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2 Infinitivkonversionen: Beobachtungen

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Jeder InfinitivInfinitiv des DeutschenDeutsch lässt sich substantivieren, ohne dabei seine Form zu verändern; er bekommt dann das Genus Neutrum zugewiesen und kann syntaktisch wie jedes andere Substantiv verwendet werden. Darüber, ob bzw. in welchem Ausmaß diese Infinitivkonversion der WortbildungWortbildung zuzurechnen ist, lässt sich allerdings diskutieren: „Die Zahl tatsächlich geläufiger Konversionsprodukte hält sich in Grenzen“, schreiben Fleischer/Barz (2012: 270) und fahren fort: „Die Infinitivkonversion ist weniger ein Mittel zur Bereicherung des Wortschatzes (obwohl auch diese Seite nicht fehlt) als vielmehr ein syntaktisch relevantes Nominalisierungsverfahren.“ (ibd.: 271).

Zweifellos sind zahlreiche substantivierte InfinitiveInfinitiv vollständig lexikalisiert. Sie bezeichnen oft Konkreta und unterscheiden sich dann deutlich von ad-hoc-Konversionen. Diese können aber unabhängig von der lexikalisierten Form stets ebenfalls nach wie vor gebildet werden; cf. etwa Das Essen steht auf dem Tisch vs. Das Essen fiel ihm schwer oder Das Schreiben ist in der Post vs. Das Schreiben ist ihre Berufung. Klar von WortbildungWortbildung kann man nach Fleischer/Barz (ibd.) vor allem dann sprechen, wenn „der bereits substantivierte Infinitiv als Zweitglied auftritt […] (Abend|essen, Gefühls|leben).“ Allerdings sind die Grenzen auch hier nicht ganz so trennscharf, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, denn es finden sich mit Leichtigkeit Belege wie Lass uns abendessen oder Lass uns abendessen gehen,1 in denen die KompositionKomposition klar als verbaler Infinitiv zu deuten ist. Die Definition von Fleischer/Barz (ibd.) ist aber trotz solcher Überlegungen vom Grundsatz her durchaus überzeugend, und mit ihr lassen sich Fälle wie die folgenden somit klar als Wortbildung kategorisieren:2

beim gemeinsamen Kuchenbacken

die Sache mit dem Frühaufstehen

Genderkritisches Kindererziehen

Tipps fürs Kaffeekochen

Auch wenn man darüber diskutieren könnte, ob hier bereits lexikalisierte Formen vorliegen, ist die Bedingung „bereits substantivierter InfinitivInfinitiv als Zweitglied“ mit das Backen, das Aufstehen, das Erziehen, das Kochen im Grunde durchaus gegeben, und gegen die Interpretation der Formen als Substantive spricht auch im jeweiligen Kontext nichts.

Dass es dennoch nicht ganz so einfach sein kann, zeigt der Blick auf ein Beispiel wie dieses:

beim Pornos gucken aufm Handy

Unabhängig von der Schreibweise – man könnte natürlich auch Pornosgucken schreiben – sträubt man sich hier vermutlich intuitiv, WortbildungWortbildung anzunehmen, und würde in Pornos eher ein Objekt zum InfinitivInfinitiv gucken sehen. Und in der Tat. Bei näherem Hinsehen würde sich auch bei den obigen Beispielen bei einer Getrenntschreibung der Bestandteile, wie sie sich durchaus gelegentlich findet (etwa in Belegen wie: Und das Beste am Kuchen backen), eine solche Interpretation anbieten. Dass es in der Tat gute Gründe dafür gibt, keine Wortbildung anzusetzen, zeigen auch Beispiele wie

beim heimlich Lauschen

Anweisung zum richtig Sprechen3

etc., bei denen – anders, als dies etwa bei einer Konstruktion wie beim heimlichen Lauschen der Fall wäre, – eindeutig ein Adverbial vorliegt. Dafür, dass beide Typen auch problemlos kombiniert werden können, lassen sich ebenfalls leicht Beispiele finden, so etwa dieses:

stellt euch einfach schlauer an beim heimlich Pornos gucken

Technik zum heimlich Filme aufnehmen

Diese Art der Kombination von Infinitiven mit allen möglichen für ein VerbVerb (nicht aber für ein Substantiv) typischen Zusätzen kommt, wie man schnell feststellen kann, außerordentlich häufig vor. Sie findet sich vor allem, aber keineswegs nur bei konzeptioneller Mündlichkeit. Aber eine Wendung wie zum Aus-der-Haut-Fahren hat Eingang in den Rechtschreib-Duden gefunden, ohne als umgangssprachlich markiert zu werden, und auch sonst ist der Konstruktionstyp an vielen Stellen bereits in die konzeptionelle Schriftlichkeit eingedrungen, wie das folgende Beispiel exemplarisch belegen mag:

Gemäß einer offiziellen als auch informellen Polizeikultur gelten die Härte-gegen-sich-und-andere, das Zähne-zusammen-beißen, das Sich-nichts-anmerken-lassen als handlungsleitende Wertvorstellungen. (Schlee 2008: 165)

Die Stilebene, die sich hier in der Wortwahl manifestiert, läuft jeglicher Annahme einer konzeptionellen Mündlichkeit deutlich zuwider. Dass die Form dennoch nicht als selbstverständlicher Bestandteil der Schriftsprache angesehen wird, lässt sich allerdings nicht zuletzt aus der Tatsache ableiten, dass die Wahl der korrekten Schreibweise in solchen Fällen Probleme macht. Außer zu Bindestrichen, wie sie auch der Rechtschreib-Duden verwendet, greifen die Schreibenden zu völlig unterschiedlichen Lösungen. Ganz ohne Markierung kommt etwa das folgende Beispiel aus:

[…] denn das tägliche Brote schmieren, Hausaufgaben kontrollieren und Vokabel abfragen wird uns für ein paar Wochen erlassen.

Aber auch die Markierung der gesamten Form als eine Art Zitat findet sich:

[…] obwohl das „sich einfach nicht mehr melden“ nur von ihm ausging.

Ebenso schwanken Groß- und Kleinschreibung in den gesammelten Belegen stark. In der Mehrzahl der Fälle werden die InfinitiveInfinitiv jedoch auch beim Vorhandensein eines Artikels nicht groß geschrieben, was den vorsichtigen Schluss nahe legt, dass sie von den Schreibenden nicht als Substantivierungen, sondern als Verbformen wahrgenommen werden.

Was den Umfang der Erweiterung der InfinitiveInfinitiv betrifft, so scheint es hier keine Beschränkungen zu geben, wie die nachfolgende kleine Beispielsammlung illustriert:

Dass einen in der ÖVP das „offen seine Meinung“ Sagen schon zur „Kapazität“ macht […]

Und das sich ständig beklagen […], das kann ich nachvollziehen.

[…] für mich ist das ständige sich-Beklagen-über-alles DIE typisch deutsche Eigenschaft schlechthin.

Viel Spass schon ma [sic!] beim Geld für Laser sammeln, Herr […]

[…] Musik, die sich perfekt beim Für-die-Party-Zurechtmachen hören lässt, […]

Habe mir heute beim fürs Mittagessen gemüseschneiden so stark in den Daumen geschnitten […]

[…] weil mein auf ihn einreden echt überhaupt nichts bringt.

[…] zunächst, um Jedem beim Sich-Einander-Vorstellen in spaßvoller und interaktiver Weise zu helfen […]

sie macht es wieder, also das alles besser wissen und ständig fragen warum ich […]

Das letzte Beispiel enthält sogar einen Nebensatz, der die Funktion des Objekts zum InfinitivInfinitiv übernimmt.

Daneben lassen sich auch substantivierte Modalverben beobachten, die Vollverben bei sich haben, von denen ihrerseits wieder weitere Elemente abhängig sind:

[…] dass Dir genau dieser Zustand und das Sich-ständig-beklagen-können besonders gefällt […]

Das Sich-Verstecken-Wollen sei ein Merkmal seiner Kunst.

[…] das „nichts gesehen haben wollen“.

[…] eine Verleugnung und Abspaltung der Affekte sowie das ständige Kontrollieren-Müssen von Beziehungen […] (Hirsch 2004: 185)

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