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2 Sprachpflege und Laienlinguistik in öffentlichen Diskursräumen

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Hoberg (1997, 55) definiert den Kommunikationsbereich Öffentlichkeit als „[…] alles, was nicht Linguistik ist und was >Publizität< beanspruchen kann“. Diese auf der einen Seite zunächst sehr offen anmutende Begriffsbestimmung impliziert auf der anderen Seite ein Verständnis von Öffentlichkeit als klar abgestecktem, geschlossenen Raum, in dem die äußeren Akteurspositionen „>Experte< und >Laie< […] zwei Pole auf einem Kontinuum sind“ (Spitzmüller 2005, 71). Wie aber der Übergang zwischen Experten und Laien nicht als absolut, sondern graduell zu verstehen ist (vgl. Stegu 2008, 84), so ist auch deren Wirkungsbereich Öffentlichkeit als offener und vernetzter Bereich zu verstehen, der gerade durch die Verwendung massenmedialer Formen wie des Internets seine Heterogenität und fließende Grenzen erhält. Dennoch erlauben die sich in metasprachlichen Kontexten manifestierenden Unterschiede zwischen Laien- und Expertentum – letzteres oftmals vertreten durch wissenschaftliche Sektoren, hier konkret die Sprachwissenschaft – eine Einordnung der sogenannten Laien-Linguistik in Form eines gesonderten diskursiven Feldes, das einen festen Platz in der Öffentlichkeit für sich beansprucht. Antos (1996, 34) sieht diese Unterschiede darin begründet, dass „Wissenschaften einen methodischen, d.h. systematischen Wissensgewinn anstreben.“ Laienlinguistische Theorien im Sinne subjektiver und intersubjektiver Alltagstheorien hingegen weichen, wenn auch mit Sicherheit nicht alle, von diesem Prinzip ab. Dies sei nicht nur einer geringeren Präsenz von Parametern wie Explizitheit, Falsifikation und Kohärenz bei der Beschreibung sprachlicher Handlungen geschuldet (vgl. ibid.), sondern vor allem dem ihr eigenen, relativ hohen Grad an sprachnormativer Präskription (vgl. id., 19). Jedoch soll es in diesem Beitrag nicht darum gehen, eine allgemein gültige definitorische Abgrenzung zwischen Linguistik und Laienlinguistik zu ziehen oder den Zuständigkeitsbereich der Laienlinguistik zu diskutieren (vgl. dazu weiterführend Brekle 1989; Niedzielski/Preston 2000; Paveau 2008; Preston 2008). Vielmehr soll im Kontext der Online-Kommunikation die folgende Definition nach Paveau/Achard-Bayle (2008, 5) angeführt werden:

Le terme linguistique populaire est un calque d’une série de dénominations anglo-saxonnes basées sur folk, dans lesquelles folk est traduit en français par populaire, spontané, naïf, profane ou ordinaire […]. On parle aussi de linguistique de sens commun et l’on rencontre également l’expression linguistique des profanes, dont L. Rosier [(Rosier 2004, 70)] signale la présence désormais massive sur l’internet : „On peut […] ajouter ce qu’on nomme “la linguistique des profanes”, particulièrement visible sur l’internet, notamment dans le cadre des forums de discussion […]“.

Im Rahmen dieser begrifflichen Grundlage soll es im Folgenden in erster Linie darum gehen, die Beschaffenheit metasprachlicher, (un)bewusster Wissensbestände und Wahrnehmungsprozesse auf der Grundlage expliziter Äußerungen zu rekonstruieren. Dabei steht weniger die Frage im Vordergrund, ob metasprachlich konstruierte Normen im sprachpflegerischen Diskurs deskriptiv oder präskriptiv veranlagt sind, sondern ob in einer sprachpflegerischen Tradition verankerte, „historisch gewachsene Orientierungs- und Handlungsrahmen“ (Spitzmüller 2005, 56) das Entstehen solcher Normen „à part des ‚professionnels de la normeʻ“ (Osthus 2003, 139) bedingen. Allerdings leiden, wie der Begriff Diskurs selbst, auch im Diskurs verankerte und durch ihn konstruierte Dachkonzepte wie Mentalität, Identität und Spracheinstellung unter terminologischer Unschärfe (vgl. Spitzmüller, 57), weshalb diese für die vorliegende Fragestellung kurz eingeordnet werden sollen:

Für diskurslinguistische Fragestellungen ist nach Wengeler (vgl. 2003, 61)1 – entgegen der alltagssprachlichen Auffassung von Mentalität im Deutschen – seine historiographische Verwendung zu bevorzugen, die auf dem Begriffsverständnis der französischen mentalité beruht:

[Es] fällt auf, daß es bei dem französischen Begriff entschieden auf die Gruppe ankommt (auf die collectivité), statt wie im Deutschen, gleichermaßen auf das Individuum; das Individuum hat eine mentalité bloß insofern, als es teilhat an der kollektiven mentalité (Hermanns 2012, 11).

Darüber hinaus ist neben der Bedeutung des Kollektivs weiterhin vor allem die historische und handlungsrelevante Komponente von Mentalitäten hervorzuheben, denn „[h]istorische Mentalität ist das Ensemble der Weisen und Inhalte des Denkens und Empfindens, das für ein bestimmtes Kollektiv in einer bestimmten Zeit prägend ist. Mentalitäten manifestieren sich in Handlungen“ (Dinzelbacher 1995, XXI) und zeichnen sich weiterhin dadurch aus, dass sie vor allem „assoziativ“ sind, d.h. nicht „kausallogisch“ reflektiert werden. Auch wenn man sich ihrer Existenz nicht bewusst sein muss, stellen sie ein kollektives Dispositiv für menschliches Denken und Handeln dar, wobei natürlich stets zwischen „Mentalität als kognitiver Dimension und Handlung“ zu unterscheiden ist (vgl. Spitzmüller 2005, 58). Zwar ist es Ziel jeder diskurslinguistischen Untersuchung, aus Handlungen kollektive Mentalitäten abzuleiten, dennoch „[handeln] Individuen […] innerhalb einer Mentalität selbstverständlich auch unterschiedlich“ und nicht jede Handlung ist einer bestimmten Mentalität zugeordnet, sondern der Kontext der einzelnen Handlung ist stets in die Interpretation mit einzubeziehen (ibid.). Aus der Historizität der Mentalität resultiert ferner ihr synchroner „Schnittmengen“-Charakter (id., 60), der sich aus verschiedenen zeitlichen Ebenen zusammensetzen kann und in die Erscheinungsformen der epochalen „Totalmentalitäten“, die von mehr oder weniger allen Diskursteilnehmern geteilt werden, der „Makromentalitäten“ eines diskursspezifischen Kollektivs oder der „Mikromentalitäten“, die sich innerhalb eines Kollektivs manifestieren, differenziert werden kann (vgl. ibid.).

Mit dem Konzept der kollektiven Mentalität verwachsen ist der in der Forschung ebenfalls diskutierte Begriff der kollektiven Identität, der jedoch gerade für metasprachlich und sprachnormativ handelnde Akteure von nicht minderer Bedeutung ist. Für den sprachpflegerischen Diskurs scheint vor allem die von Assmann (62007, 134) beschriebene kollektive Identität im Sinne einer „reflexiv gewordene[n] gesellschaftliche[n] Zugehörigkeit“ zutreffend, da sie eine bewusste Abgrenzung einer Gruppe von anderen Gruppen und deren Einstellungen impliziert:

Unter einer kollektiven oder Wir-Identität verstehen wir das Bild, das eine Gruppe von sich aus aufbaut und mit dem sich die Mitglieder identifizieren. Kollektive Identität ist eine Frage der Identifikation seitens der beteiligten Individuen. Es gibt sie nicht an sich, sondern immer nur in dem Maße, wie sich bestimmte Individuen zu ihr bekennen (id., 132, Hervorhebungen i.O.).

Für die laienlinguistische Sprachpflege – sofern man davon ausgehen kann, dass das Attribut ,laienlinguistisch‘ für dieses Akteurskollektiv überhaupt zutreffend ist – sowie auch und gerade für den Bereich der institutionalisierten Sprachpflege, auf den hier nicht intensiver Bezug genommen werden soll, ist festzuhalten, dass sich die ihr bewusst durch sich selbst zugeschriebene kollektive Identität maßgeblich von anderen Mentalitäten unterscheidet, da sie sich nicht im Sinne eines 'natürlichen' sozio-historischen Automatismus aus den jeweils geltenden gesellschaftlich-kulturellen Orientierungsschemata auf die Akteure im Diskurs überträgt, sondern die Akteure ihre Identität – wenn auch im Rahmen mentalitätsgeschichtlicher Impulse und Traditionen – im Diskurs bewusst konstruieren. Dieses entworfene Selbstbild wird mit dem primären Ziel der kollektiven Abgrenzung vom Anderen beharrlich propagiert und diktiert dadurch gleichzeitig einen bestimmten modus operandi. Es handelt sich um die Verzahnung einer aktiven, bewussten Identitätskonstruktion mit einer passiven, unbewussten Beeinflussung durch mentale Muster und Repräsentationen in einem „Wechselspiel von […] Identitäten und Alteritäten“ (Spitzmüller 2005, 65, Hervorhebungen i.O.). Wie unter anderem zu zeigen sein wird, nimmt dabei im sprachpflegerischen Diskurs oftmals die diskursive Verknüpfung von nationaler Identität und der jeweiligen (Mutter-) bzw. (Landes-) Sprache einen zentralen Platz ein.2

An letzter Stelle steht die kurze Einordnung des Konzepts Spracheinstellungen,3 die sich im Hinblick auf metasprachliche und normative Diskurse natürlich vor allem auf die Sprache selbst, ihre Verwendung, ihre Entwicklung und ihre Sprecher beziehen, wobei sich diese Bereiche im Diskurs überschneiden können (vgl. Spitzmüller 2005, 69). Bei metasprachlichem Handeln werden in sprachpflegerischen oder gar puristischen Kontexten Einstellungen häufig in ihrer affektiven Komponente sichtbar, die Giles präzisiert als „definite attitudes […] towards speakers representing different speech styles“ (1987, 585) und Stickel (1999, 17) wie folgt ergänzt:

[Spracheinstellungen sind] wertende Dispositionen, die einzelne Menschen oder soziale Gruppen gegenüber sprachlichen Erscheinungen haben. Spracheinstellungen sind besonders Haltungen gegenüber Sprachen, Sprachvarietäten oder Sprachverhalten anderer Individuen und Gruppen, oft mit wertender Berücksichtigung der jeweils eigenen Sprache. Wie andere Einstellungen gelten Spracheinstellungen als erlernt, relativ beständig, wenn auch veränderbar.

Spitzmüller betont die enge Verknüpfung zwischen Mentalität, Identität und Einstellungen in metasprachlichen Diskursen (vgl. 2005, 70) und verweist in diesem Zusammenhang auf eine Definition nach Hermanns, der zufolge „[e]ine Mentalität […] die Gesamtheit aller usuellen Einstellungen in einer sozialen Gruppe [ist].“ Kollektive Identität wiederum „basiert zu großen Teilen auf der Überzeugung, Einstellungen anderer Individuen zu teilen“ (2002, 80f.).

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