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5 SprachvergleichSprachvergleich: KonverbenKonverb

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Unter einem KonverbKonverb versteht man gemeinhin eine Verbform, die das infinite Prädikat eines adverbialen Nebensatzes bildet. Wenn man einen InfinitivInfinitiv als Verbalsubstantiv und ein Partizip als Verbaladjektiv definiert, dann läge in einem Konverb somit so etwas wie ein Verbaladverb vor (cf. z.B. Haspelmath 1995: 4f.). Entsprechend werden Konverben gelegentlich auch als „Adverbialpartizipien“ bezeichnet, während sich in der Romania die Bezeichnung „GerundivGerundiv“ (cf. z.B. Grevisse 2005: 1340), in der Grammatikschreibung anderer Sprachen auch „Gerund“ (cf. z.B. Lewis 2000: 175) findet. Diese beiden Termini haben jedoch in der traditionellen lateinischen wie auch in der auf das Deutsche bezogenen Grammatikschreibung eine andere Bedeutung, indem sie einmal ein Verbalsubstantiv, einmal ein Partizip Futur Passiv (cf. Feret 2005: 35–27, Hentschel/Weydt 2013: 132) beschreiben, und können daher zu Missverständnissen führen. Aus diesem Grund wird hier der Terminus „Konverb“ gewählt, auch wenn sich zeigen wird, dass er dem zu beschreibenden Gegenstand zumindest mit der hier zugrunde gelegten Definition als Adverbialpartizip (im Unterschied zu Verbalsubstantiv und Verbalnomen) nicht völlig gerecht wird.

Zwar kann auch das Deutsche infinite Verbformen, nämlich Partizipien, in der Funktion von Adverbialsätzen verwenden, wie die folgenden Beispiele zeigen:

Vorsichtig spähend schlich sie sich an.

(‚indem/während sie vorsichtig spähte‘)

Über und über mit Schnee bedeckt knickte der Ast ab.

(‚weil er über und über mit Schnee bedeckt war‘)

Die Infinitivkonstruktionen, die im Vorigen angeführt wurden, unterscheiden sich jedoch deutlich von diesem Konstruktionstyp und können zudem unterschiedliche syntaktische Funktionen übernehmen. Sie kommen als Subjekt (Das Sich-Verstecken-Wollen sei …), als Objekt (sie macht es wieder, also das alles besser wissen und ständig fragen) oder als durch Präposition eingeleitetes Adverbial (beim Für-die-Party-Zurechtmachen) wie auch Attribut (Anweisung zum richtig Sprechen) vor. Damit sind sie deutlich flexibler als die Partizipialkonstruktionen – und weisen eine überraschende Ähnlichkeit mit den KonverbenKonverb anderer Sprache, so etwa dem TürkischenTürkisch, auf. Die folgenden vier Beispiele mögen dies illustrieren:

Arkadaşımbenimbaklavayıçoksevdiğimibiliyor.
Freund-meinmeinBaklava-AKKsehrlieb-[DIK]1-mein-AKKweiß

etwa: ‚Mein Freund kennt mein Baklava-sehr-Gernhaben‘

‚Mein Freund weiß, dass ich sehr gerne Baklava mag.‘

Çocuklarınistasyonanasılgideceklerinisanıyorsun?
Kind-PL-GENBahnhof-DATwiegeh-[ECEK]-ihr-AKKdenkst

etwa: ‚Wie denkst du dir das zum-Bahnhof-Gehen der Kinder?‘

‚Was denkst du, wie die Kinder zum Bahnhof gelangen?‘

Sigarayıbıraktığımdanberidahasağlıklıyım.
Zigarette-AKKlass-[DIK]-mein-ABLseitnochgesund-bin

etwa: ‚Seit meinem Zigaretten-Seinlassen bin ich gesünder.‘

‚Seitdem ich nicht mehr rauche, bin ich gesünder.‘

İlacıaldıktansonraiyileşmeyebaşladı.
Medizin-AKKnehm-[DIK]-ABLnachheilen-INF-DATbegann.

etwa: ‚Nach dem Medizin-genommen-Haben begann es ihm/ihr besser zu gehen.‘

‚Nachdem er/sie die Medizin genommen hatte, begann es ihm/ihr besser zu gehen.‘

Auch KonverbenKonverb erlauben, wie sich an den Beispielen zeigt, substantivtypische Markierungen wie Kasusendungen (hier: Ablativ, Dativ), Possessivendungen (sevdiğimi, bıraktığımdan), den Zusatz eines Possessivums (benim) oder eines attributiven Genitivs (çocukların), während sie zugleich typisch verbale Eigenschaften wie die Bindung eines direkten Objektes (baklavayı, sigarayı, ilacı) oder eines adverbialen Dativs zur Richtungsangabe (istasyona) aufweisen. Das sind dieselben Eigenschaften, die zuvor für die deutschen Infinitivkonstruktionen konstatiert werden konnten. Zudem zeigt sich auch, dass die Verbformen keineswegs darauf beschränkt sind, einen adverbialen Nebensatz zu ersetzen; sie übernehmen vielmehr in den ersten beiden Beispielen die Funktion des direkten Objekts und können auch in anderen syntaktischen Funktionen gebraucht werden, ganz wie dies auch auf die deutschen Infinitivkonstruktionen zutrifft. Frappierend ist zudem die Tatsache, dass sich die türkischen Konverben in den obigen Beispielen völlig problemlos mit Infinitivkonstruktionen ins Deutsche übersetzen lassen – zumindest wenn man in Kauf nimmt, dafür ein umgangssprachliches Register, also konzeptionelle Mündlichkeit, zu wählen. Dies ist natürlich nicht notwendig immer der Fall und soll keineswegs für alle Konverb-Konstruktionen des TürkischenTürkisch postuliert werden; dennoch ist die Tatsache, dass es in vielen Fällen möglich ist, bemerkenswert.

Damit gelangt man aber naturgemäß zu der Frage, was – außer der Morphologie – die türkischen KonverbKonverb-Konstruktionen von deutschen Infinitivkonstruktionen des hier besprochenen Typs eigentlich grundsätzlich unterscheidet. Auch an anderen Stellen verwendet das Deutsche schließlich den InfinitivInfinitiv in Funktionen, die nicht einfach nur seiner Funktion als Verbalsubstantiv entsprechen. Brugmann (1904: 605) beschreibt in seiner vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen den prädikativ gebrauchten Infinitiv, also Kombinationen von sein und Infinitiv wie in Diese Aufgabe ist nicht zu lösen, als eine in vielen Sprachen zu beobachtende Bildungsweise, durch die „eine Art von indeklinablen Adj. (Gerundivum) entstand […]. Solche Infinitive wurden dann zumteil in deklinable Adjektive verwandelt“. Letzteres wäre der Fall, wenn die Form attributiv gebraucht wird (die leicht zu lösende Aufgabe), während die „Art von indeklinablem Adjektiv“ in der prädikativen Funktion nach wie vor erhalten ist. Infinitive sind, so kann man hieraus schließen, polyfunktional einsetzbare Verbformen, die keineswegs darauf beschränkt sind, als einfache Verbalsubstantive zu dienen.

Angesichts des unterschiedlichen syntaktischen Verhaltens der hier untersuchten InfinitiveInfinitiv kann man insgesamt von einem Kontinuum mit fließenden Übergängen ausgehen, das von einer klaren SubstantivierungSubstantivierung wie in das Backen des Kuchens (Lehmann 2013: 38) am einen Ende bis hin zu einer eindeutig verbalen Konstruktion in Progressiven wie vielleicht ist er genau nach diesem „guten alten Stück“ seit Jahren am Suchen am anderen Ende der Skala reichen. Zwischen diesen beiden Polen sind Übergänge möglich, die dann zum Nebeneinander von verbalen und nominalen syntaktischen Strukturen führen können. Ein solches Nebeneinander liegt etwa in das ständige sich-Beklagen-über-alles vor, wo die Kongruenz in ständige nur beim Vorliegen eines Substantivs möglich ist, während sich das Vorliegen eines VerbsVerb voraussetzt.

Während sich im Fall eines rein substantivischen Gebrauchs der traditionelle Terminus „substantivierter InfinitivInfinitiv“ gut für die Beschreibung eignet, ist für den Fall einer Konstruktion am verbalen Ende der Skala bisher keine Bezeichnung vorgesehen. Auch wenn der Begriff nicht unproblematisch ist, wird hier in Anlehnung an die Befunde in Turksprachen, wo KonverbenKonverb, wie die obigen Beispiele zeigen, auch nicht ausschließlich adverbiale Funktionen haben, vorgeschlagen, hier den Begriff „Konverb-Konstruktion“ oder zumindest „konverbähnliche Konstruktion“ anzuwenden.

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