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3.2. Der Konditional im Spanischen
ОглавлениеAus morphologischer Sicht ist der Konditional im Spanischen identisch zum Futur des Indikativs, nur mit den Endungen -ía, -ías, -ía, -íamos, -íais, -ían, die bei regelmäßigen Verben an den Infinitivstamm angehängt werden. Graphematisch unterscheidet sich der Konditional vom Portugiesischen lediglich durch den Akzent auf dem <i>, den im Portugiesischen nur die erste und zweite Person Plural aufweisen, wobei Letztere jedoch mit <e> und nicht mit <a> gebildet wird: -íeis (vgl. de Bruyne 2002: 376 und Cunha/ Cintra 1999: 391). Auch das Spanische kennt neben dem synthetischen Konditional einen analytischen Konditional II, gebildet aus dem condicional von haber1 und dem Perfektpartizip des Hauptverbs (habría cantado) (vgl. de Bruyne 2002: 380). Semantisch gesehen verortet der Konditional wie auch das Futur ein Ereignis aus temporaler Sicht in der Nachzeitigkeit, nur dass es Bedingungen gibt, die die Erfüllung des Verbalereignisses erschweren, bedingen, konditionieren (RAE 2010: 449).
Im Spanischen hat der Konditional ebenso wie im Portugiesischen eine temporale und eine modale Semantik. In seiner temporalen Bedeutung (futuro del pasado) verortet er Ereignisse nach einer Referenzzeit, aber vorzeitig zur Sprechzeit (23) und stellt diese als abgeschlossen dar (vgl. Alcina/ Blecua 1994: 805).
(23) Dijo que asistiría a la reunión.
(RAE 1991: 472)
Semantisch gesehen ähnelt der Konditional dem Futur in seiner Vagheit und seinem gewissermaßen hypothetischen bzw. ungewissen Charakter (RAE 1991: 472). Aus diesem Grund und analog zum Futur und wie im Portugiesischen kann der Konditional in seiner modalen Lesart Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten oder Vermutungen ausdrücken (24 & 25) und wird in Bedingungssätzen gebraucht, in denen in der Protasis das Verbalereignis im Imperfekt des Subjunktiv steht (26). Auch im Deutschen wird in diesem Fall ein Konditional verwendet. In der Protasis selbst von Konditionalsätzen kann der Konditional im Spanischen wie im Portugiesischen nicht vorkommen (vgl. RAE 2010: 449).2
(24) Serían las dos cuando me acosté.
(25) Tendría mucha educación, pero no lo demostraba.
(Porto Dapena 1989: 58)
(26) Si tuviese dinero, compraría esta casa.
(de Bruyner 2002: 438)
In (24) spricht man auch von einem Wahrscheinlichkeitskonditional oder einem konjekturalen Konditional. Er ist durch das Imperfekt ersetzbar. Der konjekturale Konditional kann in Adversativsätzen mit konzessiver Bedeutung verwendet (27) mit Wahrscheinlichkeitsadverbien verbunden (28) oder durch ein Vermutungsverb regiert werden (29) (RAE 2010: 450).
(27) Muy bondoso sería, pero bien podía ser absolutamente imaginário.
(Collyer, Pájaros)
(28) Seguramente estaría cansado.
(29) Me imaginé que tendría las manos con un cigarillo del que no tragaría el humo.
(Marías, J., Corazón)
(Beispiele 27-29 aus/ RAE 2010: 450)
Wie im Deutschen und im Portugiesischen dient der Konditional im Spanischen auch dazu, Bescheidenheit (30) oder Höflichkeit (31) auszudrücken (RAE 1991: 474; RAE 2010: 450-451). Allerdings wird dafür im europäischen Portugiesisch fast ausschließlich das Imperfekt und im brasilianischen Portugiesisch – in der gesprochenen Sprache – meistens das Präsens mit por favor ‘bitte’ verwendet.
(30) Me atrevería a asegurar que lo vi ayer.
(Dapena 1989: 59)
(31) Querría información sobre posibles vuelos a Nueva York.
(vgl. Dapena 1989: 59)
Durch den versprachlichten hypothetischen Charakter der Verbalhandlung und die versprachlichte Distanzierung des Sprechers gegenüber dem Gesagten drücken diese Formen durch Reanalyse Höflichkeit aus. Besonders querer, desear und poder alternieren in der Höflichkeitsform mit dem imperfecto de cortesía (RAE 2010: 445).
(32) Le quería/ querría pedir un favor [...]
(RAE 2010: 445)
Der analytische Konditional kann als Futur der Vergangenheit verwendet werden (33), wird ähnlich wie der synthetische Konditional in der Apodosis von Konditionalsätzen verwendet, ist aber in der Protasis ausgeschlossen (34) und kann Höflichkeit (35) und Wahrscheinlichkeit (36) versprachlichen. Er kann ebenso verwendet werden, um anzugeben, dass die Quelle der Information ein Dritter ist (37), also als Evidentialis.
(33) Todos suponían que cuando llegase el invierno la guerra habría terminado.
(RAE 1991: 474)
(34) Si solo hubiéramos llegado a Veracruz... la figura del héroe no se habría destruido.
(F. Benítez, El Rey Viejo: El Amanecer apud RAE 1991: 474)
(35) Habría querido hablar con usted un momento.
(RAE 1991: 475)
(36) Mario... habría pasado mucho con lo de tus hermanos.
(M. Delibes, Cinco horas con Mario, cap. XIV apud RAE 1991: 475)
(37) Un periódico cuenta ayer de una operación en la que habrían muerto [...]
(RAE 2010: 453)
Ähnlich wie im Portugiesischen besteht im Spanischen die Tendenz, den Konditional in der gesprochenen Sprache durch das Imperfekt zu ersetzen (de Bruyne 2002: 440; RAE 2010: 451). Dies wird besonders durch die Tatsache begünstigt, dass beide Tempora eine Perspektivierung der Verbalereignisse versprachlichen, ohne diese direkt gegenüber der Sprechzeit zu verorten, sondern auf einen temporalen Anker oder eine Referenzzeit verweisen (vgl. RAE 2010: 451). Strukturell sind diesbezüglich beide Tempora sehr ähnlich, da beide relative Tempora sind (vgl. RAE 2010: 451). Semantisch gesehen sind beide Tempora der Vorzeitigkeit [-GEGENWARTSBEZUG] (vgl. RAE 2010: 451).
Auch der analytische Konditional verliert stark an Vitalität in der gesprochenen Sprache und wird durch das Imperfekt bzw. das analytische Plusquamperfekt ersetzt (Cartagena 1999: 2964).
(38) Y si nosotros lo hubiéramos querido, lo habíamos dado, ¿eh?
(Esgueva y Cantero 1981: 429 apud Bosque/Demonte 1999: 2964)
Das Beispiel stammt aus der habla culta von Madrid. In hypothetischen Kontexten erfolgt eine Ersetzung durch das Plusquamperfekt des Subjunktivs (39) oder das Imperfekt (40), besonders auffällig in der gesprochenen Sprache (Cartagena 1999: 2964).
(39) Yo, desde luego, en el Bachillerato nunca hubiera separado Ciencias y Letras.
(Esgueva y Cantero 1981: 302 apud Cartagena 1999: 2964)
(40) Si se hubieran venido todavía hace diez años atrás, sí, no había problema.
(Cartagena 1999: 2965)
Insgesamt kann festgehalten werden, dass der spanische Konditional ebenso wie der portugiesische in seiner modalen Semantik deutlich produktiver ist als in seiner temporalen.