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4.2 Sprachnormierungskriterien als Fundament sprachpflegerischer Topoi

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Für eine sprachkontrastiv angelegte Untersuchung von metasprachlichen Daten stellt sich mithin die Frage, ob im sprachnormativen Diskurs der ausgewählten Sprachgemeinschaften unterschiedliche Sprachnormen und verschiedene Repräsentationen von Sprachnormenbewusstsein auftreten (vgl. Settekorn 1990, 1) oder ob es umgekehrt topische Muster gibt, die auf äquivalenten Normierungskriterien beruhen. Um die transtextuell-thematischen Diskursstrukturen dahingehend zu prüfen, muss eine qualitative textbasierte Untersuchung erfolgen, die ein Verständnis des normativen Diskurses als Sammlung „kohärente[r] Textgebilde“ voraussetzt, „in denen ein Autor oder eine Gruppe von Autoren [im vorliegenden Fall Akteure der laienlinguistischen Sprachpflege, Erg. VN] sprachliche Aussagen macht, deren Intention es ist, auf die Änderung einer sprachlichen Gegebenheit zu zielen“, d.h. dass es „[…] sich dabei also stets um persuasive Texte handelt“ (Schmitt 1990, 28).

Was weiter die im normativen Diskurs ausgehandelten Sprachnormen anbelangt, so bezeichnet Gloy (2008, 396) diese als „Objekte und die Ergebnisse bestimmter Entscheidungs- und Durchsetzungsprozesse“, die „[i]ntensional sind […] über das Merkmal einer (heteronomen) Verpflichtung […], die als Vorschrift oder als Regel oder als Gebot der Vernunft gegeben sein kann“. Sprachnormen zielen damit auf eine rechtmäßige, richtige und zweckmäßige Verwendung von Sprache ab, wobei ihre Anwendung dabei auf sprachliche Objekte unterschiedlichen Komplexitätsgrades erfolgt (vgl. ibid.). Der Geltungsanspruch sprachlicher Normen orientiert sich jedoch nicht nur an objektiven innersprachlichen Kriterien, sondern auch an pragmatischen oder soziologischen Kriterien, was dazu führt, dass die Verbindlichkeit von Sprachnormen von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen verschieden definiert wird (vgl. ibid.). Der Gegenstandsbereich der Sprachnormen umfasst somit also „alle ‚(versuchten) normativen Handlungen‘ […] zu denen man jede, auch die von Einzelpersonen vorgetragene Normformulierung, metasprachliche Urteile […] und die gesamte Sprachkritik […] zählen kann“ (id., 397).

Die diskursive Aushandlung von Sprachnormen liegt in Deutschland und Frankreich in einem spätestens seit Ausbildung der europäischen Nationalstaaten traditionellen Streben nach dem Erhalt „der idealen Gestalt der Standardsprache“ (Schweickard 2005, 177) begründet und orientiert sich dabei an motivationalen Gesichtspunkten, die von ästhetischen Beweggründen, über bestimmte ideologische Auffassungen bis hin zu politischen Überlegungen reichen. Die Sprachpflege und der Ausbau von Sprachnormen haben sich jedoch in beiden Ländern durch individuelle historische Prozesse entwickelt und weisen heute dementsprechend divergierende Ausprägungsformen und gesellschaftliche Wirkungsbereiche auf. Eine länderübergreifende Gemeinsamkeit repräsentiert dabei jedoch – wie die Korpusanalyse zeigen wird (vgl. 5) – das beiderseitige Wirken gegen den Einfluss der englischen Sprache und der anglophonen Kulturen. Wo in Deutschland diese Effekte globaler Entwicklungen bislang lediglich von einzelnen Akteursgruppen kritisch diskutiert wurden, setzt sich Frankreich bekanntermaßen der englischen Einflussnahme mittels einer gut ausgebauten institutionalisierten Sprachpflege und einer aggressiven Sprachpolitik zur Wehr.

Auf der Grundlage seiner Perspektivierung von Sprachnormierung als Bereich „gesellschaftlicher Verflechtung“ liefert Gloy einen Katalog sprachlicher Normierungskriterien für die erstrebte Standardform der deutschen Sprache, deren Geltungsanspruch und soziale Akzeptanz sich historisch etabliert hat (2008, 397ff.):

(a) Konstitution und Erhalt einer Einheit der Nation

(b) allgemeine Verständlichkeit

(c) etablierter Sprachgebrauch („jedermanns“)

(d) Sprachgebrauch von (kulturellen) Autoritäten

(e) Erhaltung des sozialen Distinktionswertes

(f) das aus sprachwissenschaftlicher Sicht Richtige und Systemgemäße

(g) das in einer Kultur- bzw. Gesellschaftskritik Angeratene

(h) das historisch Gewachsene

(i) das politisch Machbare

(j) das Finanzierbare

(k) der wahrhafte Ausdruck

(l) die kognitiven Folgen

Auch wenn ein solcher Normenkatalog mit Sicherheit nicht ohne Weiteres zu verallgemeinern ist und je nach Sprachraum, diskursiver Funktionalisierung und Interessen der Akteure („Normenverfasser, Normensetzer, Normenvermittler, Normenbefürworter u.a.“ id., 399, Hervorhebungen i.O.) andere Ausprägungen annehmen oder Erweiterungen erfahren kann, so liefert er dennoch ein analytisches Raster, das einen ersten Ausgangspunkt für die hier angestrebte sprach- und kulturkontrastive Schwerpunktsetzung liefert. So wird im Folgenden erstens zu prüfen sein, ob sich die oben aufgeführten, diachron erfassten Normierungskriterien auch in heutigen sprachpflegerischen Diskursen manifestieren. Zweitens stellt sich anhand der konkreten Gegenüberstellung der Diskurse in Deutschland und Frankreich die Frage, ob die in metasprachlichen Äußerungen ermittelten Normvorstellungen gleichen inhaltlichen Mustern und argumentativ vermittelten Geltungsansprüchen unterliegen oder voneinander abweichen. Ein dritter zu beachtender Aspekt bezieht sich auf die für die Internetkommunikation angenommene Heterogenität der Akteure und die damit verbundene Hypothese, diesen sprachpflegerischen Teildiskurs anhand bestimmter Merkmale im Bereich der Laienlinguistik zu verorten.

Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania

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