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3 Lexis im berufsbezogenen Kontext: Eine hybride Methode des Mittelalters

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Betrachten wir diese funktionalen, pragmatischen Vokabelkenntnisse im Mittelalter kurz genauer und konsultieren dabei eine historische Quelle, die bisher in Didaktikerkreisen kaum bekannt ist. Interessanter Weise passt sie nicht so recht in das Bild des Primats der Grammatik-Übersetzungsmethode in mönchischen Lebenswelten. Sie spiegelt vielmehr als hybrid zu bezeichnende, dialogbestimmte Praktiken in englischen Klöstern des Mittelalters. Es handelt sich um das Lernkompendium des angelsächsischen Mönchs Ælfric (ca. 955-1020). Der Verfasser von Homilien und Heiligenviten war zugleich der Autor einer kleinen Lernfibel, welche als lateinisches Colloquium und altenglisches Colloquy überliefert ist. Präsentiert wird eine typisierte und idealisierte Lehr-Lernsituation, in welcher der unterrichtende Magister seine Schüler, die Mönche, dazu bringt, in die Persona des jeweiligen Berufsvertreters zu schlüpfen. In einem lateinischen Übungsgespräch üben die Lernenden die für das jeweilige Berufsfeld typischen Vokabelfelder ein, unter anderem als Hirte, Weber, Salzsieder, Fischer, Jäger, Schmied und Kaufmann (lateinisch mercator/altenglisch mancgere). Auch wenn Ælfrics Colloquy bisweilen als realitätsgetreue Abbildung der Stände des englischen Hochmittelalters verstanden wurde, geht es in diesem Lateinübungsbüchlein eher um eine interessante Mischung aus dem Vorlesen und freien Vorsprechen auswendig gelernter Dialoge einerseits, andererseits dem Einüben berufstypischer Sprechakte und sogar von Spezialvokabular der jeweiligen Profession. Der folgende Auszug aus dem Colloquy gibt den gesamten Musterdialog zwischen dem fragenden Mönch und dem antwortenden Kaufmann als Rollendialog wieder. Die Passage wird der Einfachheit halber in der deutschen Übersetzung zitiert (im Original im Lateinischen und Altenglischen, Ælfric1940, 138/141):

Was sagst du, Kaufmann? – Ich sage, daß ich dem König, den Adeligen, den Reiche und dem ganzen Volk nützlich bin. – Auf welche Weise? – Ich begebe mich auf ein Schiff und segle mit meinen Waren über das Meer in ferne Länder und tausche meine Waren gegen Kostbarkeiten, die es hierzulande nicht gibt. Ich bringe sie unter großer Gefahr zurück und erleide mitunter Schiffbruch; dann verliere ich all meine Habe und rette kaum das nackte Leben. – Welche Dinge bringst du uns? – Purpurne und seidene Stoffe und Gewänder, Edelsteine und Gold, Wohlgerüche, Wein und Öl, Elfenbein und Kupfer, Erz und Zinn, Schwefel und Glas und eine Menge andere Sachen. – Verkaufst du diese Dinge zu dem Preis, zu dem du sie gekauft hast? – Nein. Was brächten mir dann meine Mühen ein? Ich verkaufe teurer, als ich selber gekauft habe, um einen gewissen Gewinn zu erzielen und um meine Frau und meine Kinder ernähren zu können.

Wenngleich die Musterdialoge in der lingua franca des Mittelalters, dem Lateinischen, aus heutiger Sicht eher schematisch wirken, deuten sie doch an, dass auch in Klöstern und Gelehrtenrunden nicht allein die Grammatik-Übersetzungsmethode vorherrschte. Mit zunehmender Bedeutung des Handelswesens und der wachsenden Kulturkontakte sowie der Genese europäischer Nationalstaaten am Ende des Mittelalters und in der frühen Neuzeit wuchs zugleich die Kritik an weltfremden Vermittlungstechniken von Fremdsprachen.

Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart

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