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3 Der Konditional im Portugiesischen und im Spanischen 3.1. Der Konditional im Portugiesischen
ОглавлениеDer Konditional zeichnet sich syntaktisch dadurch aus, dass er eine Subordination lizenziert, bei der zwischen zwei Teilsätzen eine semantische hierarchische Abhängigkeitsrelation besteht (vgl. Mateus/ Brito et al. 1989: 140). In den Konditionalsätzen drückt die Protasis die Bedingung, die Ursache oder den Grund für das Verbalereignis oder den Zustand in der Apodosis aus. Man unterscheidet zwischen realen, hypothetischen und irrealen Konditionalsätzen, die unterschiedliche Tempora für die Protasis und die Apodosis selegieren.
Semantisch gesehen versprachlicht der Konditional eine Verbalhandlung (E) in der Nachzeitigkeit zu einer Referenzzeit (R), die vorzeitig zur Sprechzeit (S) liegt (3) (vgl. Gärtner 1998: 27).
(1) Luisa vestiria o seu casaco novo naquela noite.1
(2) Depois da Batalha de Aljubarrota, seria erguido o Mosteiro da Batalha.
(Oliveira 2013: 527)
(3) Os bombeiros chegaram, mas um minuto depois a criança afogar-se-ia.
(Oliveira 2013: 527)
In (1)-(3) liegt die Abfolge [R < E < S] zugrunde, wobei in (1) die Temporalangabe „naquela noite“ und in (2) das historische Ereignis der Schlacht von Aljubarrota (14.08.1385) den temporalen Anker bilden, dem die Referenzzeit entspricht, während in (3) das Verb chegar die Referenzzeit bildet. Das Ertrinken des Kindes in (3) ist nachzeitig zur Ankunft der Feuerwehr und beide sind vorzeitig zur Sprechzeit. Die Beispiele (1)-(3) veranlassen eindeutig eine temporale Lesart, da die zeitliche Abfolge der Ereignisse sprachlich ausgedrückt wird.
In seiner temporalen Funktion bringt er [der Konditional, Anm. d. Verf.] die Zukunft aus der Perspektive der Vergangenheit zum Ausdruck, d.h. er bezeichnet die Handlung, die von der Vergangenheit gesehen aus in der Zukunft liegt.
(Hundertmark-Santos Martins 1982: 205)
Der Sprecher ‚spaltet’ sich somit in Betrachter und Sprecher und erzählt ein Ereignis, das er jedoch von einem Standpunkt vor dem Eintreten/ Beginn des zum Sprechzeit aktuellen oder bereits abgeschlossenen Verbalereignisses betrachtet. Dies zeigt auch (4) besonders deutlich:
(4) Cheguei e não o vi. Onde se teria metido ele?
(Vilela 1999: 168)
In (4) wird eine Vermutung, die in der Vergangenheit bezüglich der Vergangenheit geäußert wurde, versprachlicht (Gärtner 1998: 27), sodass wir uns hier bereits in einem bridging Kontext zwischen temporaler und modaler Lesart befinden. Die Antwort kann erst nachzeitig zum Zeitpunkt, wo sich der Sprecher die Frage stellt, gegeben werden. Gleichzeitig formuliert der Sprecher eine Vermutung, was wiederum einer modalen Semantik entspricht – auch wenn diese im Fall von (4) sehr vage ist, da der Sprecher nicht weiß, wo die gesuchte Person ist.
In seiner modalen Funktion versprachlicht der Konditional in der Vergangenheit irreal erscheinende Ereignisse, die eingetreten sind (5), schwächt Propositionen ab (6), drückt Unsicherheit/ Zweifel (7) und Höflichkeit (8) aus.
(5) Quem diria que um dia me apaixonaria por alguém.
(Vilela 1999: 168)
(6) Eu diria que o senhor não tem razão.
(Vilela 1999: 174)
(7) Eu diria que alguém entrou aqui
(Hundertmark-Santos Martins 1982: 208)
(8) Eu desejaria visitar a Fundação Serralves.
Der Ausdruck von Höflichkeit mittels des Konditionals ist von dessen abschwächender Wirkung metonymisch abgeleitet und diese wiederum vom hypothetischen Charakter von Verbalereignissen, die im Konditional versprachlicht werden.
In Konditionalsätzen wird der Konditional verlangt, wenn wir in der Protasis ein Imperfekt Konjunktiv haben (9) – obwohl in der gesprochenen Sprache der Konditional häufig durch das Imperfekt ersetzt wird. Der Konditional kann auch mit Präsens und Imperfekt Indikativ, Plusquamperfekt Konjunktiv, Infinitiv und Gerundium, jedoch nicht mit Futur Konjunktiv in der Protasis verwendet werden (siehe: Marques 2013: 687). Bei statischen Verben entspricht die Proposition dem Gegensatz zur Realität – eine kontrafaktische Lesart wird veranlasst (9).
(9) Se a Ana fosse simpática, convidá-la-ia para jantar fora.
(Oliveira 2013: 527)
Bei durativen Verben hingegen und bei einer von einem Verb in der Vergangenheit eingeleiteten Referenzzeit kann der Konditional einen modalen epistemischen Wert aufweisen, Unsicherheit oder ungewisse Wahrscheinlichkeit ausdrücken (Oliveira 2013: 527).
(10) Quando o conheci, ele teria 20 anos.
(11) Nessa época, ele trabalharia na Sumol.
(Oliveira 2013: 527)
Die Aktionsart der Verben ist im Portugiesischen folglich entscheidend für die durch den Konditional versprachlichte Lesart. Dasselbe gilt auch für das Spanische.
Um das am Anfang erläuterte Konzept der Distanzierung aufzugreifen, könnte man für den Konditional in seiner modalen Lesart festhalten, dass er einerseits dazu dient, eine Überzeugung zu versprachlichen, wobei sich der Sprecher vom Wahrheitsgehalt der Aussage distanziert (12). Andererseits findet er Verwendung, um Aussagen gemäß dem Sprecher als wahr darzustellen, jedoch in einem hypothetischen Kontext, der von der Realität divergieren kann (13). In diesem Fall haben wir eine Distanzierung von der Realität.
(12) Segundo diversos órgãos de comunicação social, os prejuízos ascenderiam já a vários milhares de dólares.
(13) Ele daria tudo por estar aqui.
(Marques 2013: 687)
Im Portugiesischen unterscheidet man zwischen dem synthetischen Konditional und dem analytischen Konditional (condicional composto oder condicional pretérito), der ebenfalls eine temporale und eine modale Funktion hat (vgl. Gärtner 1998: 29). Temporal wird er bei Handlungen verwendet, die bereits abgeschlossen sein würden, ehe eine andere eintritt (14). Die Referenzzeit unterscheidet die beiden Konditionalformen bei der temporalen Lesart (vgl. Oliveira 2013: 533)2. In seiner modalen Funktion versprachlicht der analytische Konditional irreale Verbalereignisse, die unter bestimmten Bedingungen stattgefunden hätten (15), Wünsche in der Vorzeitigkeit (16) und Informationen, die man von Dritten erhalten hat (17), also als Evidentialis, und zum Ausdruck von Unsicherheit/ Ungewissheit (18).
(14) Eu prometi-lhe que, quando regressasse de férias, já teria renovado a casa toda.
(Hundertmark-Santos Martins 1982: 212)
(15) Ele teria feito 100 anos ontem.
(16) Ela teria desejado ver o museu.
(17) Segundo o jornal O Público, o incêndio teria começado por volta da meia noite.
(Beispiele (15)-(17) aus: Vilela 1999: 174-175)
(18) Eles teriam ido embora?
(Gärtner 1998: 29)
Im gesprochenen Portugiesisch ist die Verwendung des Konditionals – besonders der synthetischen Form – stark rückgängig, wie Brauer-Figueiredo (1999: 410-411) zeigt. In Kontexten, wo der analytische Konditional eine temporale Lesart veranlasst, wird er häufig durch das analytische Plusquamperfekt ersetzt. Dies funktioniert jedoch nicht für eine modale Lesart, da Tempus diese nicht versprachlichen kann (vgl. Oliveira 2013: 533). Für eine diastratische Variation im Gebrauch spricht die Tatsache, dass vor allem Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten die Form gebrauchen, da sie durch die zahlreiche Lektüre und die Bestrebungen seitens der Lehrkräfte, ein gehobenes Register in den Lernenden auszubilden, mit dieser vertraut sind. Und betrachtet man die Beispielsätze in dem von Brauer-Figueiredo (1999) untersuchten Korpus, so erscheinen die Okkurrenzen diastratisch und diaphasisch sehr hoch markiert, wie die Tempusselektion, die Wortwahl und die Verwendung der Mesoklise in (19) bestätigen.
(19) [...] se o poeta vivesse no nosso século pensa que ele optaria por escrever um [sic!] epopeia ou decidir-se-ia pela poesia satírica?
(Brauer-Figueiredo 1999: 413)
Später nimmt auch bei dieser Gruppe die Häufigkeit der Verwendung ab (Brauer-Figueiredo 1999: 411). Umgangssprachlich wird der synthetische Konditional meist durch das Imperfekt ersetzt, wie bereits Hundertmark-Santos Martins (1982, 208-209) festhält, und der analytische Konditional durch das analytische Plusquamperfekt (20).
(20) Noutro tempo ela teria sido/ tinha sido uma mulher feliz.
(Hundertmark-Santos Martins 1982: 214)
Der Konditional in seiner temporalen Lesart wird im europäischen (Oliveira 2013: 527) und im brasilianischen Portugiesisch (Bagno 2016: 556-557) sowohl in der geschriebenen als auch in der gesprochenen Sprache äußerst selten gebraucht. Im europäischen Portugiesisch wird der Konditional auch in seiner modalen Lesart durch den Imperfekt Indikativ ersetzt, worin sich die Varietät vom brasilianischen Portugiesisch deutlich unterscheidet. Selbst in der gesprochenen Sprache wird dort bei Konditionalsätzen mit Konjunktiv in der Protasis der Konditional und nicht das Imperfekt wie im europäischen Portugiesisch verwendet. Dies belegen die folgenden Beispiele (21-22) aus S. Paulo und Rio de Janeiro aus dem Corpus NURC-Brasil.
(21) [...] se fosse passar um filme para crianças que tipo de filme a senhora acha que deveria ser passado?
(NURC/SP/234 apud Bagno 2016: 557)
(22) [...] se eu ganhasse assim na loteria e tal eu nunca jogaria em mercado de capitais, nada disso, eu sempre ficaria em imóveis, mesmo porque agora eu tenho uma terceira condição importante, que é a questão da família [...]
(NURC/RJ/355 apud Bagno 2016: 557)
Für das brasilianische Portugiesisch hat Bagno (2016) die 15 Aufnahmen aus dem Corpus NURC-Brasil (jeweils drei pro am Projekt beteiligter Stadt) und die Okkurrenzen von Konditionalformen ausgewertet. Am häufigsten sind bei den insgesamt 224 Okkurrenzen die Verben ser (66), poder (38), gostar (22), dever (11) und dizer (11) im Konditional belegt (Bagno 2016: 557-558). Interessant ist, dass von den 224 Verwendungen des Konditionals lediglich 10 und somit 4,5% eine temporale Lesart versprachlichen (Bagno 2016: 559).
Betrachtet man die Verteilung der Okkurrenzen und die Produktivität der Form, so wäre es eigentlich adäquat, den Konditional im Fall des Portugiesischen den Modi und nicht den Tempora zuzurechnen – entgegen der Tendenz in den Grammatiken und einem breiten Teil der Forschungsliteratur.