept |
Aspekt (perfektiver) | ‘Räumliche Distanzierung’: Innen- vs. Außenperspektive1 |
Tempus (Nonpräsens) | ‘zeitlich-temporale Distanzierung’ |
Modus | ‘persönliche Distanzierung’ |
Tabelle 1:
Funktionen von Aspekt, Tempus und Modus (modifiziert aus Meisnitzer 2016: 52).
Beim Konditional haben wir es mit einer Kategorie innerhalb des Verbalsystems zu tun, die zwischen Tempus und Modus verankert ist, da die entsprechende morphologische Form sowohl eine temporale als auch eine modale Semantik ausdrücken kann. Im Fall der modalen Semantik wird die Haltung des Sprechers gegenüber dem Gesagten bzw. dem Inhalt der Proposition verdeutlicht. Diese Überlappung ist auch für unterschiedliche Zuordnungen des Konditionals in der Forschungsliteratur und in Grammatiken verantwortlich.2